Sonntag, 27. Juli 2025

Emsland-Exkursionen: Moorlandschaft (Update 4.08.2025)

Wacholderhain am Wacholder-Patt mit Schafen und Ziege Ottomeyer Dampfpflug "Mammut", Halle 2 Emsland Moormuseum, Groß Hesepe Renaturierte Wehmer Dose mit abgestorbenem Birkenwald
 
Reisen in die niedersächsische Moorlandschaft dokumentieren korrespondierende Online-Reisetagebücher. Dieser Post befasst sich mit generellen Informationen zur Natur- und Kulturlandschaft Emsland, die über den Landkreis Emsland hinaus als Region am Mittellauf der Ems im westlichen Niedersachsen und im nordwestlichen NRW liegt. Landschaftlich bestehen zwischen dem Emsland in Niedersachsen und der östlichen niederländischen Provinz Drenthe Gemeinsamkeiten der Moorlandschaft. Kulturell ist das Emsland in der Neuzeit von münsterländischen und niederländischen Einflüssen geprägt. 
 
 
Fluss Ems und das Emsland
  
Die Ems ist ein in NRW entspringender 371 km langer Fluss, von denen 206 km schiffbar sind. 27 km nördlich der Stadt Emden mündet die Ems in die Nordsee. Die Ems wird in drei Abschnitte unterteilt:
  • Die Obere Ems durchfließt 156 km zu NRW gehörendes westfälisches Gebiet und erreicht  Niedersachsen nördlich der Stadt Rheine.
  • Der Mittellauf der Ems (Mittlere Ems) liegt zwischen den Städten Lingen und Papenburg und umfasst die niedersächsischen Landkreise Emsland und Grafschaft Bentheim. Nach Westen grenzen die Landkreise an die niederländische Provinz Drenthe.
  • Die Untere Ems erstreckt sich von Papenburg bis zur Nordsee und ist von Gezeiten der Nordsee beeinflusst. Nach Westen verläuft durch die Ems und die Mündungsbucht Dollart die Grenze zur niederländischen Provinz Groningen. Der genau Verlauf der Grenze ist zwischen Deutschland und der Niederlande strittig (Deutsch-Niederländische Grenzfrage).

Landschaft des Emsland

Die gesamte Fläche des Emslands von 2.882 km² ist seit 2018 als einer von 19 Geoparks in Deutschland als Nationaler Geopark Emsland zertifiziert. Die Bezeichnung als Geopark gilt als Gütesiegel für Landschaften, in denen erdgeschichtliche Phänomene in besonders eindrucksvoller Weise charakteristisch oder außergewöhnlich anzutreffen sind. Geoparks vermitteln nicht nur mit spezieller Infrastruktur geowissenschaftliche Kenntnisse, sondern dienen auch der wirtschaftlichen Entwicklung strukturschwacher Regionen, insbesondere durch Förderung von Tourismus. - Portal Geopark Emsland
 
Die Landschaft des Emslands prägen Moore und Geestrücken. Geest bezeichnet von eiszeitlichen Moränen im Emsland gebildete hügelige Sandablagerungen mit relativ unfruchtbarem Boden und ausgedehnten Heidelandschaften. In Senken zwischen den Hügeln haben sich als Dosen bezeichnete Hochmoore gebildet. Die Moorlandschaft des Emslands war bis vor ca. 200 Jahren die größte Moorfläche Europas. Da Moore nicht landwirtschaftlich nutzbar sind, war die Region nur dünn besiedelt und galt lange als Armenhaus. Not und das Elend der ersten Siedler, die Hochmoore nutzten und urbar machten, umschreibt der Spruch „Dem ersten sein Tod, dem zweiten seine Not, dem dritten sein Brot“.
 
Über Jahrtausende galten Moore als für menschliche Kultur nicht nutzbare, lebensfeindliche Badlands. Seit mehr als 5000 Jahren ist diese Landschaft auf Geestrücken besiedelt. Dort lebende Menschen züchteten Schafe und Ziegen und nutzen Torf der Moore als Energiequelle. Mit zunehmendem Wachstum der Bevölkerung wurden Moore für Landwirtschaft nutzbar gemacht und werden seit dem 17. Jahrhundert durch Entwässerung und großflächigen Torfabbau systematisch beseitigt. Seit dem 19. Jahrhundert ermöglichen industrielle Methoden Intensivierung der Umgestaltung. Abtorfung geht mit Zerstörung von Natur und humanen Lebensgrundlagen einher. Das war bereits in prähistorischen Zeiten so, wenn auch mit weniger schwerwiegenden Folgen. Inzwischen werden sich Menschen dieses Sachverhalts zunehmend bewusst und beginnen, Zerstörungsprozesse zu bremsen und Zerstörung der Landschaft mit Renaturierungsmaßnahmen in Landschaftsschutzgebieten rückgängig zu machen. Die Wiederherstellung von Mooren trifft auf widersprüchliche Interessen und gelingt nicht konfliktfrei. 
 
