Sonntag, 30. August 2020

Reisetagebuch Lüneburger Heide: Botanik, Alltagskultur, Hochkultur, Frühkultur, Kurioses, Barbarei

Brotmanufaktur Stadtländer, Walsrode
Motiv am Steingrund  Nach Mittelgebirgs-Wanderreisen auf dem Rennsteig und dem Rothaarsteig sowie nach einer Kurzreise in den Bayerischen Wald setzen wir unsere Deutschland-Exkursionen im zentralen Nordeutschen Tiefland mit einem Besuch der Lüneburger Heide fort. Die Heideblüte von Mitte August bis Mitte September motivierte unsere Terminwahl. Unser Standort ist die Kleinstadt Walsrode am westlichen Rand der Südheide im Landkreis Heidekreis in Niedersachsen. Unsere Aktivitäten in der Lüneburger Heide beschreibt dieses Reisetagebuch.

29.08.2020: Wanderung im Naturschutzgebiet Meißendorfer Teiche/Bannetzer Moor und im Ostenholzer Moor - Fotoserie
 
Hüttensee bei Meißendorf Osterholzer MoorBlick aus der Vogelbeobachtungsstation auf den Wanderweg


Auf der letzten Wanderung dieser Reise verbinden wir 2 jeweils ca. 5 km lange Runden, die beide beim Campingplatz am Hüttensee starten. Die Meiße, ein Nebenfluss der Aller, trennt das Ostenholzer Moor vom Natur- und Vogelschutzgebiet Meißendorfer Teiche/Bannetzer Moor.

Die erste Runde führt uns in das Natur- und Vogelschutzgebiet der Wasserwelt Meißendorfer Teiche/Bannetzer Moor. Die Wasserfläche des Gebiets beträgt ca. 350 ha und bildet die größte Wasserlandschaft der Lüneburger Heide. Die ehemals zur Fischzucht angelegten Meißendorfer Teiche nutzen ca. 250 seltene und geschützte Vogelarten als Raststätten oder Brutgebiete. Mehr als 400 Schmetterlingsarten und ca. 40 Libellenarten sind in der Region identifiziert. Daneben beheimatet das Gebiet zahlreiche Arten von Fischen, Lurchen und Kriechtieren sowie etliche seltene Pflanzenarten. Im Unterschied zu seiner Umgebung gehört der 35 ha große Hüttensee nicht zum Naturschutzgebiet. Auf einem um den See angelegten künstlichen Damm verläuft ein Wanderweg zwischen den Meißendorfer Teichen. Die Runde empfinden wir als bereichernd, obwohl wir Besonderheiten der geschützten Fauna und Flora mangels Kenntnis nicht angemessen zu würdigen wissen.

Der Wanderweg der zweiten Runde liegt im öffentlichen Teil des Ostenholzer Moores, das als Truppenübungsplatz der Bundeswehr überwiegend für die Öffentlichkeit gesperrt ist. Der Weg führt über das im 16. Jahrhundert entstandene Gut Sunder, das im 18. Jahrhundert die Familie von Schrader erwarb, die im 19. Jahrhundert die Teichwirtschaft etablierte. Nahe beim Gut Sunder legte die Familie einen Familienfriedhof an, der besichtigt werden kann. 1977 verkaufte die Familie von Schrader das Gut. Ein Vorläufer des heutigen NABU erwarb das Gelände mit Hilfe der Bundesregierung im Interesse des Erhalts dieses Feuchtlebensraumes. Der NABU unterhält auf Gut Sunder ein regionales Umweltbildungs- und Naturerlebniszentrum (NABU Gut Sunder). Das unter Denkmalschutz stehende Herrenhaus wird als Hotel & Café Gut Sunder genutzt. Das Café fällt jedoch aus, weil das Hotel derzeit geschlossen ist.


28.08.2020: Oldendorfer Totenstatt - Hansestadt Lüneburg - Pietzmoor bei Schneverdingen
 
Bei unsicherer Wetterlage starten wir heute früh, weil das Programm unseres Ausflugs 3 attraktive Ziele vorsieht. Diese Beschreibungen vermittelt in Kurzform Eindrücke, die einen Besuch nicht ersetzen können.

