Donnerstag, 18. April 2019

Hansestadt Havelberg, Kloster Jerichow, Seeadler und Störche im westlichen Havelland (Update 27.04.2019)

Wirtschaftsgebäude und Türme der Stiftskirche Kloster Jerichow Birdwatcher im Vogelschutzgebiet Naturpark Westhavelland am Gülper SeeAltstadt Havelberg mit Kirche St. Laurentius

Vom Standort Tangermünde in der Altmark(1) unternehmen wir bei sommerlichem Wetter einen Ausflug östlich der Elbe in das westliche Havelland, um die Stadt Havelberg und das Kloster Jerichow zu besichtigen. Bei eine Wanderung auf einem Naturlehrpfad entlang des Vogelschutzgebietes am Gülper See beobachten wir eine 'Flugshow' von 3 Seeadlern.(2) Unsere Weiterreise führt durch die historische Landschaft Prignitz, die als storchenreichste Region Deutschlands gilt. Tatsächlich entdecken wir neben zahlreichen leeren Nestern auch brütende Störche. - Fotoserien:  Havelberg - Jerichow - Gülper See und Prignitz


Frühgeschichte der Region
Otto I.  (912 - 973) dehnte seinen Machtbereich in alle Richtungen aus. Er eroberte u.a. Gebiete östlich der Elbe, gründete vermutlich 948 das Bistum Havelberg und ließ auf einem von eiszeitlichen Gletschern geformten Hügel eine Burg errichten, von der Westslawen christlich missioniert werden sollten. Slawische Stämme wollten weder missioniert noch fremdbestimmt werden. Sie eroberten Gebiete östlich der Elbe zurück und konnten über mehr als 150 Jahre ihre Autonomie bewahren. Der Wendenkreuzzug von 1147 setzte sächsische Machtansprüche gewaltsam durch und zwang Slawen zur Annahme des Christentums.


Dom St. Marien und Havelberg
Chor des Doms St. Marien in Havelberg Kreuzgang des Doms St. Marien in HavelbergDom St. Marien in Havelberg

Als Folge des Wendenkreuzzugs wurde der provisorisch am Kloster Jerichow angesiedelte Bischofssitz nach Havelberg verlegt. 1150 begann auf dem ehemaligen Burgberg der Bau einer Bischofskirche im romanischen Stil. Der Dom St. Marien, an dem ein Prämonstratenser-Chorherrenstift angesiedelt war, wurde 1170 geweiht. Kloster und Nebengebäude des Dombezirks schützte eine Befestigungsanlage.

Haupschiff des Doms St. Marien in HavelbergDom St. Marien in Havelberg Die dreischiffige Basilika beeindruckt mit einem wuchtigen Westbau, der als Wehranlage (Wehrkirche) gedeutet wird. Denkmal- und Burgenforscher Reinhard Schmitt widerlegte diese Annahme.(3,4) Nach einem Großbrand im 13. Jahrhundert erfolgte ein Umbau des Doms im gotischen Stil und eine Aufstockung des Natursteinen gemauerte Bereichs mit Backsteinen, bei der ein Kreuzrippengewölbe eingezogen wurde.
Die mit Backsteinen errichteten Klostergebäude am Dom zählen neben Kloster Jerichow zu den ältesten romanischen Backsteinbauten in Deutschland. Wie üblich, wurde der Dom über 850 Jahre immer wieder entsprechend Zeitgeschmack und Ideen maßgeblicher Persönlichkeiten verändert sowie mehrfach restauriert.(5)
Mit dem Bischofssitz auf dem Domberg entwickelte sich auf der Insel einer Havelschleife die Stadt Havelberg, in der Bischöfe keine Rechte besaßen. Hauptkirche der Inselstadt mit ca. 375 m Durchmesser ist die im frühen 15. Jahrhundert auf Fundamenten eines Vorgängerbaus errichtet Kirche St. Laurentius im Stil märkischer Backsteingotik. Havelberg war Mitglied der Hanse und pflegte Handelsbeziehungen bis nach Flandern.


Kloster Jerichow

Kreuzganghof Kloster Jerichow im HavellandKloster Jerichow im Havelland Die Stadt Jerichow entstand mit Gründung des Klosters Jerichow durch Prämonstratenser-Chorherren um 1144.(6) 1149 wurde mit dem Bau der Stiftskirche und den Nebengebäuden begonnen. Bauarbeiten zogen sich über 100 Jahre hin. Die märkische Backsteinarchitektur der Stiftskirche im Stil der Spätromanik gehört zu den ältesten Backsteinbauten Deutschlands und ist in nahezu ursprünglicher Gestalt erhalten.(7) Klausurgebäude unterlagen in der Geschichte der Klosteranlage vielfachen Änderungen.
2004 wurde die Klosteranlage mit dem Auftrag der Wiederherstellung und des Erhalts der Anlage an die zu diesem Zweck gegründete Stiftung Kloster Jerichow übertragen. Für Besucher ist die Klosteranlage als Museum kostenpflichtig zugänglich. Der Normalpreis beträgt 6 € pP. Fotos sind gegen eine Gebühr von 2,50 € gestattet. Besucher treffen an vielen Stellen der Anlage auf laufende Arbeiten. Lohnenswert ist ein Besuch trotzdem für Interessierte, die Zeitreisen in autentische Umgebungen untergegangener Kulturen zu würdigen wissen.


