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Blick vom Schloss Sonnenstein auf die Altstadt von Pirna |
Nach einer Wanderung auf den Lilienstein (1) unternehmen wir einen Kulturausflug nach
Pirna. Die Stadt ist uns von mehreren Besuchen vertraut, überrascht aber immer wieder neu. Über der
Altstadt befindet sich auf einem Felsplateau eine mächtige
Festungsanlage mit einer langen und entsprechend wechselvollen
Geschichte. Als Grenzburg sicherte die Festung ehemals die Elbfurt eines
Handelsweges. In der Anlage von
Schloss Sonnenstein entdecken wir die
Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein, deren Ausstellung an ein finsteres Kapitel jüngerer deutscher Geschichte erinnert. Mit einem Rundgang durch die Altstadt von
Pirna endet unser Ausflug.
Fotoserie der Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein
Fotoserie Pirna
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Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein |
Anlagen von
Schloss Sonnenstein werden seit dem 18. Jahrhundert für Heil- und Pflegeanstalten sowie psychiatrische Einrichtungen zivil genutzt. Während der
NS-Zeit war in dem Komplex eine von insgesamt sechs
Tötungsanstalten der
NS-Euthanasie-Aktion T4
untergebracht. Mehr als 70.000 Menschen mit geistigen und körperlichen
Behinderungen wurden von 1940 bis 1941 systematisch in den
Tötungsanstalten
durch Vergasung ermordert und anschließend verbrannt. Fast 15.000 Morde sind in Pirna dokumentiert. Dass die Bevölkerung ahnungslos war, ist unwahrscheinlich. Graue Busse fuhren täglich durch die Stadt und brachten Opfer zur Tötungsanstalt.(2) Schwarzer Rauch der Krematoriumöfen und merkwürdige Gerüche waren kaum zu ingorieren. Eine Aufarbeitung dieses traumatischen Kapitels deutscher Geschichte versandete bald nach dem
2. Weltkrieg. Ärzte der
Tötungsanstalten
praktizierten weiter. Erst als viele Täter nicht mehr
lebten, begann ab ca. 1980 eine systematische Aufarbeitung. Bis 1999
wurden 438 Strafverfahren
eingeleitet, von denen nur 6,8% mit rechtskräftigen Urteilen endeten,
darunter zahlreiche
Freisprüche.(3)
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Spur der Erinnerung |
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Spur der Erinnerung zur Gedenkstätte Pirna-sonenstein |
Nach 1945 dienten Anlagen von
Schloss Sonnenstein
unterschiedlichen Zwecken. Öffentliche Wahrnehmung und gewollte
politische Aufarbeitung der Tötgungsanstalt fanden in der ehemaligen
DDR nicht statt und setzten erst mit der
politischen Wende ein. Im Juni 2000 wurde die
Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein eingeweiht.(4) Ein aus 16 Tafeln bestehendes Wegweisersystem führt vom Pirnaer Bahnhof
über das Stadtzentrum zur
Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein. Farbige Kreuze, von denen jedes an ein Opfer erinert, bilden aus
Pirna eine Spur der Erinnerung zur
Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein
und enden in einem Kellerraum der Gedenkstätte an transparenten
Geweben, auf denen Namen mit Geburtsjahren der Opfer gedruckt sind.
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Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein |
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Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein |
Im Außenbereich der
Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein
ist der Hang des Schlossberges als Gräberfeld gestaltet. Asche
vergaster und verbrannter Opfer wurde auf den Hang gekippt. Zuvor wurden
teilweise Organe für medizinische Untersuchungen entnommen und übrig
gebliebene Knochen zermahlen.
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Dokumentationsraum der Gedenkstätte Pirna-Sonnensten
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Der Innenbereich der
Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein verteilt sich auf 2 Ebenen. Eine Ausstellung dokumentiert auf der 3. Etage die Geschichte der
Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein.