Megalithanlagen Oldendorfer Totenstatt - Fotoserie
 
Gelände Oldendorfer Totenstatt mit Hünenbett IV Hünenbett IVGelände der Oldendorfer Totenstatt

Auf dem Weg nach Lüneburg besuchen wir in Oldendorf bei Amelinghausen die Oldendorfer Totenstatt, ein steinzeitliches Gräberfeld der Trichterbecherkultur (TBK), in dem 3 runde oder ovale Grabhügel sowie 3 Hünenbetten bzw. Langebetten in einer Heidelandschaft frei zu besichtigen sind. Besonders beeindruckend fällt mit 80 m Länge das Hünenbett IV aus. Eine ausführlichere Beschreibung mit Fotos bietet die Webseite des Archäologischen Museums Oldendorf: Oldendorfer Totenstatt. Das Museum zeigt u.a. bei Grabungen entdeckte Artefakte der Oldendorfer Totenstatt. Das kleine Museum vermag von der Corona-Pandemie verursachte Auflagen nicht zu erfüllen und ist aktuell geschlossen.

Hansestadt Lüneburg - Fotoserie
 
Häuserzeile am Platz Am Sande Ilmenau, Stintmarkt, Alter KranRathaus Lüneburg
Der historischer Stadtkern Lüneburgs zeugt vom ehemaligen Reichtum der Hansestadt. Lüneburg liegt auf einem oberflächennahen Salzstock des historischen Zechsteinmeers. Salz war im Mittealter ein wertvolles Handelsgut. Vor ca. 1000 Jahren begann in Lüneburg die Salzgewinnung. Lüneburger Salz wurde benötigt, um in der Ostsee oder der Nordsee gefangene Heringe einzupökeln und zu konservieren. Aufgrund einer Monopolstellung als Salzlieferant im norddeutschen Raum war Lüneburg ein frühes Mitglied der Hanse und gelangte zu erheblichem Reichtum. Das schlossartige Rathaus, mehrere große Kirchen sowie zahlreiche in Backsteingotik mit protzigen Schaugiebeln errichtete Handels- und Bürgerhäuser sind aus dieser Zeit in Lüneburg erhalten. Die Wirtschaftlichkeit der Salzproduktion nahm in neuerer Zeit ab, sodass die Salzgewinnung vor etwas mehr als 100 Jahren eingestellt wurde. Lüneburg profitierte über Jahrhunderte vom Salzabbau und zahlt dafür bis in der Gegenwart einen Preis in Form von Senkungsschäden.

Pietzmoor in der Lüneburger Heide bei Schneverdingen - Fotoserie
 
Pietzmoor PietzmoorBohlensteg im Pietzmoor
 
Die Rückfahrt von Lüneburg nach Walsrode unterbrechen wir bei Schneverdingen, um nach unserer gestern enttäuschenden Moorwanderung mit dem Besuch eines 'richtigen Moores' unsere Scharte auszubügeln. Um das Pietzmoor gehen wir einen attraktiven 4,8 km langen Wanderweg, der ungefähr zur Hälfte per Bohlensteg durch Feuchtgebiete führt und uns heute 'echtes Moor-Feeling' vermittelt.


27.08.2020: Frust-Wanderung um das Naturschutzgebiet Großes Moor bei Becklingen -Fotoserie
 
Aussichtsplattform des Aussichtsturms Ausblick vom Aussichtsturm Heinrich-Eggers-Aussichtsturm am Wanderweg durch das Becklinger Moor


Auf der Suche nach einer attraktiven Moorwanderung treffen wir im Tourismusprospekt Sehnsucht Natur 2020 im Kapitel Die schönsten Moore der Lüneburger Heide auf das Naturschutzgebiet Becklinger Moor an Platz 1. Ein Link zeigt Detailinformationen zum Becklinger Moor. Im Portal Heidschnuckenweg finden wir eine ca. 15 km lange Wandertour rund um das Becklinger Moor, für die wir uns entscheiden. Die Anreise geht beinahe schief. Unser zu einem stattlichen Aufpreis erstandenes Audi-Navigationssystem ist wie schon oft in ländlichen Regionen völlig überfordert. Erst lotst es uns auf unbefestigte, nicht digitalisierte Offroad-Strecken, dann stellt es die Navigation ein. Dank Spürsinn erreichen wir den Startort der Wanderung auf Umwegen. Die Fahrzeit verlängert sich von 30 Minuten auf eine Stunde.