Naturlehrpfad am Gülper See
Der Naturpark Westhavelland ist einer der dunkelsten Orte Deutschlands und damit in Deutschland einer der besten Plätze für die Beobachtung von Sternen. Dieser Sachverhalt brachte einige Astronomen auf die Idee, im Naturpark ein Lichtschutzgebiet bzw. ein Sternenlicht-Reservat zu etablieren. 2014 verlieh die International Dark Sky Association (IDA) dem Naturpark als erstem Ort in Deutschland den Titel „Sternenpark“. Mittlerweile sind in Deutschland 4 Sternenlicht-Reservate IDA-zertifiziert(8), darunter seit dem 5. April 2019 der Sternenpark Nationalpark Eifel. Zum Erfolg führte das Zertifizierungsprojekt über 5 Jahre unser Freund Harald mit unermüdlichem Einsatz als Projektleiter. Harald Expertise als Astronom, Beleuchtungs- und Lichtschutzexperte findet ohne Übertreibung internationale Beachtung. Dank seine Kompetenz als Dozent betreibt Harald im Nationalpark Eifel die Astronomie-Werkstatt Sterne ohne Grenzen mit regelmäßigen öffentlichen Veranstaltungen. Chapeau!

Vogelschutzgebiet Naturpark Westhavelland am Gülper See Seeadler über dem  Gülper See im Naturpark WesthavellandBockwindmühle aus dem Jahr 1784 bei Prietzen am Gülper See

Nachtaktivitäten im Sternenpark Westhavelland sind sicher sehr spannend, wir sind jedoch stärker am terristischen Natur- und Kulturraum interessiert und unternehmen im Naturpark Westhavelland eine kurze Wanderung auf einem Naturlehrpfad am Rand eines Vogelschutzgebietes am Gülper See.(2) Die Kernzone des Schutzgebietes ist für Besucher gesperrt. Der Naturlehrpfad beginnt an einer historischen Bockwindmühle bei Prietzen am Gülper See. Am Pfad befinden sich mehrere Beobachtungsstationen mit Infotafeln, die über regelmäßig hier anzutreffende Vogelarten informieren. Vogelpopulationen konzentrieren sich auf mehrere hundert Meter entfernte Flachwassergebiete. Ohne ausreichend starkes Fernglas ist nicht viel zu erkennen. Wir haben unser Fernglas vorsorglich dabei und erkennen trotzdem nur relativ gewöhnliche Vogelarten, die wir im Kölner Grüngürtel unkomplizierter beobachten könnten. Doch dann bemerken wir Bewegung über uns. 3 deutlich auszumachende Seeadler kreisen im Luftraum über uns und zeigen über mehrere Minuten eine spektakuläre Show ihrer Flugkünste.

Störche im Landkreis Prignitz Unser Beobachtungsglück setzt sich bei der Weiterreise am nächsten Tag fort. Im Landkreis Prignitz beobachten wir Störche bei der Brutpflege an ihrem Nest.









Anmerkungen
  1. Post: Kaiser- und Hansestadt Tangermünde in der Altmark
  2. Infos zum Naturraum Westhavelland:
    - Naturpark Westhavelland
    - Naturlehrpfad am Gülper See
    - NABU: Gülper See - Vogeleldorado im Westhavelland
  3. Reinhard Schmitt: Zum Westbau des Havelberger Domes – Bergfried, Wehrturm oder Kirchturm? In: Burgen und Schlösser in Sachsen-Anhalt, Heft 6, Halle/Saale 1997, S. 6 ff.
  4. Kunsthistorisch wird der Westbau des Havelberger Doms als Sächsischer Westriegel eingeordnet, eine Sonderform der Westwerks. Westriegel und Wertwerke bilden eigenständige Baukörper, die dem Langhaus vorgelagert sind. Der Westriegel zeichnet sich durch Fenster- und Türlosigkeit aus, die vermutlich ein Bollwerk gegen das Böse symbolisieren.

    Wikipedia Sächsischer Westriegel:
    • "Der Bautypus betont das Abweisende und Geschlossene der Kirchenfront und bildet somit einen Gegensatz zu Kirchenfassaden mit großen Portalen und Fenstern, wie sie in Frankreich verbreitet sind. Der Eingang zu solchen romanischen Kirchen lag seinerzeit nicht im Westbau, sondern meistens an der Nordseite in einem Vorbau, dem so genannten „Paradies“. Sie sind keine Wegekirchen, bei denen ein Weg vom Portal im Westen zum Altar im Osten angelegt ist."
    Wikipedia Westwerk:
    • "Die Westwerkkirche unterscheidet zwei Bedeutungsräume: die eigentliche, den Heiligen vorbehaltene Kirche im Osten, die ecclesia triumphans, und das bollwerkartige Westwerk, Symbol der ecclesia militans, der Ort des Herrschers als Beschützer der Kirche. So wird auch die große Zahl von Westwerken in den Siedlungsgebieten der durch Karl den Großen eroberten Sachsen erklärlich. Nur in seltenen Fällen hatte das Westwerk eine echte militärische Funktion („Wehrkirche“). Seine symbolische Bedeutung war die eines castellum im Sinne einer Festung in der Abwehr von Teufel und Dämonen. Während die Ostseite (Sonnenaufgang) als Christusrichtung galt und in der die Apsis den Altar beherbergte (Ostung), waren dem Westen (Sonnenuntergang) die Mächte des Bösen und der Tod zugeordnet, denen zur Kirche, dem „Neuen Jerusalem“, kein Zutritt gewährt werden sollte. Fast immer steht im Westwerk der Altar des Erzengels Michael, des Anführers der Engel im Kampf gegen die vom Westen andrängenden Dämonen."
  5. Webseite mit Informationen zum Havelberger Dom
  6. Der Ortsname ist nocht vom biblischen 'Jericho' abgeleitet, sondern slawischen Ursprungs und bedeutet „Burg des Tapferen“.
  7. Webseite mit Informationen zum Kloster Jerichow.
  8. Wikipedia: Lichtschutzgebiete in Deutschland 

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