Sonntag, 25. Oktober 2015

Fröhlich Pfalz, Gott erhalt's! - Herbstausflug zur Pfälzer Weinstraße

Weingut Müller-Catoir
Seit 9 Generationen befindet sich das Pfälzer 'Flaggschiff-Weingut' Müller-Catoir im Familienbesitz und produziert alljährlich eine herausragende Weinkollektion. Die Einladung des Weingutes zu seiner traditionellen Herbstpräsentation motiviert uns zu einem Ausflug in die Pfalz, den wir mit dem Besuch weiterer Weingüter und einer Einkehr in Knipsers Gutsausschank Halbstück verbinden. Wir übernachten an der Deutschen Weinstraße in Kallstadt. Das Ortsbild hat sich an der Hauptstraße über 30 Jahre kaum verändert, aber wir vermissen einige Traditionseinrichtungen. Einmal mehr zeigt sich, dass auch vermeintliche Fixpunkte Pfälzer Wein- und Küchenkultur von Veränderungen über Zeit nicht ausgespart bleiben. Diashow der Fotoserie





Herbstpräsentation des Weingutes Müller-Catoir
Weingut Müller-Catoir
Die Veranstaltung ist für den Zeitraum von 11:00 - 17:00 Uhr angesetzt. Bei unserem Eintreffen gegen 11:30 Uhr klingt life dargebotene klassische Cello-Musik durchs Haus. Auf einem langen Probiertisch stehen sämtliche trockenen Weine der breiten Guts-Kollektion zur Verkostung mit Selbstbedienung bereit. Um den Tisch drängt sich viel Publikum. An einem kleineren separaten Probiertisch schenkt ein Mitarbeiter fruchtig und edelsüß ausgebaute Weine aus. In einem Nebenraum bedienen sich Besucher an delikaten Tappas.
Wir konzentrieren uns auf Rieslinge, Weißburgunder sowie Grauburgunder, die uns nicht so stark wie in früheren Jahren beeindrucken. Trotzdem verlassen wir das Weingut natürlich nicht ohne Einkäufe einer kleinen Auswahl.






Knipsers Gutsausschank Halbstück
Knipsers Halbstück in Bissersheim
Weinverkostungen machen hungrig. Für einen Imbiss besuchen wir Knipsers Gutsausschank Halbstück in einem denkmalgeschützten barocken Anwesen. Nach fünfjähriger Renovierung und Restaurierung hat der Gutsausschank in Bissersheim den Betrieb aufgenommen, der nach unserem heutigen Eindruck zumindest heute nicht rund läuft.
Wir befürchten großen Andrang, werden jedoch angenehm enttäuscht. Auf der Suche nach dem Restaurant irren wir ein wenig verloren über den Hof und durch einige Nebenräume. Im Gefolge einer netten Mitarbeiterin gelangen wir schließlich in das Restaurant, in dem zu diesem Zeitpunkt noch einige Plätze unbesetzt sind. Einrichtung und Atmosphäre des Raums gefallen uns.






Imbiss im Halbstück
Die kleine Speisekarte ist in Richtung 'rustikaler Kleinigkeiten' konzipiert, was uns für einen Imbiss gerade recht ist. Die Weinkarte enthält ausschließlich Weine des Weingutes Knipser, die auf ca. 40 ha Fläche angebaut werden. Dank Exzellenz der Weine und eines breiten Sortimentes bedeutet das beschränkte Angebot eher Vorteil als Nachteil. Ohne zusätzliche Berechnung wird ein hervorragendes Sortiment frischer Brote in Begleitung von Olivenöl serviert. Unsere Auswahl aus dem Speise- und Weinangebot erweist sich als gute Entscheidung.
Die Frage nach einer Weinprobe erwischt den Service auf dem falschen Fuß. "Hm, lässt sich machen", lautet die Antwort. Eine spontane Verkostung des Sortiments scheint nicht vorgesehen zu sein. Wir bohren nicht weiter und beschließen den Besuch des Weingutes in ca. 10 km Entfernung. Das Weingut treffen wir an einem Sonntag verschlossen an. Da wir übernachten, verlegen wir den Besuch auf den Folgetag.



