Eine Rundreise durch Polen steht schon lange auf unserer Reise-Agenda. Jetzt wird diese Absicht zur Realität. Nach positiven Erfahrungen einer Usbekistanreise an die Seidenstraße sowie einer Griechenlandreise auf Spuren der Antike vertrauen wir uns wieder einer von Studiosus organisierten Gruppen-Rundereise an. Aus Angeboten haben wir die umfassende Reise gewählt, von der wir uns einen Überblick versprechen.
Da die Studienreise als Busreise ab/bis Berlin stattfindet, verbinden wir sie mit Aufenthalten in Berlin und besuchen auf der Hinreise aktuelle Ausstellungen. Die Berlinreisen unternehmen wir mit der Deutschen Bahn. Am Anreisetag sind wegen des Pfingstwochenendes volle Züge angekündigt. Platzreservierungen sind ausgebucht. Nach Rückkehr aus Polen übernachten wir vor der Heimreise erneut in Berlin.
Tageweise sind Eintragungen chronologisch absteigend sortiert. Innerhalb eines Tagesdatums sind Aktivitäten chronologisch aufsteigend sortiert.
9.06.2023: Reise von Thorn via Gnesen nach Berlin
Auf der Rückreise nach Berlin führt ein Zwischenstopp nach Gnesen (Gniezno) in der Woiwodschaft Großpolen. Gnesen zählt zu den ältesten Städten Polens und gilt als Keimzelle des Staates. Obwohl Gnesen in den beiden letzten Weltkriegen nicht zerstört wurde, sind Eindrücke auf der Durchfahrt per Bus nicht beeindruckend. Sehenswert ist die Kathedrale St. Johannes der Täufer, deren Besichtigung diesen Stopp motiviert.
Besichtigung der Kathedrale St. Johannes der Täufer in Gnesen - Fotoserie
Gnesen (Gniezno) ist eine der ältesten Städte Polens und war bis 1320 Krönungsort polnischer Könige. In der Gegenwart ist Gnesen eine wirtschaftlich und politisch relativ unbedeutende Stadt. Die Bedeutung von Gnesen als kulturelles Zentrum begründen mehrere historische Sachverhalte:
- 1000 wurde mit dem Akt von Gnesen das erste Erzbistum im Gebiet des heutigen Polen gegründet.
- 1025 fand in Gnesen die Krönung von Bolesław I. Chrobry zum ersten König von Polen statt.
- 1163 siedelten sich im Rahmen der Kreuzzüge Ritter des Ordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem in Gnesen an.
- 1243 stifteten Przemysław I. und Bolesław VI. der Fromme Kirche und Kloster von Gnesen. Obwohl die Christianisierung Polens längst stattgefunden hatte und damit der päpstliche Missionsauftrag an den Deutsche Orden obsolet war, beabsichtigte der Orden eine Ausdehung des Deutschordensstaates und zerstörte in Konflikten mit dem Königreich Polen 1331 dessen kulturelles Zentrum Gnesen einschließlich der sakralen Bauwerke.
- Unmittelbar nach der Zerstörung begann der Wiederaufbau der gotischen Hallenkirche St. Johannes der Täufer (Kościół rektorski św. Jana Chrzciciela w Gnieźnie).
Herausragende Sehenswürdigkeiten der gotischen Kirche von Gnesen sind
- die Gnesener Bronzetür des Südportals,
- gotische Wandmalereien des 14. Jahrhunderts,
- ein barocker Reliquienschrein mit vermeintlichen Reliquien des Heiligen Adalbert von Prag (956-997), 2. Bischof von Prag.
Das Jahr 999 der Kanonisierung des Heiligen Adalbert von Prag ist unsicher. Adalbert gilt als Schutzpatron von Böhmen, Polen, Preußen. Zahlreiche Kirchen sind Adalbert gewidmet. Zur historischen Entwicklung Gnesen trug die Verehrung Bischofs Adalbert und dessen Heiligsprechung als erster Heiliger Polens maßgeblich bei.
Christlicher Eifer bescherte Adalbert ein unstetes Leben mit zahlreichen Konflikten und gestattete selbst seinen Gebeinen keine Ruhe. Als Bischof von Prag machte sich Adalbert mit Reformeifer und Sittenstrenge beim Klerus und Adel derart unbeliebt, dass er sein Amt niederlegte und in ein Benediktinerkloster bei Rom flüchtete. In Rom traf Adalbert auf Kaiser Otto III. und freundete sich mit ihm an. Papst Johannes XV. schickte Adalbert zurück. Nach zwei Durchgängen dieses Prozesses und zunehmenden Konflikten hatte Adalbert die Nase voll vom Bischofsamt. Er verließ sein Bistum und entschloss sich zur Missionstätigkeit der Prußen im heutigen Baltikum, in dem es noch stressiger wurde. Prußen wollten nicht missioniert werden und empfingen Adalbert unfreundlich. Sie schlugen und töten ihn nach wenigen Tagen der Missionstätigkeit.
Laut Legende löste Bolesław I. Chrobry noch als Herzog, den Leichnam gegen Gold aus und brachte ihn nach Gnesen zur Beisetzung in der Vorgängerkirche. Im Jahr 1000 soll Kaiser Otto III. nach Gnesen zu Adalberts Grab gepilgert sein, woraus der Akt von Gnesen und 25 Jahre später die Krönung des ersten polnischen Königs Bolesław I. Chrobry resultieren. Otto III. kehrte nicht mit leeren Händen heim. Er nahm Teile der Reliquien mit und teilte sie zwischen dem von ihm gegründeten Adalbertstift in Aachen und der Kirche San Bartolomeo all’Isola in Rom auf. In Gnesen verbliebene Reliquien entführte der böhmische Herzog Břetislav I. nach Prag, wo sie im Veitsdom beigesetzt wurden. Wenn überhaupt, befinden sich in Gnesen nur noch Reste, was der kostbare silberne Schrein auf dem Hochalter überspielt.
Das Highlight unserer Besichtigung ist die Gnesener Bronzetür. Die Tür befindet sich hinter einem relativ kleinen Vorraum und kann nicht geöffnet bzw. durchschritten werden. Um die Tür zu besichtigen, sind kostenpflichtige Anmeldungen in Zeitfenstern von jeweils 15 Minuten erforderlich. Guide Aleksandra hat die Anmeldung vor dem Besuch organisiert. Bei der Besichtigung zeigt sich Aleksandra bestens informiert über die Ikonographie der Darstelllungen und das historische Umfeld. 18 Reliefs der Tür beschreiben bildhaft im romanischen Stil das Martyrium des heiligen Adalbert gemäß Legende (Ökomenisches Heiligenlexikon: Adalbert von Prag). Die Entstehung der Tür wird auf den Zeitraum 1160-1180 datiert. Zusammenhänge mit dem Hildesheimer Dom werden aufgrund von Ähnlichkeiten der Türgestaltung vermutet. Die Hildesheimer Bernwardstür ist ca. 50 Jahre älter. Möglicherweise gab es eine gemeinsame Vorlage. Als ältere Vorbilder kommen Bronzegusstüren der Aachener Pfalzkapelle, des Mainzer Doms und weitere Türen in Frage.
Rückkehr nach Deutschland
Um 16:00 Uhr treffen wir in Berlin ein und übernachten wie schon auf der Hinreise im Intercity Hotel
am Hauptbahnhof. Bei 30 Grad Außentemperatur möchten wir keine längeren
Wege gehen und nehmen das Abendessen im Restaurant Vapiano am
Hauptbahnhof ein. Morgen setzen wir um 8:30 Uhr die Rückreise mit dem Zug nach
Köln fort.
8.06.2023: Reise von Danzig via Marienburg nach Thorn
Panorama der Westseite der Marienburg am Ufer der Weichsel (2004, Wikimedia Commons Lizenz) |
Geschichte der Marienburg
Die Marienburg (Ordensburg) (Zamek w Malborku) wurde im 13. Jahrhundert als Stammsitz und Machtzentrum des Deutschen Ordens an der Nogat errichtet, einem Mündungsarm der Weichsel, und war von 1309 bis 1454 Sitz der Hochmeister des Ordens im Deutschordenstaat. Die Burganlage zählt zu den größten Burgen gilt weltweit als die größte in Backteinbauweise errichtete Burg. Die Größe ist als Symbol der Macht des Ordens zu verstehen. Die von mehreren Mauerringen, Toren, Zugbrücken und Wassergräben gesicherte Burg war auf Selbstversorung ausgerichtet und konnte langen Belagerungen standhalten. Militärisch wurde die Burg nie erobert.
Die Anlage vermittelt Eindrücke von Macht und Reichtum des Ordens, die dieser mit Segen von Papst und Kaiser unter dem Vorwand der Christianisierung slawischer Völker vom 13. Jahrhundert bis zum Beginn des 15. Jahrhundert entwickeln und mit ca. 100 Ordensburgen im Machtraum absichern konnte. Hierarchische Strukturen verdängen Vorstellungen von Egalität der Menschen in Frühgeschichte. Eine Karriere als Ordensritter setzte eine adlige Abstammung voraus. Heiden galten als nicht vollwertige Menschen, sondern als tierähnliche Wilde. Taufe gab ihnen die Chance zu einer vermeintlich menschenwürdigen Entwicklung. Wer sich nicht taufen lassen wollte, wurde gemäß geltender Regeln
beraubt, erschlagen oder versklavt, selbstverständlich nicht sündhaft, sondern im behaupteten Interesse eines christlichen Gottes, der Verteidiger des rechten Glaubens im Diesseits mit Wohlstand und Ruhm sowie im Jenseits mit einer Freikarte für ein ewiges Leben im paradiesischen Himmel belohnt. Diese Perspektiven zogen zahlreiche Ordensritter an, denen in ihren Herkunftsgebieten eine Exitenzgrundlage fehlte.
Kurz- und mittelfristig stellten sich bald Erfolge ein. Längerfristig ging die Rechnung nicht auf, weil sie an menschlichen Schwächen scheiterte und Betroffene der Ordensaktivitäten Gegenstrategien entwickelten. Macht ermöglicht Reichtum. Mit wachsender Macht und zunehmendem Reichtum nahmen Gier nach mehr Macht und größerem Reichtum zu und wurden dem Orden zum Verhängnis. Bedrängte, unterdrückte, ausgebeutete Völker motivierte Dominanz des Ordens entgegen üblicher Feindschaft zu Koalitionen, die dem Orden 1410 in einer der größten Schlachten des Mittelalters bei Tannenberg (Grunwald) eine vernichtende Niederlage zufügten, von der sich der Orden nicht mehr erholte. Im Dreizehnjährigen Preußischen Krieg vermochte sich der Orden 1454 zwar einer gegnerischen Koalition zu erwehren, er konnte aber seine Söldnertruppen nicht bezahlen. Um seine Haut zu retten, verpfändete der Hochmeister des Ordens die Marienburg an seine Söldner, die die Festung an den polnischen König verkauften. Die Art dieses Prozesses kommt uns bekannt vor. Europäische Kultur
befindet sich seit ihrer Ende des 15. Jahrhunderts einsetzenden
Expansion auf einem ähnlichen Weg, dessen Fortsetzung unsicher ist.
