Vom Urlaubsort Benediktbeuern fahren wir nicht auf direktem Weg nach Hause, sondern unternehmen nach zweijähriger Unterbrechung in diesem Jahr wieder eine Reise zum südlichen Hochschwarzwald und wählen zum dritten Mal das Gasthaus zum Kreuz bei St. Märgen als Quartier. Die Anreise zum Ziel nutzen wir für eine kurze Besichtigung der Stadt Landsberg am Lech.
21.07.2024: Anreise mit Zwischenstopp in Landsberg am Lech - Fotoserie
Der Name Landsberg am Lech verweist auf die Lage am Fluss Lech, ein Nebenfluss der Donau. Im Mittelalter wurde die Stadt durch Salzhandel und Flusszölle wohlhabend, was die Architektur der Altstadt sichtbar macht. Allerdings verbinden wir mit der Stadt unrühmliche Geschichte der NS-Zeit und haben darum mit Landsberg immer gefremdelt. In Landsberg war Hitler nach einem misslungenen Putschversuch inhaftiert und schrieb 1923 in der Haft sein Buch Mein Kampf, das bis 1944 eine Auflage von 10,9 Millionen Exemplaren erreichte, was u.a. belegt, dass das deutsche Volk über Ziele von NS-Politik nicht unwissend war (Wikipedia: Mein Kampf). In der NS-Zeit galt Landsberg neben München und Nürnberg als zentrale NS-Stätte. Im Wikipedia-Artikel Landsberg am Lech zur Zeit des Nationalsozialismus ist nachzulesen:
- Landsberg war ein "Wallfahrtsort der deutschen Jugend" (Wikipedia: Landsberg am Lech zur Zeit des Nationalsozialismus).
- In Landsberg bestand der größte KZ-Lagerkomplex Deutschlands.
- Landsberg vermarktete sich ab 1933 aktiv als "Hitlerstadt".
- In der Justizvollzugsanstald Landsberg waren in der NS-Zeit zahlreiche ausländische politische Gefangene nicht nur inhaftiert. 210 politische Gefangene starben durch Misshandlungen und Hinrichtungen.
- Nach dem Zweiten Weltkrieg waren in Landsberg deutsche Kriegsverbrecher inhaftiert. Insgesamt 288 Todesurteile wurden an deutschen Kriegsverbrechern in Landsberg vollstreckt.
Im Zweiten Weltkrieg blieb Landsberg von Zerstörungen weitgehend verschont, weshalb die historische Innenstadt erhalten ist. Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchten Lokalpolitiker den zweifelhaften Ruhm der Stadt als unschuldig oder nur zufällig erworben darzustellen. Bei einem einstündigen Aufenthalt besichtigen wir Teile der bemerkenswerten historischen Stadt, ohne die jüngere Geschichte der NS-Zeit zu vergessen oder zu ignorieren. Die Altstadt von Landsberg wäre ein historisches Juwel, wenn nicht die jüngere Geschichte im Weg stände.
21.-25.07.2024: Gasthaus zum Kreuz am "Hohlen Graben" - Fotoserie
"Hohler Graben"
Der äußerlich eher unscheinbar auftrende Gasthaus zum Kreuz liegt oberhalb von St. Märgen auf 1033 m Höhe
relativ isoliert nahe dem Thurnerpass am Übergang zwischen Rheintal und Bodensee (Kulturwege St. Märgen: Thurner). Wegen seiner strategischen Bedeutung befand sich am Thurnerpass die "Hohler Graben" genannte wichtigste Festung des militärischen Festungsbaus des 17. und 18. Jahrhunderts im Schwarzwald (Wikipedia: Barocke Verteidigunsanlagen im Schwarzwald). Diese Verteidigungsanlagen wurden vor allem während des Pfälzischen Erbfolgekriegs und des Spanischen Erbfolgekriegs in Konflikten zwischen dem
Haus Habsburg und dem Königreich Frankreich errichtet. Nach Vorkommnissen von 1689 (u. a. Zerstörung des
Heidelberger Schlosses) erhielt Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden
(1655–1707), aufgrund seiner Verdienste und Auszeichnungen im Großen
Türkenkrieg auch „Türkenlouis“ genannt, den kaiserlichen Oberbefehl zur
Verteidigung Deutschlands gegen vorrückende Franzosen. Chroniken berichten von mehr als 4.000 stationierten Soldaten. Schwere Gefechte fanden hier jedoch nicht statt.