Methoden, Täter und Handlanger sind beschrieben. Die Rolle der
Bevölkerung und eine fragwürdige Aufarbeitung nach 1945 bleiben nicht
ausgespart.
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Dokumentierte Opferschicksale im Warteraum |
Der Keller der
Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein
konfrontiert Besucher mit den Räumen der Tötung. Im ehemaligen
Warteraum der Vergasung ist stellvertretend für alle Ermordeten das
Schicksal von 22 Opfern dokumentiert.
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Kaminraum des Krematoriums |
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Krematorium-Raum |
Spuren der ehemaligen Tötungseinrichtungen wurden bereits in der
NS-Zeit verwischt. Methoden der Archäologie ermöglichen die Aufarbeitung. Rekonstruktionen und Modelle machen in den ehemaligen Original-Räumen der
Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein
deutlich, wo sich Gaskammer, Leichenraum, Krematorium, Brennöfen und
Kamin befanden, wie die Anlage ausgestattet war, wie die Tötungsprozesse
abliefen. Obwohl ein Besuch kostenlos ist, können wir nur geringes öffentliches Interesse erkennen. Nur 4 weitere Besucher begegnen uns während unseres Rundgangs. Der Biergarten auf dem Schloßberg ist deutlich besser besucht und in der Altstadt sind zahlreiche Touristen unterwegs.
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Rathaus auf dem Marktplatz Pirna |
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Marktplatz Pirna |
Jeder Rundgang durch die Altstadt von
Pirna führt über den zentralen Marktplatz. Den Platz dominiert das im Stil der
Renaissance gebaute Rathaus. Die den Platz umgebenden Gebäude sind nicht weniger sehenswert.
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Tetzelhaus in der Schmiedegasse |
In einer Seitenstraße der Altstadt treffen wir in der Schmiedegasse auf eines der ältesten Häuser der Stadt. Das um 1381 errichtete Gebäude ist als
Tetzelhaus bekannt, weil vermutlich in diesem Haus um 1460 der Dominikanermönch
Johann Tetzel geboren wurde. Der dubiose Ablassprediger wurde zum Gegenspieler
Martin Luthers, der den
Ablasshandel anprangerte.
Johann Tetzels Ablasshandel gilt als Anlass für
Luthers Thesenanschlag und damit als ein Auslöser der Reformation.
Anmerkungen
- (1) Post vom 16. Mai 2015
- (2) Das 2005 von Horst Hoheisel und Andreas Knitz entworfene Denkmal der grauen Busse erinnert an die Opfer der Krankenmorde der nationalsozialistischen „Aktion T4“
(so genannte „Euthanasie“). Einer von zwei begehbaren Betonbussen in
Originalgröße ist an der ehemaligen Heilanstalt Ravensburg-Weißenau aufgestellt. Der zweite Bus wechselt seine Standorte. Vom 1. September 2011 bis zum 18./19. April stand der Betonbus in Köln am Rheinufer vor dem Hauptgebäude des Landschaftsverbandes Rheinland (als Rechtsnachfolger des Provinzialverbandes der Rheinprovinz). Inzwischen steht am Standort vor dem Landeshaus des LVR in Köln-Deutz ein
Nachguss des mobilen Denkmals als Symbol der
dauerhaften Auseinandersetzung des LVR mit seiner Psychiatrie-Geschichte.
- (3) Jürgen Schreiber: Schuld ohne Sühne. Die juristische Aufarbeitung der nationalsozialistischen „Euthanasie“ in der Bundesrepublik Deutschland. In: Aktion Sühnezeichen (Hrsg.) Zeitschrift zeichen 01/2010, S. 17 / Dirk W. de Mildt (Hrsg.): Tatkomplex NS-Euthanasie. Die ost- und westdeutschen Strafurteile seit 1945, Amsterdam 2001, ISBN 978-90-8964-072-7.
- (4) Der Besuch der Gedenkstätte ist kostenlos.
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