Besichtigung der Marienburg - Fotoserie
Die Marienburg wurde im 2. Weltkrieg zu 60 % zerstört und ab 1951 zunächst vom polnischen Staat und später mit Fördermitteln der EU restauriert. Zahlreiche helle Flecken im Mauerwerk zeigen deutlich bei der Reparatur gefüllte Lücken. Der Wiederaufbau war politisch und kulturhistorisch hoch umstritten. In der Gegenwart ist die überwiegend als Museum genutzte Burg seit 1997 ein UNESCO Weltkulturerbe sowie als historisches kulturelles Monument Polens gelistet und gilt als eine der Top-Sehenswürdigkeiten Polens, die viele Besucher anzieht. Gestern haben in der Anlage 100 Gruppenführungen stattgefunden, berichtet Theresa, unser bestens informierter Guide in der Burganlage. Am heutigen Fronleichnamstag ist der Andrang deutlich schwächer, aber auf eine Besichtigung des Innenraums der Marienkirche müssen wir wegen sakraler Veranstaltungen verzichten.
Rundgang in Thorn und Abendessen in der Altstadt - Fotoserie
Thorn (Toruń) liegt im Flusstal der Weichsel in der Woiwodschaft Kujawien-Pommern (województwo kujawsko-pomorskie) und gilt als älteste Stadt Polens. Die historische Bausubstanz ist weitgehend erhalten, weil Thorn während des 1. und 2. Weltkriegs nicht zerstört wurde. Um 15:40 Uhr treffen wir in Thorn am Hotel Filmar für die letzte Übernachtung der Gruppenreise ein. 30 Minuten später brechen wir zu einem Rundgang durch die Altstadt auf, der am Restaurant Karczma Spichrz endet, einer ehemaligen Mühle, in der unsere Reisegruppe ihr letztes gemeinsames Abendessen einnimmt. Das Menü besteht aus tradionellen polnischen Gerichten in kleinen Portionen:
- Polnischer Borscht (Rote-Bete-Suppe als Essenz einer ungebundenen Brühe) mit Teigtasche als Beilage,
- Bigos (Eintopf aus Sauerkraut, verschiedenen Fleisch- und Wurstsorten, variierenden Gemüsezutaten, Kräutern, Gewürzen),
- zweierlei Piroggen (gefüllte Teigtaschen),
- mit einer Mischung aus Reis und Hackfleisch gefüllte Kohlrouladen mit Kartoffelbeilage.
- Bigos (Eintopf aus Sauerkraut, verschiedenen Fleisch- und Wurstsorten, variierenden Gemüsezutaten, Kräutern, Gewürzen),
- zweierlei Piroggen (gefüllte Teigtaschen),
- mit einer Mischung aus Reis und Hackfleisch gefüllte Kohlrouladen mit Kartoffelbeilage.
Gerichte polnischer Küchenklassiker kennen keine festen Rezepte, weshalb die Zubereitung variiert. Hier servierte Varianten sagen uns persönlich nicht zu. Wir vermissen Raffinesse. Alle Gerichte empfinden wir als derb, herb und salzig.
Studiosus-Reisegruppen bedanken sich traditionell für ihre Zufriedenheit mit Guide und Busfahrern mit einem großzügigen Geldgeschenk, das zum Ende der Reise in einem Umschlag mit einer Dankeskarte übergeben wird. Wir beteiligen uns gerne. Wie vorausgegangene Studiousreisen ist auch diese Reise perfekt organisiert und von einer Top-Reiseleitung begleitet. Über den Tag kursieren Umschläge und Absprachen. Das Abschlussessen in Thorn bietet die Gelegenheit zur Übergabe des Geschenks dankbarer Teilnehmer. Unser fitter 89-jähriger Alterspräsident, der beruflich als Arzt praktizierte, übernimmt diese Aufgabe und hat dazu eine launige, kurze Ansprache vorbereitet, in der er berechtigtes großes Lob für Aleksandra und unseren Fahrer ausspricht. Zur Reisegruppe stellt er fest, dass keine Ärzte, Lehrer oder Stinkstiefel auffällig geworden seien. Wie üblich bei Studiosusreisen ist auch in unserer Reisegruppe dieses Klientel vertreten. Aleksandra reicht das Lob zurück und erklärt, dass wir eine sehr nette, interessierte und pflegeleichte Reisegruppe seien. Diesen Aussagen stimmen wir uneingeschränkt zu.
7.06.2023: Besichtigungen in Danzig
Rundgang im historischen Zentrum - Fotoserie
Am Vormittag unternehmen wir als Gruppe einen Rundgang mit mehreren Besichtigungen im Zentrum von Danzig (Gdansk). Man sollte wissen, dass Danzig am Ende des 2. Weltkriegs zu 90 %
zerstört war. Bei historischen Gebäuden im Zentrum der Stadt handelt es
sich daher nahezu immer um Rekonstruktionen, die mit großer Sorgfalt
ausgeführt sind. Da sich Architekturen wie jede Ausprägung von Kultur
über Zeit verändern, ist bei Rekonstruktionen immer zu entscheiden,
welcher Zustand aus welcher Zeit wiederhergestellt werden soll, was oft
dazu führt, dass rekonstruierte Einzelobjekte sich zu einem vermeintlich
historischen Stadtbild zusammensetzen, das in der Realität zu keiner
Zeit bestanden hat. Dieser Sachverhalt ist zwar eher Gegenstand
wissenschaftlicher Diskussionen, aber er bedeutet auch, dass Betrachtern
unter solchen Bedingungen ein historisch nicht korrektes idealisiertes
und geglättetes Bild vermittelt wird. Ob Verzerrungen dieser Art als
Problem zu werten sind, wird kontrovers diskutiert.
Am Vormittag konzentriert sich der von Aleksandra geführte Rundgang auf die Rechtstadt (polnisch Główne Miasto, „Hauptstadt“), deren Gebäude nach Zerstörungen des 2. Weltkriegs weitgehend originalgetreu rekonstruiert wurden, wobei sich die Nutzung der Gebäude überwiegend geändert hat. Im Rahmen dieses Reisetagebuchs auch nur die bedeutendsten der besuchten Stationen sowie deren Architektur und Nutzungshistorie beschreiben zu wollen, wäre ein törichter Versuch, der nur scheitern kann. Erwähnung findet hier lediglich die im 14. Jh. im gotischen Stil auf einem romanischen Vorgängerbau errichtete Marienkirche, die nicht nur weltweit als größte Hallenkirche im Stil der Backsteingotik gilt, sondern auch mit ihrer Ausstattung beeindruckt, von der einige Objekte ursprünglich aus der Johanneskirche stammen, die als Kulturzentrum genutzt wird.
Nur wenige Jahre nach Abschluss des Bauwerks wurde die Marienkirche 1525 protestantisch umgewidmet und der ursprünglich farbig ausgemalte Innenraum mit weißer Farbe überstrichen. Aufgrund der in der Potsdamer Dreimächtekonferenz der Alliierten entschiedenen Westverschiebung Polens wurden nach Vertreibung der überwiegend protestantischen Deutschen aus Danzig in den bis 1945 deutschen Ostgebieten mehr als 2 Millionen Polen aus ehemaligen polnischen Ostgebieten in die neuen polnischen Westgebiete zwangsumgesiedelt. Da Einwohner Danzigs somit wieder überwiegend der katholischen Konfession angehörten, wurde die nach Kriegszerstörung rekonstruierte Marienkirche 1955 katholisch geweiht und 1965 zur Basilica minor erhoben.
Bezüglich Ausstattung der Marienkirche verdienen mehrere Objekte Erwähnung:
- Kopie des Tryptichons Das jüngste Gericht, in dem Hans Memling (um 1435 bis 1495) Visionen aus der Offenbarung des Johannes thematisiert (laut Portal Polish Online kam das Bild als Beutegut eines Kaperschiffes 1473 nach Danzig und wurde der Marienkirche vom Schiffseigner gestiftet),
- der von Michael Schwarz (vermutlich ein Schüler Albrecht Dürers) zwischen 1510 und 1517 geschaffene vergoldete Retabel des Hauptaltars mit Darstellung der Krönung Marias,
- eine astronomische Uhr von Hans Düringer, 15. Jh. (Bericht der Rekonstruktion), zu der die Legende berichtet, dass dem Meister nach Fertigstellung der Uhr die Augen ausgestochen worden seien, damit er nichts ähnlich Schönes an einem anderen Ort erschaffen kann (Danziger Sagenbuch von 1883, Legende 25),
- eine um 1480 geschaffene Bildtafel der 10 Gebote, die zu jedem Gebot gottgefälliges und sündhaftes Verhalten darstellt,
- die Grabplatte des Barockdichters Martin Opitz (1997-1639),
- der rekonstruierte Orgelprospekt einer Renaissance-Orgel.
Besuch des europäischen Solidarność-Zentrums - Fotoserie
Der Nachmittag steht zur freien Verfügung. Wir besuchen das europäische Solidarność-Zentrum am Rand der Danziger Werft. Die Werft wuchs nach dem 2. Weltkrieg zur weltweit fünftgrößten Werft und beschäftigte bis zu 18.000 Mitarbeiter. In der Werft bildete sich eine illegale Gewerkschaftsbewegung, die sich nicht nur für die Verbesserung von Arbeitsbedingungen einsetzte, sondern auch die allgemeine Unzufriedenheit der Bevölkerung mit politischen und wirtschaftlichen Bedingungen aufgriff. Von der Werft nahm die relativ friedlich verlaufende politische Revolution 1970 ihren Ausgang und löste 1989 in Polen einen Systemwechsel aus. In der Gegenwart schrumpft die Werft und hat nur noch ca. 3.000
Mitarbeiter. Auf nicht mehr benötigtem Gelände entsteht derzeit das neue
Stadtviertel Mlode Miasto (Jungstadt) nach dem Vorbild der Hamburger Hafencity (NDR: In Danzig entsteht ein neues Zukunftsviertel).