1683 ließ der Abt des Klosters St. Peter ein Gasthaus auf dem "Hohlen Graben" errichten, das nach der Familie Creutz benannt war und nach Besitzerwechsel als Gasthaus zum Kreuz umfirmierte (Kulturwege St. Märgen: Gasthaus Kreuz im Hohlen Graben). Während von der ehemaligen Festung am "Hohlen Graben" nur noch Erdwälle erhalten sind, lebt das Gasthaus zum Kreuz noch. Erhalten sind auch ein 1737 neben dem Gasthaus gesetzter Grenzstein und weitere Grenzsteine an der Wanderroute nach St. Märgen. Paulus Creutz, Wirt des Gasthauses in dritter Generation, goss aus Bronze Uhrenglocken für
Schwarzwälder Uhrenmanufakturen in einer Qualität, die ihm ein Monopol
sicherte (Gasthaus zum Kreuz: Unsere Chronik).
Der "Hohle Graben" ist kein von Touristen überlaufener Ort. Die Etappe 9 des klassischen und überaus attraktiven Fernwanderwegs Westweg Schwarzwald führt zwar über den "Hohlen Graben" (Etappenübersicht), aber der Westweg ist anspruchsvoll und wird daher nur wenig begangen. Um in dieser Lage bestehen zu können, müssen Gasthäuser um ihre
Existenz kämpfen und Gäste mit Qualität überzeugen.
Gasthaus zum Kreuz
Das von der Familie Schwer seit 1936 in dritter Generation mit großem Engagement geführte Gasthaus zum Kreuz ist ein
fast perfekter Ausgangspunkt für sportliche
und kulturelle Aktivitäten in der Region. Die obligatorische KONUS-Gästekarte ermöglicht freie Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln im gesamten Raum
des Schwarzwalds, nach Westen bis zur
französischen Grenze. Die Infrastruktur des Streckennetzes ist gut
erschlossen. In der Feriensaison können zusätzlich eingesetzte
Wanderbusse kostenlos genutzt werden, um attraktive entlegenere Regionen zu
erreichen.
Das Gasthaus bietet mehr als nur Unterkunft und Küche. Es überzeugt Gäste sowohl mit der Qualität seines mit seit 2015 vom Guide Michelin mit dem Bip Gourmand ausgezeichneten Restaurant als auch mit seinen Unterkünften und seinen Services bei moderater Preisgestaltung sowie einem Wellnessbereich, den wir jedoch nie nutzen und daher nicht bewerten können. Das Hausgästen im Rahmen der Halbpension vorbehaltene Dinner-Menü umfasst 4 Gänge mit 3 Hauptgerichten zur Auswahl inkl. 'Nachschlag' plus Gruß aus der Küche und wird aktuell (2024) zum Freundschaftspreis von 67 € für 2 Personen berechnet. Jeder der Gänge überzeugt mit Qualität. Der 'Nachschlag' zum Hauptgericht würde uns überfordern und bleibt daher unberührt. Die saisonal ausgerichtete Speisekarte sieht selbstverständlich auch Speisen á la carte vor. Die Weinkarte des Restaurants überrascht mit ihrer breiten Auswahl an Qualitätsweinen von Spitzenwinzern und zurückhaltenden Preisen.
