


Die einwöchige Schnupperreise führt uns in eine Landschaft, die wir vor mehr als 40 Jahre schon einmal mit Freunden besucht haben. Unser Standort war damals Lorup, ein Ortsteil der Gemeinde Werlte. Zwei Teilnehmer der Gruppe, u.a. der Autor des Posts, sind mit dem Fahrrad in drei Etappen mit Zwischenübernachtungen in Duisburg und Nordhorn angereist. Vor Ort haben wir täglich als Gruppe Radtouren in der Region unternommen. Radfahren war gestern, aber da wir nach wie vor abwechslungsreiche Natur- und Kulturlandschaften ohne spektakuläre touristische Hotspots und ohne lange Anreisen bevorzugen, möchten wir herausfinden, ob wir im Emsland eine interessante Region für spontane Kurzreisen finden.
Information zur Region
Sögel
Bei diesem Aufenthalt ist unser Standort für eine Woche eine Ferienhaussiedlung in der sympathischen kleinstädtischen Gemeinde Sögel am Südrand des Geestrückens Hümmling in waldreicher Umgebung. Bedeutendstes Bauwerk des Ortes ist die barocke Schlossanlage Clemenswerth, ein ehemaliges Jagdschloss des Kölner Erzbischofs und Kurfürsten Clemens August I. von Bayern. Clemens August eiferte als schillernder Lebemann dem Sonnenkönig Ludwigs XIV. nach.
Landschaft
Geest bezeichnet von eiszeitlichen Moränen im Emsland gebildete hügelige Sandablagerungen mit relativ unfruchtbarem Boden und ausgedehnten Heidelandschaften. In Senken zwischen den Hügeln haben sich als Dosen bezeichnete Hochmoore gebildet. Die Moorlandschaft des Emslands bildete bis vor ca. 200 Jahren die größte Moorlandschaft in Europa. Da Moorlandschaften landwirtschaftlich nicht nutzbar sind, war die Region nur dünn besiedelt und galt als Armenhaus. Trotzdem ist diese Landschaft seit mehr als 5000 Jahren besiedelt. Dort lebende Menschen züchteten Schafen und Ziegen und nutzen Torf der Moore als Energiequelle. Durch großflächigen Torfabbau, Entwässerung und landwirtschaftliche Nutzung wurde diese Landschaft seit dem 19. Jahrhundert sukzessive zerstört und für Landwirtschaft nutzbar gemacht. Wenn Menschen sich in einer Landschaft ausbreiten, hat die Natur das Nachsehen. Das war bereits in prähistorischen Zeiten so, wenn auch mit weniger schwerwiegenden Folgen. Der Zerstörungsprozess wird seit jüngerer Zeit bewusst gebremst und mit Renaturierungsmaßnahmen in Landschaftsschutzgebieten teilweise rückgängig gemacht.
Hümmling
Die bekannteste Geest der Region ist der Hümmling, der sich in Nordsüdrichtung ca. 28 km und in Ostwestrichtung ca. 14 km ausdehnt. 42 % der Fläche sind seit 2015 als Naturpark Hümmling ausgewiesen (Portal Nationale Naturlandschaften: Naturpark Hümmling). Das politisch reglementierte Konzept von Naturparks ist eine eierlegende Wollmilchsau für strukturschwache Regionen, die Anforderungen des Schutzes von Natur und Kultur mit Anforderungen wirtschaftlichen Förderung durch Tourismus scheinbar als Win-win-Strategie für alle ohne Nachteile für eine der Anforderungen verknüpft. Naturschutz bleibt nicht auf der Strecke, aber genießt geringe Priorität und wird aufgeweicht. Die vorbildliche Wanderinfrastruktur der Hümmling-Pfade dokumentiert die Seite Tourentipps.
Megalithkultur
Eiszeitliche Gletscher transportierten große Gesteine in die Region. Bronze- und eisenzeitliche Kulturen errichteten aus diesen Findlingen Großsteingräber, von denen zahlreiche aufgrund geringer kultureller Dynamik im Emsland erhalten sind (Portal Emsland: Megalithkultur). Im Emsland ist eine Route mit 33 Großsteingräbern als Straße der Megalithkultur ausgeschildert.