Politischer Rückblick
Politische Forderungen der Werftarbeiter lösten im ganzen Land einen nur unvollständig kontrollierbaren Flächenbrand aus. General Wojciech Witold Jaruzelski rief von 1981-1983 das Kriegsrecht aus, schränkte Freiheiten und Rechte ein und bat die Sowjetunion in Geheimgesprächen um Unterstützung. Die Angst von einem Eingreifen der Sowjetunion war in der Bevökerung groß, aber der Wunsch nach Freiheit und politischem Neuanfang war größer. Da die inzwischen politisch geschwächte Sowjetunion nicht mehr aktiv in die Konflikte eingriff, wurde der Weg frei für Verhandlungen an einem runden Tisch, die über 2 Monate liefen und demokratische Wahlen ermöglichten. Die kommunistische Partei war siegessicher und scheiterte krachend. Die Gewerkschaft Solidarność gewann 99 von 100 möglichen Sitzen. Die neue Regierung stellte die Weichen für eine politische Neuausrichtung Polens. - BPB: Die Umsturzbewegung in Mittel- und Osteuropa - Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg: Solidarnosc in Polen: Aufstieg und Fall - Wende 1989
Politische Gegenwart
Unter der PiS als Regierungspartei eskalieren aktuell neue Konflikte,
die das Land mit nicht absehbaren Folgen spalten (siehe Schlusskapitel
dieses Posts: Politische und soziale Lage Polens). Die regierende, populistisch agierende rechtskonservative Partei PiS (Prawo i Sprawiedliwość, deutsch: Recht und Gerechtigkeit) versucht auf das Zentrum Einfluss zu nehmen. 2019 forderte der Kulturminister, die Ausstellung um historische Aspekte der PiS zu ergänzen sowie einen vom Ministerium bestellten stellvertretenden Direktor zu installieren. Andernfalls werde die staatliche Förderung von 7 auf 4 Millionen Złoty gekürzt, drohte das Ministerium. Das Management des Solidarność-Zentrums lehnte die Forderung ab und nahm die Kürzung in Kauf. Das Solidarność-Zentrum kann sich auf Solidarität stützen. Fehlbeträge gleichen öffentliche Sammlungen aus.
Besichtigung des Solidarność-Zentrums
Aus Richtung Innenstadt treffen wir vor dem alten Werfttor am Płac Solisarnośći Robotniczej auf ein von Werftarbeitern geplantes und hergestelltes, im Dezember 1980 eingeweihtes Denkmal, das aus 3 jeweils 42 Metern hohen Kreuzen besteht. An jedem der Kreuze hängen Hoffnung symbolisierende schwere Anker. Reliefs an Sockeln des Denkmals zeigen Szenen aus dem Leben der Werftarbeiter. Eine Tafel zitiert Psalm 29 (Lobpreis der Herrlichkeit Gottes) und den Auszug eines Gedichts des Literaturnobelpreisträgers Czesław Miłosz:
»Der du dem einfachen Menschen Unrecht
getan hast und darüber noch lachst,
sei nicht so sicher. Der Dichter merkt es.
Du kannst ihn töten – es kommt ein neuer.«
- Kulturmagazin, 16.08.2004: Nachruf zum Tod von Czesław Miłosz
2007 vereinbarten der Gewerkschaftsbund Solidarność und das polnische Kulturministerium die Entwicklung des Solidarność-Zentrums. 2014 wurde der von der EU mit 51 Mio. Euro gefördert Komplex eröffnet. Die Architektur des Solidarność-Zentrums erinnert an den Schiffsbau in Wertfen. Organisatorisch besteht das Zentrum aus einem Museum der Gewerkschaftsgeschichte mit Café und Shop, dem Zentralarchiv der Gewerkschaft, einer Multimedia-Biliothek sowie einem Bildungszentrum mit Veranstaltungsräumen. Einbezogen in den Komplex sind historische Elemente sowie neu gestaltete Elemente mit historischen Bezügen, wie ein Denkmal für in politischen Konflikten getötete Werftarbeiter, das Werfttor und das Gebäude der Arbeitsschutzhalle der Danziger Werft. Auf dem Dach des Komplexes ist eine Besucherplattform eingerichtet, von der Besucher auf Werft, Stadt und die Großbaustelle Mlode Miasto (Jungstadt) blicken.
Im Eintrittspreis ist ein Audioguide enthalten. Der Besucherpfad führt durch 7 Stationen polnischer Geschichte im besonderen sowie zur universellen Thematik der politischen Gestaltung unserer Welt im allgemeinen. Diese Themen sind von Spaßkultur weit entfernt und sicherlich nicht einfach zu vermitteln, aber das Museum ist sehr gut besucht und wir haben von keinem Besucher den Eindruck, dass er sich langweilen würde. Alle Stationen sind über die Informationsvermittlung hinaus so fesselnd aufbereitet, dass das politische und emotionale Klima der Freiheitsbewegung auch noch nach mehr als 30 Jahren anschaulich wird. Der Ausstellung gelingt es, Besucher derart in historische Szenarien hineinzuziehen, dass Geschichte lebendig wird und Besucher sich als teilnehmende Beobachter wahrnehmen. Besuchern vermittelt das Solidarność-Zentrum eine intensive, bewegende Lehrstunde zu politischer Macht, politischer Verantwortung und Kräften kollektiver Solidarität.
6.06.2023: Reise von Sensburg in Ostpreußen via Heilsberg und Frauenburg nach Danzig
Auf der Reise von der Masurischen Seenplatte (Pojezierze Pruskie) nach Danzig (Gdánsk) in Pommern (Woiwodschaft Pommern) durchqueren wir die historische Provinz des Bistums Ermland (aktuell Województwo warmińsko-mazurskie). Ermland war ab dem 13. Jahrhundert Bistum des Deutschordenstaats. Provinzen des Deutschordens bekannten sich nach der Säkulierung im Jahr 1525 bis auf Ermland zur Reformation und gingen zum lutherischen Glauben über. Ermländische Fürstbischöfe unterstützten die Gegenreformation. Das gestern besuchte Kloster Heiligelinde (siehe 5.06.2023) zeugt von diesen Bemühungen. Bis 1945 blieb Ermland eine katholische Insel.
Heilsberg (Lidzbark Warmiński) - Fotoserie
Heilsberg wurde 1240 vom Deutschen Orden gegründet und war ab 1306 über 500 Jahre Sitz der Fürstbischöfe des Bistums Ermland. Um 1350 begann der Ausbau des Bischofssitzes als einer Burg im gotischen Stil, die seit dieser Zeit in ihrer ursprünglichen Gestalt weitgehend erhalten blieb (Wikipedia: Burg Heilsberg). In der Gegenwart ist die Burg ein Museum mit einer Sammlung überwiegend mittelalterlicher Kunst.
Frauenburg (Frombork) - Fotoserie
Frauenburg ist auf dem ersten Blick ein am Frischen Haff liegender unscheinbarer Ort, dessen erste Erwähnung als Sitz des ermländischen Domkapitels auf das Jahr 1282 zurückgeht. Im 14. Jahrhundert begann auf einem Hügel der Bau der beeindruckenden dreischiffigen Kathedrale Mariä Himmelfahrt und St. Andreas im gotischen Stil, deren Architektur weitgehend im ursprünglichen Zustand besteht. Von der ehemaligen Ausstattung ist ein im Seitenschiff aufgestelltes, ursprünglich zum Hauptaltar gehörender fünffllügeliges Altarretabel eines gotischen Marienaltars erhalten. Mit der gegenreformatorischen Barockisierung der Ausstattung ersetzte im 17. Jahrhundert das Retabel des Hauptaltars ein barockes Retabel. An Säulen des Langhauses sind von feudalen Adelsfamilien gestiftete barocke Ältere aufgestellt.
Im 15. Jahrhundert wurde um den Dom eine burgartige Wehranlage errichtet. Im 17. Jahrhundert erhielt die Kathedrale einen Glockenturm im barocken Stil. Im Untergeschoss des Glockenturms befindet sich ein kleines Planetarium. Darüber ist ein Foucaultsches Pendel angebracht. Von dem über 226 Treppenstufen erreichbaren Aussichtsbalkon des Turms bietet sich ein weiter Ausblick auf die Landschaft.
Der Universalwissenschaftler Nikolaus Kopernikus (1473-1543) war ein Domherr des Fürstbistums Ermland und ist in Frauenburg verstorben. Domherren wurden im Dom bestattet. Kopernikus verfügte eine anonyme Bestattung, sodass seine Grablege lange unbekannt blieb. In jüngerer Zeit wurde nach Kopernikus gesucht und ein Schädel gefunden, der wissenschaftlich gesichert mit hoher Wahrscheinlichkeit Kopernikus zuzuordnen ist. 2010 wurde der Schädel offiziell in der Kathedrale beigesetzt und ein Grabdenkmal eingerichtet.
Ankunft in Danzig (Gdánsk)
Kurz vor Danzig überqueren wir die Weichsel. Damit verlassen wir Ostpreußen bzw. Ermland und befinden uns in Pommern bzw. in der Woiwodschaft Pommern. Durch Danzig fließt der Fluss Mottlau (Motława). In Danzig übernachten wir in der Altstadt. Die Bezeichnung Altstadt besagt, dass es sich um den ältesten Stadtteil von Danzig handelt. Die bedeutendsten kulturhistorischen Sehenswürdigkeiten befinden sich jedoch im angrenzenden Stadtteil Rechtstadt (polnisch Główne Miasto, „Hauptstadt“), der zu Beginn des 15. Jahrhundert nach Magdeburger Recht ausgebaut wurde und von dem das in der Stadt geltende Recht ausging.
Um 18:00 treffen wir am Hotel Mercure Stare Miasto (Fotos), in dem wir für 2 Nächte untergebracht sind. Das Gebäude, ein Hochhaus mit 17 Etagen und 282 Zimmern, zählt zu den höchsten Häusern Danzigs und ist parallel von mehreren Reisegruppen belegt. Unser Zimmer liegt in der 1. Etage und bietet keinen besonderen Ausblick. Am Komfort des Hotels gibt es wenig auszusetzen. Das Essen und Preise der Bar sind o.k.. Lästig ist die Betriebsamkeit im Haus und im Restaurant. Am Ankunftstag nehmen wir das Abendessen im Hotel in Form eines Buffets ein. Für unsere Reisegruppe sind Tische reserviert, aber in Stoßzeiten herrscht am Buffet abends und morgens Gedränge.
5.06.2023: Rundfahrt Masurische Seenplatte
Heute unternehmen wir ab dem Hotel Anek in Mrągowo (Sensburg) eine beschauliche Rundfahrt in der Region der Masurischen Seenplatte (Pojezierze Pruskie). Aktivitäten des Tages sind unterhaltsam und verlangen lediglich geduldiges Sitzen ohne körperliche Anstrengungen.
Wallfahrtskirche Heiligelinde - Fotoserie
Die von Jesuiten im 17. Jahrhundert in der Landgemeinde Święta Lipka errichtete barocke Klosteranlage der Wallfahrtskirche Heiligelinde geht auf eine ältere Marienwallfahrtsstätte zurück. Die Entstehung der Wallfahrtsstätte begründen eine kuriose Legende sowie zahlreiche vermeintliche Wunder, die sich an diesem Ort ereigneten und daher viele Pilger anzogen. Da der polnische Papst Johannes Paul II. diesen Ort selbstverständlich besucht und die Kirche 1983 in den Rang einer Basilica minor erhoben hat, hält der Besucherstrom noch immer an. Naive Frömmigkeit, Neugier und menschliche Bedürfnisse ermöglichen wirtschaftliche Geschäfte, die mit Eintrittsgeldern, Spenden und einem kleinen Museum die Existenz des Klosters sichert und mit Restaurants, Souvenirständen und fliegenden Händlern die Gemeinde überleben lässt.