Auch in 1033 m Höhe bleibt die Zeit nicht stehen. Seit unserem letzten Besuch im Jahr 2021 zur Corona-Zeit hat sich viel getan und soweit wir das überblicken können mit ausschließlich positiven Entwicklungen, die für die Zukunft weitere Steigerungen versprechen. Familie Schwer führt das Gasthaus mit Restaurant und 15 Zimmern seit 1936 als Familienbetrieb, in dem aktuell drei Generationen in Küche und Service aktiv sind und die vierte Generation spielerisch und Freude ausstrahlend an zukünftige Aufgaben herangeführt wird. 2023 hat die Seniorengeneration den Betrieb an den Sohn Matthias bzw. seine Familie übergeben. Bei der Ankunft haben wir gleich bemerkt, dass ein im positiven Sinn frischer Wind durch das Haus weht. Sohn Matthias ruht sich nicht auf Lorbeeren aus. Seit 2021 bemerken wir eine Reihe Veränderungen:
- Ausbildung in Sterne-Restaurants ermöglicht Matthias Schwer, regionale Küche mit Signaturen zu versehen, die in dieser Qualität positiv überraschen. Das ohnehin hohe Niveau der Küche hat weiter zugelegt.
- Gerichte werden auf elegantem neuen Geschirr serviert.
- Ein Funktionsraum zwischen Stammhaus und Gästehaus ist zu einer Lounge mit Sitzgruppen umgestaltet. Gäste können sich aus einem Klimaschrank mit Getränken bedienen und Kaffee oder Tee zubereiten. Ihren Konsum notieren sie wie bei einer Minibar und rechnen ihn bei Abreise ab.
- Balkons der Zimmer sind mit neuen Stühlen ausgestattet.
- Das WLAN-Netz ist deutlich leistungsfähiger geworden (aber es besteht noch Luft nach oben).
- Die Familie ist größer geworden.
2022 hat Matthias Schwer gemeinsam mit 8 befreundeten engagierten Köchen des südlichen Schwarzwalds das Kochbuch Heimatküche mit dem Untertitel Echt. Jung. Wild. Kochkunst der Next Generation herausgegeben. Jeder der Köche steuert mehrere Rezepte bei. Das mit Fotos und Texten anschaulich aufbereitete Kochbuch hat bei den World Cookbook Awards 2023, eine Art Weltmeisterschaft der Kochbücher, den vierten Platz belegt und wurde beim deutschen Kochbuchpreis 2022 mit Bronze in der Kategorie Deutsche Küche ausgezeichnet (Pressemitteilung 2.06.2023).
22.07.2024: Rundgang in Freiburg - Fotoserie
Am Morgen liegt der Gasthof zum Kreuz bei leichtem Regen in dichten Wolken. Besseres Wetter versprechen Wetterportale für Freiburg. Da die Stadt Freiburg im Breisgau für uns ohnehin ein must-do ist, wenn wir uns im südlichen Baden-Württemberg aufhalten, machen wir uns auf den Weg. Von der Unterkunft im Gasthaus zum Kreuz fahren wir mit dem Auto bis Kirchzarten im Dreisamtal, wo es bereits trocken, aber wie im gesamten Rheintal ziemlich schwül ist. Freiburg ist glücklicherweise keine Autostadt. Die Altstadt ist als verkehrsberuhigte Fußgängerzone gestaltet. Daher nehmen wir von Kirchzarten die in engen Takten verkehrende S-Bahn zum Hauptbahnhof Freiburg (kostenlos mit KONUS-Gästekarte). Auf dem Weg vom Freiburger Bahnhof zum Münster (ca. 1 km), lohnt sich ein Blick in das Tourismusbüro im Rathaus.
Schon lange kennen wir keine andere soviel Lebensqualität vermittelnde deutsche Stadt wie Freiburg. Münster in Westfalen hat sicherlich auch eine attraktive Altstadt und ist wegen seines hohen Anteils an Studenten kulturell ähnlich geprägt, aber Münster ist eine eher konservative, klerikal geprägte Provinzstadt von Bier- und Schnapstrinkern mit westfälischer Bauernküche, in der kulturelle Vielfalt nur kleine Blüten entwickelt und Gutes Leben im Sinne von Savoir-vivre eher im Verborgenen blüht. Inzwischen hat der Reiseführer Lonely Planet Freiburg entdeckt und kürte die Stadt 2021 in seiner globalen Top-Ten-Liste wegen seiner "beneidenswert hohen Lebensqualität" auf Platz 3 hinter Auckland und Taipeh (Spiegel, 28.10.2021: »Lonely Planet« preist Freiburg als Topreiseziel 2022 an). Solche Rankings sind fragwürdig, weshalb man sie nicht überbewerten sollte, aber die Wahl ist für uns nachvollziehbar.