Spaziergang durch Freinsheim
Eisentor Freinsheim
Unseren Weg nach Kallstadt legen wir über Freinsheim und unternehmen einen Spaziergang durch die mittelalterliche Altstadt des Ortes, in der wir oft übernachtet haben. Wenn wir das Budget schonen wollten, war das mittlerweile geschlossene Gasthaus 'Zum Grünen Baum' eine gute Option. Ohne Rücksicht auf das Budget genossen wir das Hotel-Restaurant Luther als nicht zu toppende freinsheimer Adresse. Seit 1984 dekorierte der Guide Michelin Dieter Luthers Küche durchgehend mit einem Stern. Am 31.12.2013 schlossen die Luthers ihren Betrieb und gingen in den Ruhestand.








Übernachtung in Kallstadt
Weinhaus Henninger
Kallstadt besuchen wir seit ca. 30 Jahren. Über viele Jahre war das 'Weinhaus Georg IV Henninger' einer unserer pfälzer Fixpunkte. Im 1615 errichteten Fachwerkgebäude betrieb Walter Henninger ein Weingut mit Weinstube (Geschichte des Henninger). Der Betrieb galt als einer der schönsten und besten Landgasthöfe der Pfalz. Ausgebaut wurden die Weine vis-à-vis in Bernd Philippis renommiertem VDP-Weingut Köhler-Ruprecht.








 

Weinkastell zum weißen Ross
An das Weingut Köhler-Ruprecht schließt sich unmittelbar das von Bernd Philippis Schwester Jutta und ihrem Ehemann Norbert Kohnke betriebene Hotel-Restaurant 'Weinkastell zum weißen Ross' an, dessen Gebäude auf das 15. Jh. zurückgeht. Das Restaurant des Weinkastells galt über viele Jahre als pfälzer Spitzenbetrieb. 1990 haben wir dort einen runden Geburtstage im Freundeskreis gefeiert. Nach 25 Jahre konstatieren wir neben Veränderungen im Freundeskreis auch weitreichende Veränderungen in Kallstadt .









Weingut Köhler-Ruprecht
Walter Henninger verpachtete 2003 den 'Henninger' an einen jungen Gastronomen, der jedoch nicht die erfolgreiche Tradition zu nutzen wusste. Jochen Lampert, mittelständischer Unternehmer, kaufte 2010 den Betrieb, sanierte den Komplex und erweiterte ihn um ein Landhotel. Das heutige Weinhaus Henninger bietet hinter historischer Fassade komfortablen 4-Sterne-Komfort in ansprechendem Stil.
Jutta und Norbert Kohnke, Betreiber des gegenüber liegenden 'Weinkastell', schließen ihr Haus Ende 2012 und begeben sich in den Ruhestand. Lt. Information der Bad Dürkheimer Zeitung vom 25.01.2015 (PDF) übernimmt der 'Henninger' als Pächter das 'Weinkastell', um es nach nach Renovierung als eigenständigen Betrieb weiterzuführen.
Bereits 2009 verkaufte Bernd Philippi sein Weingut Köhler-Ruprecht an die US-Familie Sauvage, die den kompromisslosen Stil des Weingutes beizubehalten verspricht und als Eigentümer des 'Weinkastells' eine Fortführung des Traditionshauses beabsichtigt. Umgesetzt wurde die Absicht nur teilweise. Kompromisslose Qualitätspolitik demonstriert das Weingut 2014 mit seinem Ausstieg aus dem VDP-Verband. Zimmer des 'Weinkastells' werden dagegen mittlerweile als 'Dependence' des 'Henningers' ohne eigene Infrastruktur vermietet. Welche Kräfte diese Entwicklung treiben, bleibt aus der Außensicht undurchsichtig, zumal die Webseite Weingut Köhler-Ruprecht noch nicht an die aktuelle Entwicklung angepasst ist.

Diner im Henninger
Unsere Eindrücke des Abendessens im 'Henninger' sind gespalten. Ambiente, Service und Atmosphäre gefallen uns. Das Niveau der gewählten Gerichte ist jedoch nicht mehr als 'ordentlich' und vermag nicht zu begeistern, während das Preisniveau der Weinkarte bei vorsichtiger Formulierung als 'forsch' bezeichnet werden kann. Wir wählen einen Sauvignon Blanc vom Weingut Knipser zum Preis von 33 €. Am Hof wird der Wein für 9,80 € verkauft. Wir vermuten, dass der 'Henninger' den Wein günstiger einkaufen wird.