Barocke Architektur und Ausstattung dieser Größenordnung sind kein Ort kontemplativer Einkehr, sondern dokumentieren gegenreformatorisch entwickelte Strategien der Überzeugung von Menschen mit Mitteln religiöser Propaganda, die sich als Gesamtkunstwerk an emotionale Sinneswahrnehmungen richten. Diese Strategie funktioniert auch noch im Zeitalter multimedialen Dauerfeuers. Immerhin parken im Zeitraum unseres Besuchs 5 Besucherbusse auf dem Klosterparkplatz, der für mindestens 10 Busse ausgelegt ist. Besucher erwartet zu jeder vollen Stunde für 15 Minuten ein kurioses musikalisches Spektakel. Zur vollen Stunde kündigt ein Bruder des Ordens auf polnisch und auf deutsch ein Orgelkonzert an. Ein weiterer Bruder bedient über die für Orgeln typischen Manuale und Register hinaus weitere Schalter, durch die am Orgelprospekt angebrachte Trompetenengel und musizierende Putten im Takt der Musik in Bewegung versetzt werden. Ohne andächtig lauschende Besucher wäre diese skurrile Kirchenkirmes kaum möglich. Einen herumgereichten Spendenkorb ignorieren wenige Besucher.
Museum masurisches Bauernhaus - Fotoserie
Das Privat-Museum masurisches Bauernhaus in Sądry (Zondern) besuchen wir außerhalb des offiziellen Programms. Am Hof begrüßen uns klappernde Weißstörche. In Masuren erblicken wir täglich Störche. 25 % der Storchen-Weltpopulation von 200.000 Paaren brütet in Polen (ca. 50.000 Paare) und mehr als 20 % davon in Masuren.
Eine seit ca. 200 Jahren hier lebende deutsche Bauernfamilie hat vor 20-30 Jahren mit aufkommendem Tourismus begonnen, sich neu zu erfinden und ihren Landwirtschaftsbetrieb sukzessive aufgegeben. Die Familie baute ihren Besitz zu einer Pension mit inzwischen 28 Zimmern aus. In mehreren Funktionsgebäuden des Grundstücks ist aus nicht mehr genutzten historischen Inneneinrichtungen und landwirtschaftlichen Geräten ein sehenswertes bäuerliches Heimatmuseum entstanden. Außenanlagen des Hofs sind zu einem Landschaftsgarten umgestaltet. Unser Besuch ist angemeldet. Ehe wir durch die Sammlung und über das Gelände schlendern, informiert der uns erwartende Chef launig-sympatisch und über die Geschichte von Familie und Hof, die er mit einer Reihe kurioser Witze anreichert.
Stakbootfahrt auf dem Krutynia mit Grill-Imbiss - Fotoserie
In der Nähe von Ruciane-Nida (Nieden) unternehmen wir auf dem Fluss Krutynia eine Stakbootenfahrt, wie sie ähnlich im Spreewald angeboten werden. Die Krutynia ist ein beliebter Kajakwanderweg und gilt als eine der schönsten Kajakrouten Europas (Beschreibung des Ermland-Masuren-Journals: Aus einer anderen Zeit: Stakbootfahrt auf der Krutynia). Schön!
Die ruhige Fahrt durch die bewaldete Wasserlandschaft wäre der Höhepunkt des Tages, wenn nicht nach einstündiger Fahrt am Anlegeplatz ein Grillessen als Abendessen anschließen würde. Vorbereitet sind das polnische Nationalgericht Bigos, gegrillte Schweineschnitzel, Brot, Schmalz, Salzgurken und Kuchen. Eine schmackhafte Wurst kann jeder am Lagerfeuer selbst grillen. Zu trinken gibt es Mineralwasser, Bier und ein Gläschen Bärenfang. Ein Akkordeonspieler begleitet die Gruppe musikalisch und fordert uns nach dem Essen zum Gesang auf. In ausgelassener Stimmung greifen Teilnehmer die Anregung willig auf, sodass wir trotz mangelhafter Textsicherheit gemeinsam etliche Volkslieder anstimmen. Gegen 19:00 Uhr treten wir bestens gestimmt die Rückfahrt an. Lecker, lustig, unterhaltsam!
Alt Kelbonken (Stare Kiełbonki) - Fotoserie
Auf einer Masurenkarte ist zu erkennen, dass in der Nähe unserer Rückfahrtroute das Dorf Stare Kiełbonki (Alt Kelbonken) liegt. Alt Kelbonken ist kein Ort, den man gesehen haben muss, aber in dem Dorf ist eine meiner Großmütter (Vaters Stiefmutter) aufgewachsen, Oma Minna (Wilhelmine). Aufgrund meines Wunsch nimmt der Bus auf der Rückfahrt zum Hotel einen kurzen Umweg, damit ich Fotos aufnehmen kann. Obwohl Details zur genauen Wohnlage nicht bekannt sind, ist der Ort erinnerungswürdig.
4.06.2023: Reise von Warschau zur Masurischen Seenplatte - Fotoserie
Auf der heutigen Etappe nach Masuren (masurisch Mazurÿ, polnisch Mazury) haben wir uns nur wenig selbst bewegt. Masuren ist keine politische Bezeichnung, sondern der Name einer
Landschaft, deren Grenzen nicht exakt bestimmbar sind. Politisch gehört
Masuren in der Gegenwart zu Woiwodschaft Ermland-Masuren (Województwo warmińsko-mazurskie).
Auf der Etappe legen wir einen Zwischenstopp in Ruciane-Nida (Nieden) ein. Der Ort liegt 70 km östlich von Olsztyn (Allenstein) und 16 km südlich von Mikołajki (Nikolaiken) in der Masurischen Seenplatte (Pojezierze Pruskie) und inmitten der Puszcza Piska (Johannisburger Heide), zwischen dem Jezioro Guzianka Mała (Kleiner Guschiener See) und dem stark gekrümmten Jezioro Nidzkie (Niedersee). Von Ruciane-Nida bringt uns ein Fahrgastsschiff in 2-stündiger Fahrt nach Mikołajki (Nikolaiken), ein touistisches Zentrum der Region. Ab Mikołajki nutzen wir wieder den Bus für die Reststrecke zum Ziel in Mrągowo (Sensburg).
In Mrągowo (Sensburg) wohnen wir für 2 Übernachtungen im Hotel Anek am Czos-See der Sensburger Seenplatte. Das Hotel ist einfach (3 Sterne), aber es liegt sehr schön am See und verfügt über eine attraktive Außenterrasse. Am Tag der Ankunft nehmen wir das Abendessen im Hotel ein. Das große Bier mit 0,5 l kostet hier 12 Złoty (ca. 2,70 €). Für 0,15 l Wein werden 15 Złoty (ca. 3,40 €) berechnet. Nach dem Aufenthalt in Warschau empfinden wir diese Preise als bemerkenswert günstig. Warschau ist bekannt und berüchtigt für hohe Preise. Unser mit 5 Sternen dekoriertes Warschauer Hotel Victoria legt noch etwas drauf. Für 0,3 l Bier hätten wir dort 27 Złoty (ca. 6,10 €) bzw. 50 Złoty (ca. 11,10 €) für 0,15 Wein gezahlt. Allerdings haben wir aufgrund der Preise in Warschau auf Bier oder Wein verzichtet. Wein ist in Polen ohnehin von eher fragwürdiger Qualität.
Rückblick
Bis 1945 hieß Mrągowo mit deutschem Namen Sensburg und gehörte zum Landkreis Sensburg. Oma Minna, Wilhelmine Gonswa, Vaters Stiefmutter, ist in Neu Kelbonken (Nowe Kiełbonki) geboren, ein winziges Dorf mit weniger als 100 Einwohnern, das nicht einmal über eine Kirche verfügte. Das Dorf gehörte zur Landgemeinde Peitschendorf (Piecki) im ehemaligen Kreis Sensburg, Regierungsbezirk
Gumbinnen. Omas Geburt hat das Standesamt des Kirchspiels Aweyden beurkundet (Wikipedia: Nawiadi). Über die Familie Gonswa sowie über Umstände und Zeitpunkt von Wilhelmines Migration in das Ruhrgebiet sind keine Informationen hinterlassen. Zeitzeugen sind bereits verstorben.
Giselas Mutterfamilie lebte in Allenstein (Olsztyn) und ist gegen Ende des 2. Weltkrieges im großen Treck nach Westen geflüchtet, um nicht der vorrückenden sowjetischen Armee in die Hände zu fallen.
3.06.2023: Halbzeit in Warschau
Königsweg, Altstadt, Neustadt - Fotoserie
Nach dem Frühstück unternehmen wir zu Fuß einen 6-stündigen Rundgang durch das Zentrum von Warschau. Vom Hotel erreichen wir nach wenigen Minuten den Königsweg, auf dem wir in Richtung Altstadt gehen. Den Weg säumen zahlreiche Kirchen, Schlösser und Denkmäler, die im 2. Weltkrieg nahezu vollständig zerstört wurden und in Trümmer lagen. Nach dem Krieg wurden historische Gebäude der Altstadt und Neustadt aufwändig rekonstruiert. In der beschränkten Zeit können wir uns lediglich einen Eindruck verschaffen. Von innen schauen wir uns die Johanneskathedrale an. Kurz nach der Kathedrale erreichen wir den Altstadtmarktplatz, auf dem eine Skulptur der Warschauer Seejungfer aufgestellt ist, um die sich die Gründungslegende von Warschau rankt. Altstadt und Neustadt trennt ein historischer Graben, an dem ein Abschnitt der mittelalterlichen Stadtmauer mit einem Barbakan rekonstruiert ist.
Ghetto-Aufstand, Kniefall Williy Brandt, Polin Museum der Geschichte polnischer Juden - Fotoserie
Vom ehemaligen jüdischen Warschauer Ghetto ist im Gelände am Rand der Neustadt nichts mehr erhalten. Im Ghetto lebten bis zu mehr als 500.000 Menschen unter absolut unwürdigen und höchst prekären Bedingungen. 1943 organisierten im Ghetto gefangene Juden einen am 19. April 1943 beginnenden Aufstand. Auf jüdischer Seite hatten ca. 750 Personen mit kümmerlicher Ausrüstung keine Chance gegen deutsche Soldaten. Am 16. Mai 1943 war der Aufstand niedergeschlagen. Die meisten Ghetto-Kämpfer überlebten den Aufstand nicht. Insgesamt starben während des Aufstands 12.000 Menschen. Weitere ca. 40.000 Menschen wurden nach dem Aufstand ermordet (Wikipedia: Aufstand im Warschauer Ghetto). Auf deutscher Seite kämpfende und an Massenexekutionen beteiligte Männer sprach das Landgericht Dortmund 1954 vom Mordvorwurf frei (Wikipedia: Warschauer Ghetto).Auf dem Gelände des ehemaligen Ghettos wurde 1948 ein Ehrenmal (offiziell: Denkmal der Helden des Ghettos) errichtet, an dem Willy Brandt am 7. Dezember 1970 im Rahmen eines Staatsbesuchs den Kniefall von Warschau vollzog, dessen Symbolik damals stark umstritten war, aber nachträglich als eine bedeutende Geste der Versöhnung gewertet wird. Im Jahr 2000 wurde der Kniefall mit einem eigenen Denkmal gewürdigt und das Gelände um das Denkmal in Willy-Brandt-Platz benannt.