Unsere Rundgänge in Freiburg wiederholen sich ohne Ermüdung: Münster, Münstermarkt, Gassen in der Umgebung des Münsters sowie die als Klein Venedig bezeichnete Schneckenvorstadt mit Gerber- und Fischerau.
Neu hinzugekommen ist in diesem Jahr die Freiburger Markthalle in der Grünwälderstraße, die wir erst in diesem Jahr entdeckt haben. Allerdings ist die Markhalle kein typisches Einkaufsparadies, sondern als multikultureller Food Court ein beliebter klassenloser Treffpunkt für ein gesetzteres Publikum. Da wir keine Mittagsesser sind und auf dem Münstermakt bereits der Freiburger Kultwurst Lange Rote nicht widerstanden haben, belassen wir es bei einem alkoholfreiem Bier.
23.07.2024: Wanderung im Schwenninger Moos - Fotoserie
Im süddeutschen Raum werden Moore auch als Ried, Filz oder Moos bezeichnet. Das Schwenninger Moos ist zum Ende der letzten Eiszeit entstanden. In dem Moor liegt das natürliche Quellgebiet des Neckars, das in einer im Moor verborgenen Karstquelle vermutet wird. Durch das Moor verläuft die Europäische Wasserscheide, die Zuläufe zum Atlantik von Zuläufen zum Mittelmeer oder Schwarzen Meer trennt. Mit Bebauung der Umgebung und Entwässerung für den Torfabbau verlandete
das Moor zunehmend. Sich ausbreitender Baumwuchs trug zur Verlandung
bei. Um zahlreiche seltene und gefährdete Pflanzenarten zu retten,
begannen 1987 Maßnahmen zur Renaturierung des Moors. Durch Anstieg des
Wasserspiegels und Vertorfung sterben im Moor wachsende Bäume ab und
bleiben als Totholz lange erhalten, weil sie nur sehr langsam verrotten.
Torfmoose gelten als Baumeister der Moore.
Um das Kerngebiet des Moors verläuft ein als Naturlehrpfad ausgebauter Wanderweg, von dem wir immer wieder auf Moorflächen blicken, deren Kerngebiet gesperrt ist (Schwarzwald-Tourismus: Rund ums Schwenninger Moos). Tafeln am Wanderweg informieren über interessante Sachverhalte. Der Wanderweg begeistert uns und ruft nach Wiederholung beim nächsten Aufenthalt.
23.07.2024: Rundgang in Villingen-Schwenningen - Fotoserie
Wie der Name bereits ankündigt, besteht Villingen-Schwenningen aus einer Doppelstadt, deren Stadtkerne ca. 8-9 km auseinander liegen (Wikipedia: Villingen-Schwenningen). 2022 hatte Schwenningen 36.006 und Villingen 39.869 Einwohner. Die gesamte Gemeinde hat inkl. aller Stadtbezirke ca. 88.000 Einwohner. Historisch haben sich Schwenningen und Villingen deutlich unterschiedlich entwickelt.
- Schwenningen gehörte zur Dynastie des Hauses Württemberg, das ab 1534 die Reformation einführte und damit Teil protestantischen Territoriums wurde. Die Ortschaft Schwenningen hatte lange Zeit dörflichen Charakter und entwickelte sich im 19. Jh. zu einem Zentrum der Uhrenindustrie.
- Villingen war eine von 12 Städten des mit den Staufern verwandten schwäbischen Fürstengeschlechts der Zähringer, aus dem das Haus Baden hervorging und zum katholischen Territorium gehörte. Eckpunkte der Stadtgeschichte beschreibt das Portal Viilingen-Schwenningen auf der Seite Zähringerstädte:
"Villingen wurde 817 erstmals urkundlich erwähnt. Im Jahr 999 verlieh Kaiser Otto III. dem Grafen Berthold von Zähringen das Markt-, Münz- und Zollrecht für seinen Ort Villingen. Im 11. und 12. Jahrhundert entwickelte sich das Dorf zu einer Stadt und erhielt im 13. Jahrhundert eine imposante Stadtbefestigung, von der heute noch große Teile zu sehen sind.
