Mittwoch, 18. September 2013

Sächsische Schweiz 2013 - Besuch der sorbischen Hauptstadt Bautzen

Bautzen aus Richtung Scharfenweg
"Gott weiß, es gibt Schöneres, als grade eure Schnauzen, 
schönere Löcher gibt es auch, als das Loch von Bautzen" 
singt Wolf Biermann in der 'Stasi-Ballade' ('aah-ja!', 1974). Unser Bild von Bautzen prägt über viele Jahre Wolf Biermann, der auf den berüchtigten 'geheimen' 'Stasi-Knast' in dieser Stadt aufmerksam macht. Welche 'schöneren Löcher' Wolf Biermann besingt, bleibt der Phantasie überlassen.
Die kulturell faszinierende Seite Bautzens lernen wir erst auf Reisen in die Sächsische Schweiz kennen. Unbeständiges Wetter hält uns heute von Wanderungen in der Landschaft ab. Eine bessere Alternative ist ein Kulturausflug. Wir nehmen uns Zeit für Bautzen und möchten auf unserer Exkursion auch hinter schöne Kulissen schauen. Diashow der Fotoserie



Stadtrundgang

Alte Wasserkunst
Mühlbastei
Reichenturm
Über viele Jahrhunderte bestimmten angrenzende politische Großmächte die Geschicke der Stadt am Spreeübergang. Das Heilige Römische Reich, Polen, Böhmen und Sachsen beherrschten die Via Regia vom Rhein nach Schlesien. Die wechselvolle Geschichte an der Reibfläche politischer Machtsphären dürfte die kulturelle Identität der sorbischen Minderheit in der Oberlausitz verstärkt und ihren Erhalt begünstigt haben. Der Anteil Sorben (ein westslawisches Volk) beträgt zwar nur etwa 10 % der Bevölkerung in der Lausitz, aber sorbische Kultur ist in Bautzen allgegenwärtig.

Altstadt Bautzen, Spree und Friedensbrücke
Trotz starker Kriegsschäden konnte Bautzen sein mittelalterliches Stadtbild der Altstadt bewahren, aber nicht erhalten. Eine Bestandsaufnahme des Jahres 1990 stellt für die Altstadt erheblichen Sanierungsbedarf fest und ermittelt: 
"542 Wohnungen sind unbewohnt, d.h. 42 % der Wohnungen in der Altstadt stehen leer, 32 % der Hauptgebäude stehen ganz oder teilweise leer, 75 % der Hauptgebäude weisen schwere, 11 % erhebliche Schäden auf, vom Verfall bedroht sind besonders viele der rund 300 Baudenkmale in der Altstadt"  






Hauptmarkt Bautzen
Nach 20-jähriger Sanierungsarbeit feiert Bautzen zu Recht seine Altstadt-Sanierung (PDF-Dokument des Sanierungszustandes im Juli 2011). Wie Phönix aus der Asche ist die Altstadt wiederauferstanden und präsentiert sich Besuchern inzwischen als ein städtebauliches Juwel (Panoramafotos).
Die historische Bedeutung der Stadt als Handelszentrum dokumentiert die 'Reichenstraße' zwischen Hauptmarkt und Reichenturm. Als Kölner betrachtet man mit leichtem Schmerz die hervorragend restaurierte bürgerliche Architektur der Altstadt. Das Niveau der Ladenlokale auf der 'Reichenstraße' reicht jedoch nicht über das aktuelle Niveau der 'Huh Stroß' (Hohe Straße, Köln) hinaus und erregt eher Mitgefühl.




Besichtigung der 'Gedenkstätte Bautzen' ('Bautzen II')


Das Image der Stadt Bautzen verschmutzen berüchtigte Justizvollzugsanstalten. "Wer Bautzen hört, denkt an Knast", kommentiert die Stiftung 'Sächsische Gedenkstätten' auf ihrer Webseite Bautzens Ruf. Tatsächlich gelten aber erst seit 1935 die Einrichtungen der Justizvollzugsanstalt Bautzen als stoffliche Gestalt des Unrechts politisch verfolgter Menschen. 1904 wird die 'Sächsische Landesstrafanstalt' mit ca. 1.100 Haftplätzen in Bautzen in einem neu errichteten Komplex angesiedelt, der zu dieser Zeit als fortschrittlich gilt. Mit dem Nationalsozialismus werden ab 1933 auch Ideen eines humanen Strafvollzugs hinfällig. Strafvollzug hat Strafen zu vollzuziehen und bestraft werden zunehmend 'völkische Schädlinge'. Von 1945-1950 wird das Gefängnis als Speziallager für politische Gefangene genutzt. In diesem Zeitraum sind 3.000 Todesopfer belegt. Mehr als 10.000 Todesopfer werden vermutet. 1950 übernimmt die DDR das Gefängnis, in dem üblicherweise der Haftvollzug politischer Dissidenten vollstreckt wird. Harte Haftbedingungen mit menschenverachtenden militärischen Umgangsformen bestimmen den Alltag. Die Bezeichnung der Haftanstalt 'Bautzen I' als 'gelbes Elend' entsteht zu dieser Zeit.

Gedenkstätte Bautzen
Das Untersuchungsgefängnis des Amts- und Landesgerichtes Bautzen gilt bis zur NS-Diktatur als unauffällige Einrichtung. Ab 1933 werden in den Räumen auch Andersdenkende mit Foltermethoden verhört und anschließend in KZ's abgeschoben. Nach Ende des Krieges übernimmt ab 1945 der sowjetische Geheimdienst das Gefängnis und setzt Verhörmethoden der NS-Diktatur fort.








Gedenkstätte Bautzen
1951 übernimmt das Innenministerium der DDR das Gefängnis und nutzt 'Bautzen II' als Außenstelle von 'Bautzen I'. 'Bautzen II' wird ab 1956 geheime Sonderhaftanstalt der 'STASI' für Regimekritiker, Spione und Kriminelle mit Sonderstatus. Einer Initiative ehemaliger Häftlinge ist zu verdanken, dass der 'Stasi-Knast' ab 1993 zu einer Gedenkstätte umfunktioniert wird, die wir heute besichtigen. Ein 20-minütiger Film macht interessierte Besucher mit relevanten Informationen bekannt.
Zumindest heute ist das Besucherinteresse für uns auffällig und enttäuschend gering. Die wenigen Besucher, auf die wir treffen, sind überwiegend älter als wir. Wir vermissen Interesse von Generationen, die Zukunft unserer Kultur gestalten. Informationen und Atmosphäre der Umgebung sind selbstverständlich kein 'Funpark', aber Leben bedeutet nicht nur unendlichen Spaß. Bedrückende Vergangenheit muss uns in der Gegenwart nicht zwingend beschäftigen, aber sie bietet Optionen eines Lernfeldes an. Wie sich Zukunft erfolgreich gestalten lässt, ohne Erfahrung zu nutzen, betrachten wir als eine Frage, die uns persönlich nur streift, aber jüngere Generationen einholen wird.

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