2014 wurde das Polin Museum der Geschichte polnischer Juden auf dem Gelände des ehemaligen Ghettos errichtet. Am Museum löst sich unsere Gruppe auf. Wir gestalten den Besuch des Museums und den weiteren Ablauf des Tages in Eigenregie. In Kurzform können Details der Ausstellung des Museums nicht angemessen beschrieben werden, weshalb sich dieser Bericht auf allgemeine Eindrücke beschränkt. Wir kennen viele Museen und auch historische Museen, aber wir kennen kein vergleichbar gelungenes Museumskonzept, das uns in jeder Hinsicht außerordentlich positiv beeindruckt. Das Museum ist ein Gesamtkunstwerk, dessen Architektur bereits begeistert. Jeder Besucher wird mit einem Audioguide ausgestattet. Diese erkennen, wo sich Besucher gerade befinden und rufen die passenden Kommentare ab, die auch ohne Vorkenntnisse verständlich sind und nie zu kurz oder zu lang ausfallen. Das Führungskonzept durch 8 chronologisch und thematisch geordnete Galerien macht ein scheinbares Labyrinth zum Kinderspiel. Exponate regen zum Verweilen bzw. zu intensiver Betrachtung und zur Reflexion an. Lichtregie und Akustik sind auf die jeweiligen Themen abgestimmt. Das gelungene Konzept zieht am heutigen Samstag trotz der sperrigen Thematik erstaunlich viele Besucher an.
Rest des Tages
Vom Museum gehen wir auf der Route des Hinwegs zurück zum Hotel. Auf dem Königsweg tummeln sich viele Menschen, die ein Umzug mit Musik- und Kostümgruppen anzuziehen scheint. Kostüme verweisen auf die Legende der Warschauer Seejungfer. Zu weiteren Sachverhalten des Umzugs finden wir keine Informationen.
Da am Abend kein gemeinsames Abendessen vorgesehen ist und Restaurants im Zentrum von Warschau hochpreisig sind, schauen wir nach Einkaufsoptionen für ein Stück Kuchen und für unseren Abendimbiss. Diese Aufgabe ist schwieriger als erwartet zu lösen. Auf dem Weg treffen wir weder auf Bäckereien noch auf Lebensmittel-Supermärkte der uns bekannten Art. Vielleicht übersehen wir sie auch, weil wir keine Hinweise sehen oder Hinweise nicht erkennen. Mit etwas Mühe werden wir doch noch für unsere Selbstversorgung fündig und verbringen den Rest des Tages im Zimmer des Hotels mit Ergänzungen dieses Reisetagebuchs. Zu Ruhe kommen wir erst nach Mitternacht. Bis 02:00 Uhr unterhält uns unerwünscht laute Technomusik, die aus einer nahe liegenden Location dröhnt und jeden Schallschutz überwindet. Das Hotel empfinden wir zu Unrecht mit 5 Sternen dekoriert. Wir ziehen 2 Sterne ab.
02.06.2023: Reise von Krakau nach Warschau
Einkäufe in der Markthalle Kleparz - Fotoserie
Ehe wir Krakau endgültig verlassen, steuern wir am Rand der Altstadt im Stadtteil Kleparz die Markthalle an. Unser Bus setzt uns am Grunwalddenkmal ab, das ursprünglich 1910 anlässlich des 500. Jahrestages der Schlacht bei Tannenberg (1410) eingeweiht wurde. Während deutscher Besetzung Polens zerstörten deutschen Truppen das Denkmal. 2010 wurde eine Rekonstruktion aufgestellt. In Richtung Zentrum befindet sich einige Meter weiter der erhaltene Krakauer Barbakan, der das Florianstor der Krakauer Stadtmauer sicherte.
Aleksandra teilt die Gruppe in 6 Untergruppen ein und verteilt in einem Umschlag Einkaufsaufgaben und jeweils 30 bis 60 Złoty für Einkäufe zu einem Picknick in der Mittagszeit, das wir nach dem Besuch des Schlesischen Museums in Kattowitz improvisieren. Die Idee der Organisation eines Picknicks wird von der Gruppe gerne und lebhaft aufgenommen. Unserer Gruppe bewältigt engagiert den zugeteilten Broteinkauf. Der Markt kann sich mit dem Münchener Viktualienmarkt messen und lohnt auch ohne Einkäufe eine Besichtigung. Die Zusammenstellung und das Picknick erweisen sich als großer Erfolg. Ein Schlückchen Wodka darf natürlich nicht fehlen. (Polen lieben Diminutive und verkleinern alles.) Den Wodka hat Aleksandra organisiert.
Besuch des Schlesischen Museums in Kattowitz - Fotoserie
Der Neubau des Schlesiens-Museums auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Ferdinand bei Kattowitz (Katowice) wurde 2015 eröffnet. Eine über mehrere Etagen in die Tiefe führende mutige Architektur und das moderne Ausstellungskonzept ohne strenge Gliederung erinnern uns an moderne Museen in Antwerpen und in Marseille. 5 Dauerausstellungen plus Sonderausstellungen werden auf 6000 qm Fläche gezeigt. Da wir für den Besuch nur eine Stunde Zeit haben, konzentrieren wir uns auf Ausstellungen schlesischer Geschichte und polnischer Malerei des 19. und 20. Jahrhunderts. Das Museum ist einen Besuch unbedingt wert. - WELT: Das Schlesien-Museum, das die Nazis nicht wollten
Ankunft in Warschau
Um 18:00 Uhr erreichen wir in Warschau unsere Unterkunft der beiden nächsten Tage, das Hotel Viktoria im Zentrum, von dem die morgen zu besichtigende Altstadt zu Fuß erreichbar ist.
01.06.2023: 2. Tag Krakau: Freizeit in Selbstorganisation
Da wir gestern das ursprünglich für heute vorgesehene Programm bereits absolviert haben, gestalten wir den heutigen Tag in Eigenregie mit Rundgängen im Krakauer Stadtteil Kazimiers und der Altstadt Stare Miasto. Am Abend besucht die Gruppe ein Restaurant des jüdischen Viertels, in dem jüdische Gerichte und Klezmer Musik geboten werden.
Spaziergang durch die Altstadt Krakau - Fotoserie
In der Altstadt schlendern wir ab dem Wawel (siehe Vortag) entlang dem innerstädtischen Königsweg (touristischer Rundgang). Am Anfang des Königsweges treffen wir auf die romanische Andreaskirche mit barockisierter Ausstattung, neben der sich die barocke Jesuitenkirche Peter und Paul befindet, vor der Statuen der 12 Apostel aufgestellt sind. Ein kurzes Stück westlich des Königsweg steht die in Architektur der Backsteingotik errichtete Franziskanerbasilika, in die wir einen Blick werfen. Am Marktplatz treffen wir auf die Adalbertkirche, älteste Kirche Krakaus. Östlich des zentralen Hauptmarkts Rynek Główny dominiert die Architektur der gestern besichtigten Marienbasilika die benachbarte kleine Barbarakirche. Wir folgen dem Königsweg bis zum Florianstor, das als einziges Stadttor Krakaus mit einem Abschnitt der mittelalterlichen Stadtmauer erhalten ist.
In der Mittagszeit findet im Zentrum der Altstadt auf dem Hauptmarkt Rynek Główny am Adam Mickiewicz Denkmal täglich in der Mittagszeit eine Solidaritätsaktion statt, die mit Musik und Gesang auf die politische Situation der Ukraine aufmerksam macht. Eindrücke vermittelt ein kurzer Clip.
Rundgang in Kazimierz (jüdisches Viertel) - Fotoserie
Unser Hotel Hotel Golden Tulip befindet sich im unmittelbar an die Altadt grenzenden Stadtteil Kazimierz, in dem auch das jüdische Viertel liegt. Kazimierz liegt östlich der Hauptstraße Starowiślna und war von 1335 bis 1800 eine eigenständige Stadt. Den Rundgang beginnen wir im historisch christlichen Viertel westlich der Starowiślna und besuchen den östlichen Teil gegen Ende des Rundgangs und am Abend.
Neben der gotischen Augustinerkirche (Katharinenkirche) befindet sich die Kapelle des St. Rita Rosariums, in dem ein Marien-Wunderbild verehrt wird. Ursprünglich galt die Verehrung einer Figur der hl. Rita, die in besonders schweren und hoffnungslosen Situationen um Fürbitte angerufen wurde.
Die Paulanerbasilika (Skałka) gilt als das polnische Pantheon. In der Krypta sind eine Reihe prominenter Polen bestattet. Wikipedia: Skałka:
Außerhalb der Kirche befindet sich der Brunnen des Heiligen Stanislaus. Der Legende nach warf König Bolesław in diesem Brunnen den zerstückelten Leichnam des Bischofs, der sich auf wundersame Weise wieder zusammensetzte. Das Wasser des Brunnens wird Pilgern zum Trinken gespendet.
Das jüdische Viertel von Kazimierz war ursprünglich ein von einer Stadtmauer umgebenes Ghetto. Die Mauer wurde 1822 abgetragen. In Kazimierz befinden sich mehrere Synagogen, u.a. die Tempel-Synagoge und die zum Museum umgewidmete Alte Synagoge sowie ein jüdischer Friedhof und ein jüdisches Kulturzentrum. Synagogen und Friedhof sind nicht frei zugänglich. Hauptplatz des Viertels ist die Szeroka-Straße, die ehemals von 4 Synagogen umgeben war. Szenen in Spielbergs Spielfilm Schindlers Liste (1993) machten die Straße international bekannt. In der Gegenwart reihen sich an der Straße etliche Restaurants auf, u.a. das Klezmer Hois, in dem wir das Abendessen einnehmen. Gegen Ende des Spaziergangs genießen wir neben dem jüdischen Kulturzentrum unter einer Kastanie des Biergartens Mleczarnia (Molkerei) ein kühles Bier.
Dinner im Restaurant Klezmer Hois im jüdischen Viertel Kazimierz - Fotoserie
Das Klezmer Hois an der Szeroka Straße ist zugleich ein Buchladen und nicht nur mit Büchern vollgestopft, sondern auch sonst mit plüschiger Innenausstattung überladen. Wände sind mit zahlreichen historischen Fotos und Drucken dekoriert. In dieser skurril wirkenden Atmosphäre wird ein nicht koscher zubereitetes Menü mit Gerichten nach jüdischen Rezepten auf völlig überdekoriertem Geschirr gereicht, das keine Gourmet-Ansprüche erhebt, aber durchaus schmackhaft ist:
- Gefillte Fisch (Karpfen) und Rote Betemus
- Steinpilzsuppe
- Ente, Polenta, geschmortes Kohlgemüse
- Quarkküchlein
Gegen Ende des Menüs unterhält uns eine mit Akkordeon, Querflöte, Kontrabass besetzte Musikgruppe mit jüdischer Klezmer Musik, die uns besser als das Essen gefällt. Nach dem Vortrag sammelt die Gruppe kein Geld, sondern bietet eine eigene CD zum Verkauf an. CD's gehen wie warme Semmeln weg. Selbstverständlich erstehen wir eine CD.