Seit 1326 gehörte Villingen zu Habsburg-Österreich und genoss dessen Schutz und die vom Stadtherrn gewährten Freiheiten. Dafür leistete Villingen Zins- und Kriegsdienste und stand während der Reformation und im Bauernkrieg an Österreichs Seite. 1806 kam Villingen zum Großherzogtum Baden und wurde Amtsstadt, nachdem es fast 500 Jahre das Haus Habsburg als Stadtherrn hatte." - Sprachlich liegen beide Städte im schwäbisch-alemannischen Übergangsraum zwischen ostgermanisch-fränkischen und westgermanisch-alemannischen Dialekten.
Soziologen interessieren sich naturgemäß für Einflüsse sozialer Strukturen auf Denken und Verhalten von Menschen und von ihnen ausgeprägte Werte und Brauchtum. Obwohl die beiden Städte nahe beieinanderliegen, finden Soziologen in Villingen-Schwenningen reiches Material für unterschiedlich prägende strukturelle Kultureinflüsse. Seit der Reformationszeit gehörte Schwenningen zum protestantisch-schwäbischen Württemberg und Villingen zum katholischen Baden. Gemäß verbreiteter Stereotype gelten Schwaben als fleißig und tüchtig, aber auch kleinkarierte Tüftler mit Hausbesitz und asketischer Gesinnung, während Badenern der Ruf genussfreudiger, lebenslustiger, leichtlebiger Menschen anhängt. „Über Baden lacht die Sonne, über Württemberg die ganze Welt“, besagt eine Redensart. (Südkurier, 18.08.2019: Große Luther-Serie (Teil 9): Luther spaltet das Land bis heute). In der Gegenwart bestehende landestypische Eigeneiten und Divergenzen reichen bis in historische alte Stammesgeschichte zurück:
- Die Bezeichnung Schwaben geht historisch und etymologisch aus dem ursprünglich nordost-germanischem Volksstamm der Sueben hervor, der um 60 v. Chr. nach Süden in das Gebiet zwischen Main und Alpen vordrang und dort lebende Kelten verdrängte, obwohl Kelten eine militärisch organisierte Kriegerkultur waren (Wikipedia: Keltische Kriegsführung). Im eisenzeitlichen Großgrabhügel Magdalenenberg bei Villingen wurden Ende des 19. Jh. Spuren keltischer Besiedlung entdeckt. Eine systematische archäologische Erforschung erfolgte erst in den 1970er Jahren des letzten Jahrhunderts. Funde zeigt das Villinger Franziskanermuseum. 2021 haben wir Grabhügel (Fotos) und Museum (Fotos) besucht.
- Die badische Bevölkerung geht historisch aus westgermanischen Bevölkerungsgruppen der Alemannen hervor, deren Kernräume im südlichen Rheintal und dessen Umgebung lagen. Bis um das Jahr 500 wurden Sueben und Alemannen unterschieden. Seit dem 6. Jh. gehörte das alemannische Gebiet zum Herzogtum Schwaben. Seit dieser Zeit werden die Bezeichnungen Schwaben und Alemannen synonym genutzt. Spuren alemannischer Kultur sind in südwestdeutschen Dialekten sowie in der Mentalität von Menschen und deren überliefertem Brauchtum erhalten.
- Brauchtum der schwäbisch-alemannischen Fastnacht ist seit dem 13. Jh. nachgewiesen. Die historische Fasnet entwickelte sich seit dem 15. Jh. vor allem im katholischen Villingen (Wikipedia: Narrozunft Villingen, Webseite der Narrozunft Villingen). Dagegen bestand im protestantischen Schwenningen seit der Reformation ein Fasnetverbot, das aber nie vollständig eingehalten wurde. Im 19. Jh. begannen sich Einflüsse des rheinischen Karnevals in der schwäbisch-alemannischen Fastnacht durchzusetzen, die jedoch im 20. Jh. wieder zurückgedrängt wurden. In der Gegenwart besinnt sich die Fasnet auf ihre historischen lokalen Traditionen. Die Schwenninger Narrenzunft wurde erst 1956 gegründet.
