"Auf der Door Peninsula im nordöstlichen Wisconsin trifft man sich wie eh und je zum traditionellen "fish boil". Man sitzt im Freien rund um einen riesigen Kessel, der über offenem Feuer angeheizt wird. Wenn das Wasser kocht, schüttet der "boilmaster" eimerweise Kartoffeln hinein und wirft ein paar Hände voll Salz dazu, bevor schließlich die Fische kurz ge- gart werden, die am Morgen noch im See geschwommen sind. Und irgendwann kommt es zum viel beklatschten "boil over", dem Überkochen der Suppe, bei dem das Fischöl auf der Oberfläche Feuer fängt und verbrennt. Die Suppe wird dadurch feiner und verliert ihren tranigen Geschmack. Was als preiswertes Abfüllen hungriger Holzfäller begann, ist in- zwischen ein sorgsam gepflegter Brauch. Wahrscheinlich hat der Kult um den "fish boil" dazu beigetragen, dass es auf der Door Peninsula noch immer keine Fast-Food-Kette geschafft hat, sich dauerhaft anzusiedeln."
(Auszug eines Artikels von Volker Mehnert in der WELT vom 12.10.2008)
Das Event findet am Abend in drei Durchgängen statt. Wir haben das 3rd setting gewählt und finden uns pünktlich um 19:40 Uhr zum "check in" im White Gull Inn ein. Zunächst wird uns der Ablauf des Abends erläutert, ehe wir am "Fire Place" hinter dem Haus an Table No. 10 Platz nehmen dürfen. Getränke sind an einer kleinen Bar available, aber im Moment haben wir keinen Bedarf.
Wir teilen unseren Tisch mit einem netten Camper-Paar aus Milwaukee, das etwa in unserem Alter ist. Sie suchen sofort das Gespräch mit uns, fragen nach unserer Herkunft und berichten, dass sie schon einmal für 2 Wochen in Deutschland waren: Munic, Bodensee und Rheda-Wiedenbrück(!) haben sie besucht. Die beiden ersten Plätze sind o.k., aber was sie ausgerechnet nach Rheda-Wiedenbrück verschlagen hat, fragen wir aus Gründen der Höflichkeit besser nicht.
Inzwischen ist auch der Boilmaster mit einem Helfer vor Ort. Der Helfer sorgt für die richtige Befeuerung des grossen Topfes, während der Boilmaster knödelnd und nuschelnd über die history des Fish Boils berichtet und den Ablauf erläutert. Viel verstehen wir nicht, aber dank Reiseliteratur sitzen wir nicht völlig ungebildet hier. In einem Eimer werden die vorbereiteten Fischstücke gereicht und in dem Topf versenkt. Verarbeitet werden Süßwasser Weissfische aus der Gruppe der Salmoniden (Forellen und Saiblinge) und Cypriniden (karpfenartige Fische).
Das Feuer erhält nun noch einmal Nachschub (mittels Kerosin, falls wir das richtig verstanden haben), bis das "boil over" eintritt, was bei der inzwischen vollständigen Dunkelheit mächtig Eindruck erzeugt. "Ah" und "Oh" rufen die Zuschauer aus und lassen die Blitze ihrer Fotoapparate zucken. Dann ist es aber auch schon vorbei. Die Doppeltür zum Restaurant öffnet sich. Ein Akkordeonspieler steht im Eingangsbereich und musiziert volkstümliche Melodien, während die Gäste in das Restaurant umziehen.
Die Gäste bilden eine geordnete Line vor einem Buffet, was in den USA viel besser funktioniert als in Deutschland (wo ich z.B. vor der Kasse bei Aldi bei jedem Einkauf gerne mehrere Kunden erschlagen würde). Nachdem Fish, Kartoffeln und Sour Cream aufgelegt sind, nehmen wir an einem der Tische Platz, auf dem bereits Krautsalat und ein ordentliches Brot als Beilagen warten. Außerdem befindet sich in einer Sauciere eine geradezu perverse Menge flüssiger Butter. Eine Bedienung kommt an unseren Tisch, um Getränkebestellungen aufzunehmen und "assistence with the bones" anzubieten. Sehr nett, danke, aber wir kommen zurecht. Die Gräten machen zwar etwas Mühe, aber der Fisch und auch die Beilagen sind erstaunlich gut. Kaum sind wir auf dem Grund unserer Tellers angekommen, bietet die Bedienung "second order" an. O.k., ein wenig Platz ist noch vorhanden. Für weitere Orders fehlt die Kapazität, denn es gibt schließlich noch eine Kirschtarte mit Vanilleeis. Beides schmeckt ebenfalls. Für den Spaß des ganzen Abends beträgt die Rechnung schließlich inkl. VAT und Tip 52 $, worüber wir nicht meckern können. Bei unserem nächsten Aufenthalt im Door County ist ein Fish Boil ein "must do".
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