31.05.2023: 1. Tag in Krakau und Umgebung
Eine Studienreise ist keine Erholungsreise und keine reine
Vergnügungsreise, sondern eine manchmal durchaus anstrengende
Bildungsreise. Heute ist so ein Tag. Wir brechen um 8:45 Uhr am Hotel
auf und sind um 21:00 Uhr zurück im Hotel. Von 12 Stunden waren wir
ungefähr 7 Stunden zu Fuß unterwegs. Die Apple Watch eines Teilnehmers
gibt 12 km zurückgelegte Strecke an. Das ist keine gewaltige Distanz und wäre bei einer Wanderung im flachen Gelände kaum der Rede wert, aber 7 Stunden Stop-and-go von Besichtigungen erzeugen eine völlig andere Belastung. Wegen der Busreisen und Führungen
haben wir trotz des sonnig-warmen Wetters über den Tag lediglich eine
Tasse Kaffee getrunken und ein Stück Kuchen gegessen. Bei Rückkehr im Hotel empfinden wir uns wie
ausgetrocknet. Zum Glück hat die Küche des Hotel-Restaurants noch nicht
geschlossen und die Bar ebenfalls nicht. Um 22:00 Uhr sinken wir ins
Bett und fallen in Tiefschlaf.
Besichtigung der Altstadt Krakau - Fotoserie
Am
Morgen brechen wir um 9:00 Uhr zu Fuß am Hotel auf und besichtigen bis
zum Mittag die Altstadt von Krakau. Da in Krakau nur zertifizierte
Stadtführer Gruppen führen dürfen, vertrauen wir uns Wanda an, die ihre Sache gut macht. Der ostpreußische Akzent von Wandas Deutsch erinnert uns an unserer Vorfahren.
Katyn-Lüge
Unterhalb des Burghügels Wawel schauen wir in der Altstadt zur Ägidiuskirche, vor der ein Katyn-Kreuz
aufgestellt ist, das an 4400 zur polnischen Intelligenz gehörenden polnische Reserveoffiziere
erinnert, die von der sowjetischen Geheimpolizei NKWD 1940 in einem Wald bei dem Dorf Katyn ermordert wurden (Wikipedia: Massaker von Katyn - WELT: Massaker von Katyn). Katyn ist lediglich das bekannteste einer ganzen Reihe von NKWD-Massakern, bei denen 22.000 - 25.000 Personen der polnischen Intelligenz getötet wurden. Genauere Zahlen sind nicht zu ermitteln, weil die russische Regierung entsprechende Archive bis heute nicht freigibt. Die Sowjetunion leugnete bis 1990 ihre Verantwortung und verfälschte
historische Fakten. Dieser in Polen als 'Katyn-Lüge' bekannte Sachverhalt hat polnisches Vertrauen in sowjetische Politik bis heute nachhaltig verhindert. (Wikipedia: Massaker von Katyn - WELT: Massaker von Katyn)
Unser erstes Zwischenziel ist der Schlossberg Wawel am Ufer der Weichsel. Auf dem Wawel befand sich von 1040-1795 die Residenz der polnischen Könige sowie neben einigen anderen historischen Gebäuden die als
polnisches Nationalheiligtum geltende Wawel-Kathedrale, Krönungsort aller polnischen Könige und Begräbnisstätte der
meisten polnischen Könige. Ein Besuch des Wawel ist für jeden Polen eine heilige Pflicht. Das von zahllreichen geführten Gruppen erzeugte erinnert uns an
den Besuch der Akroplis von Athen (Post 21.09.2019).
Gegen
Endes des Schuljahres sind insbesonders viele Schulklassen unterwegs. Wanda kennt die üblichen Routen von Gruppenführungen und lotst uns gegen den Strom durch das Gelände.
Zur Zeit der Renaissance war Krakau Hauptstadt der größten europäischen Kontinentalmacht. Krakau und der Wawel erlebten unter dem Königsgeschlecht der Jagiellonen ein Goldenes Zeitalter. Beauftragte Florentiner und Mailänder Architekten und Künstler bauten das Schloss auf dem Wawel zur prächtigsten Residenz in Europa aus, die Vorbild zahlreicher Residenzen in ganz Europa wurde. Vergoldete Dachziegel und Säulen des Königsschlosses symbolisierten die Macht der Könige. 300 in Arras aus Goldfäden gewirkte Wandteppiche des Schloss bildeten das weltweit größte Ensemble dieser Art. Die Blüte des Schlosses endete mit einem großen Brand im Jahr 1595. 1596 wurde die Residenz nach Warschau verlegt. Nach dem 30-jährige Krieg plünderten Schweden 1672 und 1702 das Schloss. 1794 besetzten Preußen das Schloss und raubten den Kronschatz. Die Sammlung der Wandteppiche raubten russische Truppen für den Zarenhof. Von ursprünglich mehr als 300 Wandteppichen kehrten weniger als die Hälfte auf den Wawel zurück. Aber selbst diese bilden in dieser Qualität und Dichte eine einzigartige Sehenswürdigkeit (Wikipedia (englisch): Jagiellonian tapestries).
In der Altstadt führt unser Weg zunächst zum alten Hauptgebäude Collegium Maius
der 1364 vom polnischen König gestifteten Universität (nach Prag die
zweitälteste Universität in Mitteleurpa), zu deren berühmtesten
Studenten Nikolaus Kopernikus (1473-1543) zählt. Am quadratisch angelegten zentralen Hauptmarkt Rynek Główny
schlägt das Herz der Altstadt. Mit 200 m Seitenmaß handelt es sich um
einen der größten mittelalterlichen Plätze Europas. Auf dem Platz
erstrecken sich in Renaissance-Architektur die Tuchhallen,
in denen ehemals englische und flämische Tuche gehandelt wurden. In der
Gegenwart sind in den Hallen schrottige Nippes- und Souvenirstände
aufgereiht, die viel Publikum anziehen. Neben den Tuchhalten erhebt sich
der Rathausturm des im 13. Jahrhundert gebauten Rathauses. Das Rathausgebäude wurde im 19. Jahrhundert wegen Baufälligkeit abgetragen.
Umgeben ist der Markt von Palästen im Renaissance-Stil und von mehreren Kirchen, u.a. mit der Adalbertkirche die älteste Kirche Kraukaus sowie die Marienbasilika
in gotischer Architektur, die zu den bedeutendsten Bauwerken der Stadt
zählt. Das herausragendste Objekt der Innenausstattung ist der von Veit Stoß (1447-1533) im spätgotischen Stil geschaffene Marienaltar. (Panoramafotos der Kathedrale mit polnischen Kommentaren)
Der Auftrag des Krakauer Rats zur Erstellung des Marienaltars ging 1476 an den wahrscheinlich in Horb am Neckar geborenen und in Nürnberg lebenden Bildhauer. 1477 verlegte Veit Stoß seinen Wohnistz nach Krakau, zu dieser Zeit eine der bedeutendsten Residenzstädte Europas. In Krakau erwarb Veit Stoß ein Wohnhaus und betrieb eine Werkstatt mit mehreren Mitarbeitern. Von 1477 bis 1489 arbeiteten Veit Stoß und Mitarbeiter am Marienaltar, der ihm hohes Ansehen, lukrative Aufträge und Wohlstand verschaffte. 1496 verließ Veit Stoß Krakau wohlhabend und ging zurück nach Nürnberg. Dort verspekulierte sich der als schwierig und streitbar geltende Künstler in Geschäften und beging Urkundenfälschung, für die er hart bestraft wurde. Seine überragenden Fähigkeiten verschafften ihm dennoch weitere Aufträge und verstärkten seinen Ruf als einer der bedeutendsten deutschen Bildhauer und Holzschnitzer seiner Zeit neben Tilman Riemenschneider (1460-1531). (Weltkunst: In den Fängen der Justiz)
Auf dem Marienplatz zwischen Marienbasilika und der benachbarten kleinen Barbarakirche sammelt sich um die Mittagszeit eine
größere Menschenmenge. Pünktlich zur vollen Stunde bläst an allen Tagen
der Woche zur jeden vollen Stunden ein Turmbläser ein als Marien-Hejnal
bezeichnetes Trompetensignal, das an den Mongolensturm im 12. Jahrhundert
erinnert (Deutschlandfunk: Geblasene Geschichte). Dieses Schauspiel lassen wir uns selbstverständlich nicht eintgehen.
Nach
dem kurzen Turmbläserständchen legen wir in einem Cafe am Markt eine
gut einstündige Pause ein, zu der Studiosus Kaffee und Kuchen sponsert.
Teilnehmer, die sich zur kostenpflichtigen Auschwitz-Exkursion
angemeldet haben (14 von 23), brechen anschließend mit Aleksandra von
hier auf und besteigen den am Rand der Altstadt wartenden Bus für die
Tour zur Gedenkstätte Auschwitz.
Besuch der Gedenkorte KZ Auschwitz und KZ Auschwitz-Birkenau
Dieser Post beschreibt lediglich die Organisation unseres Rundgagngs.
Die Fülle an Detailinformationen zu historischen Vorgängen und Personen
vermag dieser Post nicht zu bewältigen. Interessierten stehen zahlreiche
leicht erreichbare Quellen zur Verfügung. Holocaust-Leugner sollten verpflichtet werden, in der Gedenkstätte 2
Wochen unbezahlter Sozialarbeit zu leisten und am Ende des Aufenthaltes
einen schriftlichen Bericht zu erstellen.
Am Nachmittag erreichen wir in dichtem Verkehr nach 2 Stunden Fahrzeit die Gedenkstätte Auschwitz. Die Besuchermenge ist am Nachmittag überschaubar. Riesige Parkplätze sind fast leer. Führungen dürfen nur zertifizierte Führer durchführen. Das Führungsprogramm startet um 16:00 Uhr. Als Guide wird uns Martha zugewiesen, die hervorragendes Deutsch spricht und uns über insgesamt 3 Stunden auf Rundgängen in 2 Lagern der Gedenkstätte sehr engagiert in freier Rede über die Geschichte der Anlagen informiert und dabei ihre uns sympathische politische Haltung nicht zurückhält. Ausschwitz I ist als Museum konzipiert, das sich über etliche Gebäude verteilt. Im Lager Auschwitz II (Birkenau) können bis auf Ausnahmen nur Außenanlagen besichtigt werden.