Unser Rundgang konzentriert sich auf Freibugs kleine Schwester Villingen. Nach Ankunft in Villingen beschaffen wir uns zunächst auf der Rietgasse 2 im Tourismusbüro Informationen für eine Stadtbesichtigung und planen bei einer Einkehr im Café Dammert unseren Rundgang. Der überschaubare Altstadtkern ist mit einem Durchmesser von ca. 600 m ungefähr halb so groß wie der Altstadtkern von Freiburg und ein zu Fuß leicht zu bewältigendes Fußgängerparadies mit zahlreichen Sehenswürdigkeiten (Villingen-Schwenningen: Sehenswertes).
Den Stadtkern von Villingen umgibt seit dem 13. Jh. eine in nachfolgenden Jahrhunderten mehrfach verstärkte Stadtmauer, die bis heute mit mehreren Türmen weitgehend erhalten ist (Stiftung Denkmalschutz: Stadtmauer Villingen). Ein Vergleich der Stadttore von Villingen (Bilder) mit Stadttoren von Freiburg (Bilder) macht die Verwandtschaft der beiden Städte offenkundig. Villingens Stadtmauer und mutige Verteidiger schützten die Stadt im Dreißigjährigen Krieg vor der Eroberung durch schwedische Truppen des protestantischen Lagers sowie im Spanischen Erbfolgekrieg vor der Eroberung durch französische Truppen. Im Zweiten Weltkrieg erlitt Schwenningen stärkere Zerstörungen als Villingen. Dem günstigen Schicksal verdankt Villingen ein weitgehend erhaltenes, sorgfältig restauriertes historisches Stadtbild innerhalb der Stadtmauern.
Die verkehrsberuhigte Altstadt ist ein Schmuckkästchen. Wahrzeichen der Stadt ist das im 12./13. Jh. errichtete romanisch-gotische Münster Unserer Liebe Frau. Die beiden Türme des Münsters stammen aus dem 15./16. Jh.. Im 18. Jh. wurde die Ausstattung barockisiert. Das Nägelinskreuz
(um 1380) in der nördlichen Turmkapelle gilt im Volksglauben als mit
wundertätigen Kräften ausgestatteter Beschützer der Stadt.
Den Münsterbrunnen auf dem Münsterplatz schuf der Schonacher Bildhauer Klaus Ringwald 1989 aus Bronze, Gold, Emaille, Polyester, Beton. Acht Seiten des Brunnens (Beschreibung) kommentieren mit Humor Epochen und Persönlichkeiten der 1000-jährigen Stadtgeschichte.
Auffällig sind in Villingen abwechslungsreich und geradezu verschwenderisch üppig blühende Blumenarrangements in öffentlichen Anlagen, an zahlreichen Gebäuden und in der Fußgängerzone der gesamten Altstadt. Spuren von Vandalismus und Vermüllung sind dagegen nicht zu sehen, ebensowenig Bettler und Junkies. Wie Villingen das gelingt, ist ein Rätsel. Trotz des attraktiven Auftritts haben wir den Eindruck, dass Villingen ein touristisches Niemandsland oder ein schlafendes Dornröschen ist. Das könnte Vandalen, Bettler, Junkies abschrecken.
24.07.2024: Wanderung nach St. Märgen - Fotoserie
Am letzten Tag unseres Aufenthalts ist das Wetter bedeckt bei moderater Temperatur, gerade richtig für eine Wanderung nach St. Märgen in ca. 6 km Entfernung. Der mit einer gelben Raute markierte Wanderweg beginnt am Thurner, streift das Gasthof zum Kreuz und verläuft mehr oder weniger parallel zur Feldbergstraße zunächst auf der Ostseite und wechselt ca. 1,5 km vor St. Märgen auf die Westseite. Wir steigen beim Gasthof zum Kreuz ein. Den Wanderweg beschreibt der Flyer Grenz-Steine.