Bar im Henninger
Vor dem Rückzug aufs Zimmer nehmen wir einen Umweg über die schön gestaltete Bar. Trotz gefälligem Design und angenehmer Atmosphäre der Bar, zu der Kaminfeuer und exotische Pflanzen-Arrangements beitragen, sind wir die einzigen Gäste. Die exotischen Pflanzen erweisen sich jedoch als Kunstblumen-Fake und die angebotenen offenen Rotweine liegen deutlich unter dem beanspruchten Niveau des Hauses.










Frühstück im Henninger
Punkten kann der 'Henninger' mit seinem Frühstücks-Buffet. An Produkten, Auswahl und Service gibt es nichts auszusetzen. Als mager empfinden wir, dass als Frühstückslektüre nur 2 lokale Zeitungen mit jeweils einem Exemplar angeboten werden.












Weingut Markus Schneider, Ellerstadt
Verkostungsraum im Weingut Markus Schneider
Bevor wir die Rückreise antreten, besuchen wir zwei Weingüter in der näheren Umgebung von Kallstadt. Wir starten im Weingut Markus Schneider. Markus Schneider ist unter den 'Pfälzer jungen Wilden' der erfolgreichste, vermutlich auch leidenschaftlichste Winzer und konnte innerhalb weniger Jahre das vorher unbekannte Weingut zu einem weit über die Pfalz hinausweisenden Spitzenbetrieb entwickeln. Das Weingut bewirtschaftet etwas mehr als 92 ha Fläche mit einem breit gefächerten Trauben-Sortiment, aus dem kraftvolle 'Rock 'n' Roll'-Weine mit kosumentenfreundlichem Preis-Leistungs-Verhältnis gekeltert werden. Dank kontinuierlichem Ausbau des Sortiments erwarten wir in der Zukunft noch manche Überraschung.
Die Kombination von minimalistischem Stil mit hochwertigem Design der Anlage beeindruckt und macht deutlich, dass sich das Weingut nicht als Regionalbetrieb versteht, sondern global ausgerichtet ist. Von den für uns interessanten Weinen sind bereits viele ausverkauft, sodass unsere Ausbeute heute klein bleibt. Den nächsten Besuch werden wir klüger terminieren.


Weingut Knipser, Laumersheim 
Weingut Knipser
Über das Weingut Knipser und die herausragende Qualität seiner Weine ist bereits so viel geschrieben und gesagt worden, dass wir diesen Statements nur noch unsere subjektiven Eindrücke hinzufügen können. Der Auftritt des Weingutes vermittelt Bodenständigkeit und verzichtet auf Ehrfurcht gebietende Architektur und Symbolsprache. "Es gibt steife Weingüter. Es gibt Weingüter, bei denen man als Kunde schon etwas Schwellenangst haben kann, weil der berühmte Name über dem Kopf wabert. Und es gibt Knipser.", schreibt der Gault Millau in der Ausgabe 2015. Als Pioniere haben die Brüder Werner und Volker Knipser deutschem Rotwein den Weg zu internationalem Ansehen geebnet, ohne Weißwein zu vernachlässigen. Im Verkostungsraum begrüßt uns Volker Knipser völlig uneitel mit einer wie selbstverständlich erscheinenden, aber uns verblüffenden Freundlichkeit, der bereits ein Redakteur der FAZ eine Liebeserklärung gewidmet hat: Deutschland, deine Winzer!. Mit Ausnahme der Trockenbeerenauslese (85 €, 0,375 l) dürfen wir alle Weine einschließlich 'Großer Gewächse' verkosten (Flaschenpreise für 0,75 l bis 54 €). In Anbetracht ihrer Qualität dokumentieren die Preise der Weine eine extrem sympathische und international untypische Haltung der Bescheidenheit. Nur selten haben uns Weinproben wie auf diesem Weingut beeindruckt und nur selten hat der Einkauf von Wein so wenig mit Gedanken zum Thema 'Geld' strapaziert.

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