Reisetagebuch
30.07.2025: Naturschutzgebiet Theikenmeer - Fotoserie
Das Naturschutzgebiet Theikenmeer bei Werlte umfasst den als Schlatt bezeichneten eiszeitlichen Heidesee Theikenmeer des Hochmoors Wehmer Dose. Durch das Gelände führt der Hümmling-Pfad Theikenmeer-Runde, den wir dank optimistisch stimmender Wetterlage heute gehen möchten. Am Start der Wanderrunde informiert die Natur- und Geoparkstation Theikenmeer des NABU über das Projekt. Im Internet stellt eine Seite der NABU-Stiftung das Projekt vor: Das Theikenmeer. Obwohl das Gebiet seit 1937 unter Naturschutz steht, war es durch Entwässerung, Einschwemmen von Gülle aus benachbarten Ackerflächen und Torfabbau nahezu vollständig zerstört. Mitte der 1970er Jahre waren Wasserflächen verlandet und Moorflächen mit Birken zugewachsen. Durch die Initiative von Naturschützern wurde die illegale Entwässerung gestoppt und der See durch Staumaßnahmen wiedervernässt.
An der attraktiven Wanderrunde liegen mehrere Aussichtsstationen. Wir gehen nur bis zu der ersten dieser Stationen und kehren von dort um. Inzwischen ziehen nämlich wieder Regenwolken auf. Der Regen erreicht uns am Ende des Rückwegs.
29.07.2025: Kulturausflug zum Emsland Moormuseum in Groß Hesepe - Fotoserie
Das Emsland Moormuseum liegt im Süden des bis in die Niederlande reichenden Bourtanger Moors bei Groß Hesepe, ein Ortsteil der Gemeinde Geeste und gilt als größtes Moormuseum Europas und grenzt an das zum Internationalen Naturpark Bourtanger Moor-Bargerveen gehörende Naturschutzgebiet Geestmoor. Das Bourtanger Moor war das größte Moorgebiet in West- und Mitteleuropa. Entwässerung für landwirtschaftliche Nutzung und industrielle Abtorfung haben das Moor weitgehend abgebaut. In der Gegenwart finden Bemühungen zur Renaturierung und zum Erhalt des Moors statt. Die Einrichtung des grenzüberschreitenden Internationalen Naturparks Bourtanger Moor-Bargerveen fand 2006 mit 140 km² Fläche statt. Angemerkt sei, dass Moore hocheffiziente CO₂-Speicher sind. Lobenswert ist die informative Internetseite des Museums: Moormuseum
Das Emsland Moormuseum gibt einen umfassenden Überblick zur Kultivierung des Bourtanger Moores. Multimediale Ausstellungen in zwei Hallen und ein großes Außengelände zeigen die Natur- und Kulturgeschichte des Moores von der Prähistorie über die Frühgeschichte bis zur Gegenwart. Halle 1 dokumentiert die Geschichte des Moors. Halle 2 stellt historische Technik für Arbeiten im Moor aus. Das beeindruckendste Schaustück des Museums ist der von der Firma Ottomeyer in Bad Pyrmont entwickelte Dampfpflug Mammut, weltweit größter Pflug, der von vier jeweils 500 PS leistenden Dampflokomotiven gezogen wurde und von einer Mannschaft bedient wurde. In den 1950er Jahren verhalf der Tiefpflug zur Umwandlung riesiger Hochmoor-Flächen in Ackerland. Im Kinoraum der Halle 1 zeigt ein Film historische Bilder dieser Zeit. Das renaturierte Außengelände macht die Landschaft anschaulich. Der Wechsel von Innenbereichen und Außenanlagen verschont uns von teilweise kräftigen Regenschauern.