Die Wanderung verspricht spannend zu werden. Am Ende wird sie sogar aufregend. Kurz nach dem Start am treffen wir auf eine Warnung:
"Vorsicht! Hier ist ein Wolfsgebiet.
Hunde an der Leine führen.
Kinder an der Hand führen.
Nur in der Gruppe wandern und joggen."
Gruppen beginnen bekanntlich bei drei Personen, wir sind nur zu zweit, gehen aber trotzdem weiter, natürlich mit gebührender Vorsicht. Vielleicht beobachten uns Wölfe, aber sie zeigen sich nicht. Kurz darauf treffen wir auf die barocke Schanze "Hohlen Graben" (auch "Türkenlouis-Schanze"). Zu erkennen sind aber nur flache Erdhügel im Nadelwald. Nicht spannend.
Der Wanderweg führt entlang einer historischen Grenze zwischen den beiden früheren Gemeinden St.Märgen und Hinterstraß (Kulturwege St.Märgen: Hinterstraß). 1936 wurde Hinterstraß nach St. Märgen eingemeindet, aber einige der historischen Grenzsteine sind erhalten. Ergänzt werden sie von anlässlich des 900jährigen Jubiläums St.Märgen 2018 gesetzten, künstlerisch bearbeiteten Grenzsteinen, die den Wanderweg zum Skulpturenpfad machen. Bedeutungen der Skulpturen beschreibt der Flyer des Projekts Grenzsteine:
"Jede Stele steht Pate für ein Jahrhundert. Für jedes Jahrhundert wiederum ist je ein repräsentatives Ereignis für die europäische und eines für die lokale Geschichte ausgewählt, die mal mehr, mal weniger miteinander in Verbindung stehen. Reliefs, Symbole und Skulpturen illustrieren die verschiedenen Themen."
Nach 1:45 Std. erreichen wir St. Märgen und besichtigen zunächst im 18. Jahrhundert errichtete Gebäude des im 12. Jahrhundert gegründeten und 1806 säkularisierten Klosters. Über St. Märgen und die Klosteranlage informiert der Flyer Kulturwege St. Märgen. Räume des ehemaligen Klosters nutzt das Klostermuseum St. Märgen, das uns aber nicht interessiert. Vorgemerkt haben wir eine Einkehr im Café Goldene Krone, das um 12:00 Uhr öffnet. Das Café befindet sich in einem historischen Gebäude, das als Hotel in St.
Märgen die erste Adresse war, aber zuletzt einige Jahre leer stand, bis
St. Märgener Landfrauen die Idee entwickelten, in dem ehemaligen Hotel ein Café zu etablieren. Das Café ist mittwochs bis sonntags sowie an Feiertagen von 12:00 - 18:00 Uhr geöffnet.
Obwohl bereits vor 12:00 Uhr Aktivitäten zu erkennen sind, öffnet das Café um Punkt 12:00 Uhr. Bei unserem Eintritt grüßt keine der 5 herumwuselnden Landfrauen. Die Einrichtung des Cafés ist gefällig und das Kuchencafé beeindruckend. Fragen nach Details werden nur unwillig beantwortet. Keine Zeit. Gäste scheinen zu stören. Obwohl sich die Frauen über etliche weitere eintreffende Gäste freuen könnten, haben sie heute keinen guten Tag erwischt. Wir nehmen im Garten Platz und erst nach einer nicht nachvollziehbaren Wartezeit dürfen wir eine Bestellung aufgeben. Unwilligen Service haben wir zuletzt vor der Wende in der ehemaligen DDR erlebt und ihn fast schon vergessen. Am liebsten wären wir gleich wieder gegangen, aber mangels Alternativen bleiben wir. Die Schwarzwälder Kirschtorte enttäuscht nicht. Apfelkuchen mit Schmand ist eher ein Pudding in Kuchenform. Die Qualität des Kaffees ist durchschnittlich. Preise fallen überdurchschnittlich aus. Der Besuch schreit nicht nach Wiederholung, aber kurz darauf werden wir erfahen, dass Serviceverweigerung steigerungsfähig ist, was wir im Café noch nicht ahnen.