Besichtigung Auschwitz I (Stammlager) - Fotoserie
Der Komplex des Stammlagers war die Kernzelle von Auschwitz, die deutlich kleiner ist als das Lager Ausschwitz II (Birkenau). Zunächst waren hier sowjetische Kriegsgefangene interniert, die in Zwangsarbeit das KZ und Vernichtungslager Birkenau aufbauen mussten. Später wurde das Gefangenenlager zu einem KZ umgewandelt, in dem Inhaftierte primär durch Zwangsarbeit und Haftbedingungen vernichtet wurden.
Besichtigung Auschwitz II (Birkenau) - Fotoserie
Die Größe des Lagers Birkenau war für die gleichzeitige Inhaftierung von bis zu 140.000 Häftlingen ausgelegt. Ein geplanter Ausbau für bis zu 200.000 Häftlinge wurde nicht mehr realisiert. Häftlinge wurden in Viehwagons zum Bahnhof Birkenau gefahren und gleich auf der Rampe von Ärzten(!) selektiert. - Wer arbeitsfähig war, wurde zur Zwangsarbeit aussortiert und durch Arbeit und Haftbedingungen in meistens 2-3 Monaten vernichtet.
- Insbesondere Jugendliche und gesund wirkende Menschen wurden für grausame Menschenversuche selektiert, die Josef Mengele verantwortete.
- Wer als nicht arbeitsfähig galt, wurde sofort in Gaskammern geführt, die als Duschräume getarnt waren und bis zu 2000 Menschen aufnahmen. Sobald die Gaskammern mit Menschen gefüllt waren, wurden sie geschlossen. Durch wie Duschköpfe aussehende Vorrichtungen wurde das Giftgas Zykon B in die Räume geleitet. Das Gas führte in 5-20 Minuten einen qualvollen Tod herbei. Funktionshäftlinge mussten die Verbrennung der Leichen in Ofenbatterien der Krematorien erledigen. Öfen waren an allen Tagen 24 Stunden in Betrieb. Knochenreste wurden gemahlen. Gemahlene Knochen und Asche der Verbrannten wurde als Düngemittel eingesetzt. So funktionierte Keislaufwirtschaft der NS-Zeit.
30.05.2023: Reise nach Krakau (Kraków), UNESCO Weltkulturerbe und europäische Kulturhauptstadt im Jahr 2000
Die insgesamt 10-stündige Reiseetappe von Breslau in Niederschlesien nach Krakau in Südpolen haben wir für 3 Besichtigungen unterbrochen.
Moltke-Gut Kreisau in Niederschlesien - Fotoserie
Unser erstes Zwischenziel ist im Dorf Krzyżowa (Kreisau) in der Region Breslau die Internationale Jugendbegegnungsstätte Kreisau, zu der das ehemalige Gut Moltke ab 1989 umgestaltet wurde. Das Gut war der Familiensitz der Adelsfamilie von Moltke. An dem historischen Ort trafen sich die Mitglieder der NS-Widerstandsgruppe Kreisauer Kreis um Helmuth James Graf von Moltke. Im Schloss betrachten wir eine Dokumentation des NS-Widerstands.
Unser erstes Zwischenziel ist im Dorf Krzyżowa (Kreisau) in der Region Breslau die Internationale Jugendbegegnungsstätte Kreisau, zu der das ehemalige Gut Moltke ab 1989 umgestaltet wurde. Das Gut war der Familiensitz der Adelsfamilie von Moltke. An dem historischen Ort trafen sich die Mitglieder der NS-Widerstandsgruppe Kreisauer Kreis um Helmuth James Graf von Moltke. Im Schloss betrachten wir eine Dokumentation des NS-Widerstands.
Friedenskirche von Swidnica in Niederschlesien - Fotoserie
Nicht weit entfernt besichtigen wir etwas außerhalb von Swidnica (Schweidnitz), eine Stadt mit 60.000 Einwohnern, die aus Holz errichtete monumentale Friedenskirche zur heiligen Dreifaltigkeit. Die Kirche fasst 7500 Besucher und gilt als weltweit größte Holzkirche. Das Gebäude ist in jeder Hinsicht hoch interessant und als UNESCO Weltkulturerbe gelistet. Entstanden ist die Kirche aufgrund von Regelungen des Westfälischen Friedens, mit dem der 30-jährige Krieg 1648 endete.
Nicht weit entfernt besichtigen wir etwas außerhalb von Swidnica (Schweidnitz), eine Stadt mit 60.000 Einwohnern, die aus Holz errichtete monumentale Friedenskirche zur heiligen Dreifaltigkeit. Die Kirche fasst 7500 Besucher und gilt als weltweit größte Holzkirche. Das Gebäude ist in jeder Hinsicht hoch interessant und als UNESCO Weltkulturerbe gelistet. Entstanden ist die Kirche aufgrund von Regelungen des Westfälischen Friedens, mit dem der 30-jährige Krieg 1648 endete.
Im Westfälischen Frieden wurde das protestantische Schlesien dem erzkatholischen Haus Habsburg zugesprochen. Die Habsburger widmeten alle Kirchen Schlesiens katholisch um. Die Bevölkerung bliebt weiter protestantisch und hatte zunächst keine Kirche. Der schwedische König bewirkte bei den Habsburgern gegen Bezahlung und unter Auflagen die Erlaubnis zur Errichtung einer Kirche. Die Kirche musste innerhalb eines Jahres erbaut werden, durfte als Baumaterial nur aus Holz errichtet und keinen Turm haben. Die Bevölkerung zeigte den Habsburgern, wo die Glocken hängen. Sie legte sich für den Kirchbau mächtig ins Zeug und gestaltete den äußerlich schlichten Fachwerkbau im Innenraum wie eine barocke Kathedrale. Nach Ständen und Geschlechtern geordnete Sitzplätze waren persönlich zugeordnet und wurden vererbt.
Arbeitersiedlung Nikiszowiec bei Kattowitz (Katowice) - Fotoserie
Ca. eine Stunde Fahrzeit vor Ankunft in Krakau ist bei Kattowitz die unter Denkmalschutz stehende, für 8.000 Bewohner ausgelegte historische Arbeitersiedlung Nikiszowiec einen letzten Zwischenstopp wert.
Ankunft in Krakau
Gegen 19:00 Uhr erreichen wir Krakau, mit ca. 800.000 Einwohnern nach Warschau die zweitgrößte und kulturell die bedeutendste Stadt Polens, die als Perle und Seele des Landes gilt. Seit dem Mongolensturm im 12. Jahrhundert wurde Krakau nie mehr in größerem Umfang zerstört und konnte in der Altstadt ein Stadtbild bewahren, das keinen Vergleich mit historischen Altstädten in Ober- und Mittelitalien scheuen muss. Die in Reiseführern genannte Zahl von 800.000 Einwohnern ist veraltet. 1990 wurde die Meldepflicht in Polen abgeschafft, sodass die genaue Einwohnerzahl nicht bekannt ist. Schätzungen belaufen sich auf ca. 1,4 Millionen Einwohner.
In den beiden nächsten Tagen erkunden wir die verkehrsberuhigte Altstadt von Krakau (Stare Miasto), die ca. 1 km im Durchmesser misst und nur zu Fuß erschließbar ist. Eine in Krakau verkehrende Straßenbahn könnten wir aufgrund des Alters 70+ kostenlos nutzen, aber wir benötigen sie nicht. Der Normalpreis für bis ca. 20 Minuten Fahrzeit beträgt ca. 1 €. In öffentlichen Museen zahlt man mit dem Alter 70+ einen symbolischen Eintrittspreis von 1 Złoty. Warum ist das in Polen möglich und in Deutschland nicht?
An den Altstadtkern grenzt das jüdische Viertel Kazimierz, in dem wir für 3 Übernachtungen im komfortablen Hotel Golden Tulip untergebracht sind und am Abend der Ankunft das Abendessen einnehmen (Fotoserie). Kazimierz bildet einen eigenen Stadtteil und war vor dem 2. Weltkrieg die größte jüdische Ansiedlung in Europa. In der Gegenwart leben in Krakau gemäß Angabe der Stadtführerin Wanda nur ca. 100 Juden. Das Viertel hat jedoch seinen Charakter bewahrt. Einen Aufschwung erlebte Kazimierz durch Spielbergs Spielfilm Schindlers Liste (1993), der in dem Viertel gedreht wurde. Nach Sanierung und Revitalisierung des ehemaligen Armutsviertels ist Kazimierz inzwischen ein beliebtes Ausgeh- und Touristenviertel.
Der morgige Tag wird lang und hart. Als Programm war eine halbtägige Besichtigung der Altstadt von Krakau
vorgesehen. Da Auschwitz-Tickets für den darauffolgenden Tag ausgebucht sind,
ziehen wir den Besuch einen Tag vor und werden nach der Besichtigung der
Krakauer Altstadt nach Auschwitz aufbrechen.
29.05.2023: Besichtigung Breslau, europäische Kulturhauptstadt 2016 - Fotoserie
Ab 1742 war Breslau (Wrocław) bis zum Ende des 2. Weltkriegs eine deutsche Stadt und mit ca. 700.000 Einwohnern die Hauptstadt Niederschlesiens. 1944 erklärte Gauleiter Karl Hanke Breslau zur Festung und versprach, die Stadt bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen. Nachdem die Zivilbevölkerung evakuiert war, fiel Breslau nach 4 Monaten Kampf in die Hände der Sowjetarmee. 70 % der Gebäude lagen in Trümmern. Zur Vorbereitung seiner Flucht ließ Karl Hanke eine Schneise in die Altstadt sprengen. Am 6. Mai verließt er auf dieser Schneise mit einem gestohlenen Kleinflugzeug die Stadt (WELT: Hitlers Gauleiter feierte Partys, bevor er floh).
Die Potsdamer Dreimächtekonferenz der Alliierten entschied eine Westverschiebung Polens, auf die Stalin bestand. Als Folge des 2. Weltkriegs fiel mit der Westverschiebung 1945 der größte Teil Schlesiens an Polen. Polnische Einwohner aus an Russland gefallene Regionen wurden zwangsweise u.a. nach Schlesien umgesiedelt. In der Gegenwart ist Breslau die Hauptstadt der Woiwodschaft Niederschlesien. Die historische Altstadt von Breslau (polnisch Wrocław) wurde nach dem 2. Weltkrieg aufwändig restauriert. Aktuell ist Breslau mit ca. 640.000 Einwohnern nach Warschau, Krakau, Łódź die viertgrößte Stadt Polens.
Am Morgen verschafft uns zunächst eine kurze Stadtrundfahrt mit dem Bus
einen Überblick über die beeindruckende Altstadt, in der neben einem bunten Gemisch an Baustilen zahlreiche Kirchen im Stil der Backsteingotik auffallen. Unser fußläufiger Rundgang beginnt auf der Dominsel, Kern des historischen Breslau, mit der Besichtigung des Breslauer Doms, der Kathedrale St. Johannes der Täufer. Das 1244-1341 in Backsteingotik errichtete Gebäude hatte mehrere Vorgängerkirchen am Ort einer vorchristlichen Kultstätte und wurde mehrfach im Stil der Renaissance und des Barock umgebaut. Nach der Zerstörung im 2. Weltkrieg ist die Innenaustattung nicht so reich, wie die Architektur der Kirche vermuten lässt.