Unser Besuch des Museums endet mit weiteren Highlights. Das Museum-Café bietet als besondere Spezialitäten Buchenweizenpfannkuchen und Bratwurst vom Bunten Bentheimer Schwein aus biologischer Haltung an. Die Schweine werden auf einem Siedlerhof im Museumsgelände gezüchtet. Buchweizen ist weltweit verbreitet und wurde im Hümmling auf abgetorften Flächen des Hochmoors angebaut. Obwohl der Name Getreide suggeriert, handelt es sich um ein zu Knöterichgewächsen zählendes Pseudogetreide. Körner werden als Graupen, Grütze, Grieß oder als Mehl verarbeitet. Auf dem Hümmling war Buchweizen im Unterschied zum übrigen Deutschland ein typisches mit süßer oder herber Beilage verwendetes Nahrungsmittel. Heutzutage sind selbst auf dem Hümmling Buchweizengerichte selten. Diese Chance nutzen wir natürlich. Als zweite Option nutzen wir eine als Currywurst angebotene Bratwurst vom Bunten Bentheimer Schwein aus biologisch zertifizierter Haltung. Die Rasse beeindruckt mit hoher Fleischqualität, aber wegen des hohen Fettanteils war das Fleisch nicht mehr nachgefragt, sodass die Rasse fast ausstarb. Inzwischen wird das Fleisch wieder in der gehobenen Gastronomie und zur Herstellung von Premium-Lebensmitteln genutzt.
28.07.2025: Einkäufe und Besuch des jüdischen Friedhofs - Fotoserie



Heute müssen wir unseren Küchenhaushalt versorgen. Wir starten zu Fuß am Ferienhaus und gehen nicht auf kurzem Weg in den Ort, sondern mit einem Schlenker zum jüdischen Friedhof in 1,2 km Entfernung. Am Friedhofstor kehren wir um, weil es verschlossen ist. Am nächsten Tag fragen wir im Tourismusbüro, ob der Besuch möglich ist und erfahren, dass lediglich das Tor klemmt. Der 2. Versuch ist am 29.07. erfolgreich.
Wie überall in Deutschland wurde auch dieser Friedhof während der NS-Zeit, aber auch nach dem 2. Weltkrieg noch zweimal geschändet und zerstört. In den 1950er Jahren wurde der Friedhof instand gesetzt. Für die Pflege der Anlage ist die Gemeinde Sögel verantwortlich, die aber kein deutliches Engagement zeigt. Der Friedhof wirkt ungepflegt. Auf dem Friedhof sind laut Wikipedia 86 Grabsteine aufgestellt. Wir haben nicht nachgezählt, aber wahrscheinlich ist diese Angabe falsch. Vielleicht handelt es sich um einen Zahlendreher. Mehr Engagement als die Gemeinde Sögel hat eine Schülergruppe des Gymnasiums Werlte entwickelt. Die von den Schülern eingerichtete Seite Jüdisches Leben in Sögel dokumentiert 68 historische Grabsteine. Der älteste Grabstein ist aus dem Jahr 1835. Aus jüngerer Zeit sind mehrere Grabsteine hinzugekommen. Laut Wikipedia stammt der jüngste Grabstein aus 1986. Wir haben mehrere jüngere Grabsteine angetroffen. Der jüngste Grabstein gedenkt der am 25.04.2012 verstorbenen Gitta Grünberg, Ehefrau des 2004 verstorbenen Sögeler Juden Lous Grünberg, der in der gleichen Grabstelle bestattet ist.
27.07.2025: Anreise und Ankunft - Fotoserie



Abgesehen von einigen kräftigen Regenschauern verläuft die Anreise verkehrstechnisch entspannt. Für die gesamte Woche unseres Aufenthalts in Sögel sind tägliche Regenschauer und eine nicht über 20 Grad reichende Tagestemperatur angekündigt. Wir haben uns wanderfreundliches Wetter vorgestellt, aber unter diesen Bedingungen werden wir eher unseren kulturellen Interessen nachgehen.
Unsere Beurteilung des gebuchten Ferienhauses Waldwiese zerfällt in mehrere Teile:
- Die Lage des Ferienhauses ist gut. Das Haus selbst und die Wohnung sind o.k., mehr aber auch nicht. Verlieben können wir uns in diese Wohnung nicht. Loben können wir die schnelle und stabile Internetverbindung.
- Der Ort Sögel wirkt auf uns sympathisch und die Umgebung des Naturparks Hümmling ist attraktiv. Das sind natürlich subjektive Wertungen.
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