Einen umfassenden Überblick zur Moorlandschaft des Emsland bietet das Emsland Moormuseum bei Groß Hesepe. Unseren Besuch des Museums beschreibt der Post 27.08.-02.09.2025: Reisetagebuch Naturpark Hümmling im Emsland mit einem Eintrag zum 29.07.2025.
 
 
Moore und Torfabbau in Niedersachsen vs. Anforderungen des Klimaschutzes
 
Moorlandschaft im Außengelände Emsland Moormuseum in Groß Hesepe Kuhdamm-Moor bei der Gedenkstätte Esterwegen Blick zum Theikenmeer
 
Hochmoore speisen sich aus Regenwasser, Niedermoore aus Grundwasser. 73 % aller deutschen Hochmoore und 18 % aller Niedermoore liegen in Niedersachsen und haben einen Anteil von 8 % an der Landfläche Niedersachsens. Neben ihrer Bedeutung als ökologische Nischen für Biodiversität sind Moore die effektivsten CO2-Speicher aller Landökosysteme. Moore sind natürliche Verbündete des Klimaschutzes. Obwohl Moore nur 3 % der globalen Landfläche ausmachen, speichern naturbelassene Moore doppelt soviel CO2 wie die zehnfach größere Fläche aller Wälder. Sobald Torf der Moore in Kontakt mit Sauerstoff gelangt, entweicht CO2. In Deutschland entweichen aus entwässerten Mooren jährlich ca. 53 Millionen Tonnen Klimagase bzw. ca. 7,5 Prozent der gesamten deutschen CO2-Emissionen. Um in Deutschland das 1,5 Grad-Ziel bis 2050 zu erreichen, müssten zusätzlich zu anderen Maßnahmen jährlich 50.000 ha Moore wiedervernässt werden. In Niedersachsen liegen mehr als 90 % aller deutschen Moore. Dort werden jährlich ca. 11.000 ha renaturiert. (Bund für Umweltschutz und Naturschutz Deutschland: Moore: Lebensinseln und Klimaschützer - NDR: Verlust von Moorflächen wohl stärker als erwartet)
 
95 % des Torfabbaus in Deutschland findet in Niedersachsen statt. Andere Quellen berichten abweichende, aber ähnliche Zahlen. Wie auch immer, Moore sind in Niedersachsen ein hochpolitisches Thema. Seit 2023 nehmen Torfabbaugenehmigungen in Niedersachsen drastisch ab. Bis 2035 sollen 80 % aller Abbaugenehmigungen und ab 2047 alle Abbaugenehmigungen bis auf zwei Ausnahmen ausgelaufen sein. (Umweltforum Osnabrücker Land: Zum Stand des Torfabbaus in Niedersachsen zum 20.09.2023) Ca. die Hälfte der abgetorften Flächen wird landwirtschaftlich genutzt und ist für den Klimaschutz verloren. Der Anteil regenerierter Moorflächen liegt bei 20 % bis 30 %. Gesetzliche Vorgaben schreiben für die 12 % der für industrielle Torfgewinnung genutzten niedersächsischen Hochmoorflächen eine Wiedervernässung vor. (NABU: Die besondere Bedeutung des Moorschutzes in Niedersachsen


Hümmling 
 
Rekonstruierter historischer Schafstall des 19. Jahrhunderts am Wacholderpatt Wacholderhain am Wacholder-Patt Wacholderhain am Wacholder-Patt mit Schafen und Ziege
 
Die bekannteste Geest des Emslands ist der Hümmling, der sich 28 km in Nordsüdrichtung und 14 km in Ostwestrichtung ausdehnt. 42 % der Fläche sind seit 2015 als Naturpark Hümmling ausgewiesen. - Naturpark HümmlingCharakter Naturpark Hümmling, Der Naturpark im Überblick 
 