Jetzt kann es nur noch besser werden, sagen wir uns, aber es kommt schlimmer. Die Routenbeschreibung ist unbrauchbar. Ein vorsorglich auf das Smartphone nach Komoot geladener GPX-Track verhilft zur Orientierung. Mehr als 2 km gehen wir entlang der stark befahrenen B3, bis wir endlich tiefer in die Landschaft eindringen. Während wir die Landschaft der Route als eintönig empfinden, begleiten uns über die beiden nächsten Stunden aufdringlich-penetrante Gerüche von Gülle und Silagen.  Nach fast 2 Stunden erreichen wir den Heinrich-Eggers-Aussichtsturm, dessen Aussichtsplattform wir selbstverständlich besuchen. Aber auch von der Plattform erkennen wir kein Moor. Die Aussicht vom Aussichtsturm vermittelt keine Begeisterung. Man sieht nur das, was man weiß. Wir wissen nichts. Am Nachmittag lernen wir in Wikipedia, dass das Große Moor bei Becklingen als Hochmoor bzw. Regenmoor im Unterschied zu Niedermooren kein Wasser staut.

Nicht alles lief heute schlecht. Erfreulich ist neben dem Aussichtsturm ein Picknickplatz, den wir für unsere Rast nutzen. Wir haben kaum Platz genommen, als ein heftiger Regenschauer naht und uns schon wieder vertreibt. Schutz finden wir unter dem Dach des Aussichtsturms. Die restliche Wegstrecke trägt nicht zur Verbesserung unserer Stimmung bei. - 15,3 km, 3:10 Std. Gehzeit


26.08.2020: Regen in Niedersachsen - Fotoserie

Brotmanufaktur Stadtländer, Walsrode
Niedersachsen steht heute unter Wasser. Unter solchen Bedingungen bewährt sich eine angenehme Ferienwohnung. Wanderungen oder Städtebsichtungen müssen auf besseres Wetter warten, das für morgen angekündigt ist. Wir drehen eine Einkaufsrunde und kochen am Nachmittag für unser Dinner:
- Salat mit kleinen Leckereien
- Frische Pfifferlinge, Kabeljau-Loins, Heidekartoffeln
- Gemischter Käseteller
- Pflaumenkuchen-Törtchen
Am Morgen erledigen wir Einkäufe, was in Walsrode nicht einfach ist. Der Einzelhandel ist eher auf Ansprüche eines weniger anspruchsvollen bzw. nicht zahlungskräftigen Publikums ausgerichtet. Immerhin haben wir einen handwerkliche Tradition pflegenden Bäcker entdeckt, die Brotmanufaktur Stadtländer. Für die beste aller Ehefrauen ist das mehr als die halbe Miete. Happy woman, easy life!


25.08.2020: Senioren-Invasion der Lila Krönung im Naturschutzgebiet Lüneburger Heide - Fotoserie
 
Heidetal Totengrund Wilseder Berg, 169,2 m Heidschnucken und Ziegen in der Wilseder Heide
 
Zwischen Regentagen im zweitägigen Rhythmus genießen wir heute einen Wandertag. Die Menge unserer Optionen ist begrenzt. Ob wir die Region in unser Programm aufnehmen und eventuell demnächst eine Etappenwanderung auf dem Heidschnuckenweg planen, klärt ein Besuch der touristischen Top-Region des Naturschutzgebiets Lüneburger Heide. Details der Wanderung beschreibt der Wander-Post vom 25.08.2020.