Nur wenige Meter vom Café entfernt befindet sich die Haltestelle des Linienbusses, mit dem wir die Rückfahrt bis zur Haltestelle am Gasthaus zum Kreuz beabsichtigen. Überraschend trifft ein Linienbus des regionalen Verkehrsverbunds 10 Minuten vor der erwarteten Ankunftszeit ein. Das ist natürlich ungewöhnlich, aber die an der Front ausgewiesene Liniennummer ist korrekt. Vorsichtshalber fragen wir den Fahrer beim Einstieg, ob der Bus am Gasthaus zum Kreuz hält. Der Fahrer bestätigt. Wir nehmen Platz und freuen uns bereits auf ein Mittagsschläfchen nach 10 Minuten Busfahrt. Innerhalb des Busses ist zwar eine andere Liniennummer ausgewiesen, die uns aber nicht irritiert, weil der Fahrer unsere Frage bestätigt hat.
Zu unserer Überraschung zweigt der Bus an der B500 nicht nach links in Richtung Gasthaus zum Kreuz, sondern nach rechts zum Thurner ab. Wir fragen den Fahrer erneut, ob der Bus am Gasthaus zum Kreuz hält. Er antwortet mürrisch in einem osteuropäischen Akzent: "Kommt noch." Das ist eine glatte Lüge. Wir landen schließlich nach halbstündiger Busfahrt am Bahnhof Hinterzarten und hoffen, dass der Bus in Kürze auf dem gleichen Weg zurückfährt, aber das ist ein Irrtum. Der Fahrer fordert uns ziemlich ruppig auf, den Bus zu verlassen. Er habe jetzt 30 Minuten Pause und fahre dann zu einem anderen Ziel. Alternativen kann oder will er nicht nennen. Er sei schließlich Fahrer und keine Auskunftstelle. Für Reiserouten seien Passagiere selbst verantwortlich. Laut Fahrplan fährt der nächste Bus in 1:30 Std. zurück nach St.Märgen. Zugverbindungen bieten keine relevanten Alternativen. Taxen warten am Bahnhof nicht, aber wir können dank ausgewiesener Telefonnummern ein Taxi rufen, das nach 15 Minuten Wartezeit eintrifft und uns zum Preis von 45 € zum Ziel bringt. Mit 1:30 Std. Verzug und 45 € ärmer treffen wir im Gasthaus ein. Ein Mittagsschlaf ist nach dieser Aufregung nicht mehr möglich. Um Missverständnisse zu vermeiden sei erwähnt, dass wir die beiden beschriebenen Vorfälle als Ausnahmen einer absolut lobenswerten Schwarzwälder Gastlichkeit erlebt haben.
24.07.2024: Dinner im Gasthof Schweizerhof, Waldau - Fotoserie
Mittwochs und donnerstags hat das Gasthaus zum Kreuz Ruhetag, aber Hausgäste werden mittwochs abends bewirtet. Da wir die einzigen Gäste seien, fragt uns die Seniorchefin, ob es für uns zumutbar wäre, das Abendessen woanders einzunehmen und empfiehlt auch gleich zwei Alternativen. Das machen wir natürlich und wählen die erste der beiden Alternativen in fußläufiger Entfernung von 750 m. Der Schweizerhof bietet eine engagierte rustikale Karte, die aber eher beliebig ausfällt und außer durch Spätzle nicht mit Regionalität auffällt. Uns ist bewusst, dass von uns bestellte Wildgerichte nicht frisch gekocht sein können, aber der Rehbraten dürfte trotzdem gerne zarter sein und die auf Convenience-Produkten basierende Sauce schmeckt gar nicht. Hier zeigen sich deutliche Unterschiede zum Gasthaus zum Kreuz, die sich fairerweise auch preislich auswirken.
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