Das politisch reglementierte Konzept von Naturparks ist ähnlich wie Geoparks eine eierlegende Wollmilchsau für strukturschwache Regionen, die Anforderungen des Schutzes von Natur und Kultur mit Anforderungen wirtschaftlichen Förderung durch Tourismus scheinbar als Win-win-Strategie für alle Beteiligte verknüpft, ohne Nachteile für eine der Anforderungen in Kauf nehmen zu müssen. In der Realität wird Natur geringere Priorität eingeräumt. Anforderungen von Tourismus und Natur harmonieren nicht. Immerhin bleiben Anforderungen des Naturschutzes nicht auf der Strecke, aber sie werden aufgeweicht. Umgekehrt genießt Tourismus eine vorbildliche Wanderinfrastruktur der Hümmling-Pfade, die die Seite Tourentipps dokumentiert.
 

Megalithkultur 
 
Großsteingrab Steenhus aus der Trichterbecherkultur der Jungsteinzeit, Sprockhoff-Nr. 819 Großsteingrab Steenhus aus der Trichterbecherkultur der Jungsteinzeit, Sprockhoff-Nr. 819 Tafel am Großsteingrab Steenhus aus der Trichterbecherkultur der Jungsteinzeit, Sprockhoff-Nr. 819 Großsteingrab Steenhus aus der Trichterbecherkultur der Jungsteinzeit, Sprockhoff-Nr. 819 Findling 'Opferstein' (ca. 22 Tonnen) aus Südschweden (Saale-Kaltzeit 300.000 - 126.000 Jahre) Reste des Großsteingrabs Börger III, Sprockhoff-Nr. 820, auf dem 'Voagelbarg'
 
Eiszeitliche Gletscher transportierten große Gesteine in die Region. Bronze- und eisenzeitliche Kulturen errichteten aus diesen Findlingen Großsteingräber, von denen zahlreiche aufgrund geringer kultureller Dynamik im Emsland erhalten sind (Portal Emsland: Megalithkultur - Großsteingräber im Emsland). Großsteingräber wurden im Zeitraum 3.500 - 3.000 v.Chr. von der bäuerlichen Trichterbecherkultur errichtet. Es handelt sich um keine Fürstengräber, sondern um oft über mehrere Jahrhunderte genutzte Bestattungsorte der lokal ansässigen Bevölkerung. Volkstümliche Legenden berichten von Riesen als Erbauer der Grabanlagen und sprechen von Hünengräbern oder Hünenbetten. Die meisten Großsteingräber existieren bereits lange nicht mehr. Ihre Steine wurden zerteilt und als Baumaterial genutzt. Im Emsland sind noch 70 Großsteingräber mehr oder weniger vollständig erhalten, aber schon lange ausgeraubt. Eine als Straße der Megalithkultur ausgeschilderte touristische Route führt im Emsland über 330 km entlang 33 Großsteingräbern. Das Großsteingrab 1 bei Vrees sowie die Großsteingräber Spahn 1 und Spahn 2 gelten als die am besten erhaltenen Großsteingräber im Emsland. 
 
Die in Wikipedia dokumentierte Aufstellung Liste der norddeutschen Megalithanlagen nach Sprockhoff-Nummern hat der nationalsozialistisch infizierte deutsche Prähistoriker Ernst Sprockhoff (1892–1967) in den 1920er und 30er Jahren erfasst. 1947 wurde Sprockhoff zum ordentlichen Professor für Vor- und Frühgeschichte an der Universität Kiel ernannt und 1958 dort emeritiert. 1955 wurde Sprockhoff zum korrespondierenden Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin gewählt. Über Unrechtsbewusstsein und Irrtümer wird nicht berichtet. Der Wikipedia-Eintrag zur Liste norddeutscher Megalithanlagen verweist auf weitere informative Web-Seiten. Besonders umfangreich und informativ ist die weltweit Daten zusammentragende englisch sprachliche Seite The Megalithic Portal. Für Interessierte lohnt sich ein Besuch des Hünengrabmuseums (Hunebedcentrum) in Borger, NL. Auf dem Gelände des Museums liegt die größte Megalithanlage der Niederlande, das Großsteingrab D-27 (Wikipedia: Großsteingrab Borger). Im Umkreis von 2,6 km von Borger befinden sich 10 weitere Großsteingräber.

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