24.02.2020: Gedenkstätte Bergen-Belsen - Fotoserien: Außengelände - Dokumentationszentrum

Für Opfer des KZ Bergen-Belsen von Angehörigen und Freunden gestiftete Gedenksteine Dokumentationszentrum Gedenkstätte Bergen-BelsenGedenkstätte Bergen-Belsen

Details des Besuchs beschreibt der Post: Besuch der Gedenkstätte Bergen-Belsen


23.03.2020: Ankunft in Walsrode - Fotoserien: Ferienhaus AusZeit - Dinner in Walsrode
 
Waldgaststätte Eckernworth, Walsrode Heide-Museum Walsrode Ferienhaus AusZeit Walsrode 

In Walsrode beziehen wir am Ortsrand in ruhiger Wohnlage das komfortable Ferienhaus AusZeit in einer Umgebung gepflegter Gärten und Wälder. Hier fühlen wir uns gut aufgehoben. Wenn sich das Wetter etwas mehr Mühe geben würde, wäre alles beinahe perfekt. In der Wohnung vermissen wir lediglich Insektenschutzgitter. Aktuell bereitet fehlender Insektenschutz keine Probleme, weil das Wetter unsere Wünsche ignoriert. Es schickt in dichter Folge abwechselnd stärkere und schwächere Regenschauer und verspricht für unsere Woche keine deutliche Veränderung. Wanderwetter ist das nicht gerade. Mit etwas Glück können wir hoffentlich einige günstige Wetterfenster nutzen.


Werbung der evangelistischen Pommesbaude
Auf einem in der Ferienwohnung ausliegenden Flyer überrascht uns Werbung einer evangelistischen Pommesbude goldgelb, die nicht nur göttliche Pommes und himmlische Currywürste verspricht, sondern auch Begegnungen mit Jesus. Auf diese Begegnung sind wir sehr gespannt. Wir haben nämlich eine Reihe von Fragen, deren göttliche Antworten uns stark interessieren. Aus dem Treffen wird leider nichts. Die Walsroder Pommesbude, eine Zweigstelle des Hauptgeschäftes in Verden (Aller), existiert nicht mehr. 30 km bis Verden möchten wir nicht fahren, zumal unsicher ist, ob wir dort mehr Erfolg haben. Eindrücke der Einrichtung vermittelt ein Youtube-Clip




Hermann-Löns-Denkmal Walsrode
Vor dem Dinner unternehmen wir auf dem Weg zur Waldgaststätte Eckernworth einen kurzen Rundgang in Walsrode. Die Gaststätte liegt an der Hermann-Löns-Straße. Am Anfang der Straße treffen wir auf ein 2009 aufgestelltes Hermann-Löns-Denkmal. Hermann Löns ist als Heide-Dichter und Heimatschriftsteller bekannt. Unterschlagen wird oftmals seine nationalistische, antisemitische und frauenfeindliche Einstellung. Seine Haltung motivierte Löns im Alter von 48 Jahren kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs zur Meldung als Freiwilliger. Nach einem Monat verstarb Löns bei einem Sturmangriff gegen französische Truppen. Nationalsozialisten vereinnamten Hermann Löns als Vordenker. Hitler ließ die Gebeine in Frankreich exhumieren, um Löns in der Lüneburger Heide bestatten zu lassen. Nach einigem Hin und Her fanden die Gebeine 1935 bei Walsrode ihre Ruhe.
Löns' Hurra-Patriotismus war zur seiner Zeit nicht ungewöhnlich, sondern eher Mainstream. Dass Löns noch im Jahr 2009 in Walsrode mit einem Bronze-Denkmal geehrt wird und Straßen nicht nur im Heidekreis, sondern u.a. auch im Rheinland nach ihm benannt sind, empfinden wir jedoch als irritierend. 


Heidschnuckensülze
Karpfensülze In der Waldgaststätte Eckernworth nehmen wir auf der Außenterrasse unter einem schützenden Dach Platz, das uns vor dem bald wie aus Kübeln schüttenden Regen schützt. Die Gaststätte betreibt eine regional inspirierte rustikale Küche. Bekenntnisse zur Region wertschätzen wir und ordern Karpfen-Sülze sowie Heidschnucken-Sülze mit Heide-Bratkartoffeln. Beide Gerichte werden in mächtigen Portionen zu kleinen Preisen serviert. Die Kartoffeln sind unser Highlight. Die Sülzen überzeugen uns nicht. Das sind natürlich subjektive Wertungen.

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