Von der Dominsel spazieren wir entlang zahlreicher von Aleksandra ebenso fachkundig wie unterhaltsam erläuterten Sehenswürdigkeiten in Richtung Zentrum. Während wir die Kirche St. Maria im Sande von außen betrachten, besichtigen wir die Elisabethkirche auch von innen. Die Einrichtung der Universität Breslau und den Bau des monumentalen Hauptgebäudes veranlasste das Haus Habsburg mit Hilfe des Jesuitenordens, an dessen Namen-Jesu-Kirche das Hauptgebäude anschließt. Die Besichtigung der berühmten Aula Leopoldina fällt wegen einer aktuell stattfindenden Diplomfeier aus.
Das Herz der Altstadt bildet der Marktplatz. Hauptsehenswürdigkeit am Markt ist das alte Breslauer Rathaus. Die Sicht auf das Gebäude wird allerdings von Verkaufsständen des Marktes behindert. Der Markt ist der Ausgeh-Hotspot der Stadt, an dem in Sommermonaten täglich bis weit in den Abend hinein der Bär steppt. Am Markt endet unser Stadtrundgang. Der Nachmittag steht zur freien Verfügung. Das Abendessen werden wir gemeinsam in einem polnische Küche bietenden Restaurant am Markt einnehmen.
Breslau am Abend - Fotoserie
Reiseführerin Aleksandra hat für das Abendessen der Gruppe im Restaurant Karczma Lwowska am Marktplatz der Altstadt reserviert. Serviert wird deftige traditionelle polnische Küche in großen Portionen. Vorspeisenvariationen, das Hauptgericht und Beilagen sind auf Platten und in Schüsseln angerichtet, sodass sich jeder nach persönlichen Vorlieben bedienen kann. Das Hauptgericht wird flambiert aufgetragen, wie es bis vor ca. 50 Jahren auch in Deutschland in Mode war. Zusätzlich wird schmackhaftes Brot und Schmalz gereicht. Für Vegetarierer ist das natürlich kein Festmahl, aber wir können uns mit servierten Gerichten anfreunden. Qualität und Zubereitung der Produkte sind tadellos. Wenn man sich auf überschaubare Portionen beschränkt, kann man sich mit guter polnischer Küche anfreunden. Ein Gläschen unverzichtbarer Wodka wirkt hilfreich. Gegen Ende des Dinners fordert Aleksandra die Teilnehmer zur obligatorischen Vorstellungsrunde auf. Die Mehrheit der Teilnehmer reist bereits wiederholt mit Studiosus. Ein Schweizer Paar bereits das 11. Mal. Auf dem Rückweg genießen wir das Abendflair der Altstadt.
28.05.2023: Bus-Reise von Berlin nach Breslau, Polen - Fotoserie
Heute beginnt unser Studiosus Polenreise. Die 1. Etappe führt vom Ostbahnhof Berlin nach Breslau (Wrocław). Unsere Gruppe umfasst 23 Teilnehmer (darunter 7 Paare, von denen eines mit 2 erwachsenen Söhnen reist sowie 7 alleinreisende Frauen) plus Reiseleiterin Aleksandra Figaszewska und Fahrer Erik. Aleksandra ist native Polin, Erik ist als Wolgadeutscher nach Süddeutschland migriert. Das Alter der Teilnehmer ist gemischt und liegt durchschnittlich im Bereich zwischen 40 bis 50 Jahren.
Von Berlin nach Breslau sind ca. 350 km zurückzulegen. Ca. 30 Minuten vor Breslau besichtigen wir in dem kleinen Dorf Legnickie (deutsch Wahlstatt oder Legnitz) eine prächtige barocke Basilika in einer Anlage, die als ein herausragendes Kulturdenkmal des Barock gilt. Die Anlage wurde als Benediktinerkloster errichtet, aber vielfach umgewidmet. Fresken der Kirche erzählen u.a. von der historischen Bedeutung der Ortschaft. Legnickie ist ein geschichtsträchtiger Ort, an dem 1241 eine Schlacht gegen die einfallende mongolische Goldene Horde stattfand, in der Herzog Heinreich II. getötet und geköpft wurde. Reiseleiterin Aleksandra zeigt sich über Aspekte der Kultur- und Kunstgeschichte bestens informiert und vermittelt die Geschichte des Ortes spannend. Details beschreibt ein Eintrag des Online-Lexikons zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa der Universität Oldenburg: Wahlstatt/Legnickie Pole
Im Zentrum der Altstadt von Breslau steigen wir im Hotel Mercure ab, in dem wir uns wohl fühlen. Beim gemeinsamen Abendessen in Buffetform machen wir uns mit einigen Teilnehmern bekannt. Erste Eindrücke zur Reisegruppe fallen erfreulich aus.
Politische und soziale Lage Polens
Bis
Ende der 1980er Jahre galt Polen im westeuropäischen Vergleich als arm
und rückständig. Seit Ende der 1989 hat das Land weitgehend aus eigener
Kraft und mit Unterstützung der EU einen beeindruckenden
Modernisierungsprozess bewältigt, inkl. aller mit diesem Prozess
einhergehenden Vor- und Nachteile. Polen ist der mit Abstand größte
Nettoempfänger von EU-Mitteln (Statista: Europäische Union: Operative Haushaltssalden der Mitgliedstaaten im EU-Haushalt im Jahr 2021).
Trotzdem wird die EU gering geschätzt, weil in der Bevölkerung das von
populistischer Politik geschürte Stereotyp kursiert, dass Polen seinen
Beitritt zur EU schlecht verhandelt habe und über den Tisch gezogen
worden sei. Allein die Angst vor Russland scheint Polen an die EU und
die NATO als das kleinere Übel zu binden. Allerdings ist die Stimmung im
Land geteilt. Zahlreiche Polen hoffen, dass sich bei den
Parlamentwahlen im Oktober 2023 die Opposition durchsetzen kann.
Andernfalls wird ein weiterer Abbau demokratischer Strukturen
befürchtet, der die Spaltung der Bevölkerung mit nicht absehbaren Folgen
vertieft. Aktuell ist die politische Lage schwierig, aber nicht
aussichtslos. Alle Hoffnungen ruhen auf der Parlamentswahl im Oktober
2023.
In
der Gegenwart hat sich Polen dem Westen so weit angeglichen, dass bei
oberflächlicher Betrachtung kaum noch besondere Unterschiede erkennbar
sind. Tatsächlich sind jedoch Einkommens- und Stadt-Land-Unterschiede
hoch. Ein wesentlicher Unterschied gegenüber westeuropäischen Staaten
ist immaterieller Art. Über Jahrhunderte war Polen ein Spielball
zwischen dem russischen Zarenreich und der Sowjetunion einerseits sowie
westlichen Mächten (Deutscher Orden, Habsburger, Preußen,
NS-Deutschland) andererseits, was in dem Vielvölkerstaat die
Herausbildung kultureller Identität und Wertschätzungen des kulturellen
Erbes verstärkte, aber einen weit verbreiteten und von populistischen
Politikern genutzten Antisemitismus und Nationalismus förderte. Zum Beginn des 2.
Weltkriegs lebten in Polen 3,3 Millionen Juden. Gegenwärtig werden
maximal 5000 Juden geschätzt.
27.05.2023: Kulturspaziergang durch Berlin - Fotoserie Berlin-Impressionen
Über den gesamten Tag unternehmen wir zu Fuß einen Spaziergang durch das Zentrum, den wir mit Besuchen von 2 Ausstellungen verbinden. Nach dem Besuch der Museumsinsel Berlin schlendern wir in Berlin Mitte durch das Scheunenviertel, in dem Reste des historischen Berlins erhalten sind, wie es noch zur Weimarer Zeit bestand. Wir durchstreifen den Hackeschen Markt und die Hackeschen Höfe und landen zum Ende unseres Rundgangs in der Gaststätte Sophieneck, die wir bei kaum einem unserer Besuche in Berlin auslassen. Die rustikale, ehrliche Gasthausküche hat uns noch nie enttäuscht, weshalb wir ihr auch heute vertrauen.
Gemäldegalerie im Kulturforum - Fotoserien: Hugo van der Goes - Gemäldegalerie
Zum Aufftakt unserer Rundgangs besuchen wir in der Gemäldegalerie des Kulturforums die Ausstellung Hugo van der Goes: Zwischen Schmerz und Seeligkeit. Der flämische Maler Hugo van der Goes (1435/40-1481) ist relativ unbekannt, was möglicherweise daran liegt, dass nur wenige seiner Meisterwerke erhalten sind, von denen diese Sonderausstellung die meisten zeigen kann. Nach einem Besuch in Köln im Jahr 1480 fiel der Maler in Wahnsinn und verstarb 1481. (Ein ähnliches Schicksal droht Spielern und Anhängern von Borussia Dortmund, nachdem der 1. FC Köln am 27.05.2023 gegen Bayern München versagt hat und dadurch Bayern München die ebenfalls versagenden Dormunder auf der Ziellinie der Meisterschaft abfangen konnte.)
Da die sehenswerte ständige Sammlung im Preis des Tickets enthalten ist, nehmen wir Eindrücke aus der Gemäldegalerie gerne mit und opfern aus zeitlichen Gründen den ursprünglich vorgesehen Besuch einer Sonderausstellung im Kupferstichkabinett.
Schätze aus Usbekistan, Sonderausstellung auf der Museumsinsel - Fotoserie
Die Sonderausstellung von archäologischen Schätze aus Usebkistan verteilt sich auf der Museumsinsel Berlin auf Räume der James-Simon-Galerie und des Neuen Museums. Mit der Präsentation und Informationen zu ausgestellten Objekten sind wir nicht glücklich. Einige kulturelle Artefakte sind zwar ansprechend, aber sie werden erst in Kontexten verständlich. Komplexe historische Zusammenhänge der Region reichen über Jahrhunderte und erschließen sich Besuchern ohne Vorkenntnisse der Ausstellung kaum. Wir haben zwar Vorkenntnisse, aber auch uns fällt es schwer, Zusammenhänge wahrzunehmen. Da wir die Ausstellung schnell bewältigen, bleibt Zeit für eine Ruhepause in der Besucher-Lounge.
26.05.2023: Anreise mit Auftakt in der Kurpfalz-Weinstube - Fotoserie
Nach
Ausfall des gebuchten Zuges mussten wir ohne Reservierung auf eine alternative Verbindung ausweichen.
Erwartungsgemäß war dieser Zug ausgebucht. Da der Zug in Köln
eingesetzt wurde, konnten wir nicht in Anspruch genommene Plätze nutzen
und eine entspannte Reise ohne Verspätungen genießen.
Zum Dinner haben wir
in Charlottenburg-Wilmersdorf in den Kurpfalz-Weinstuben reserviert, die wir mit der S-Bahn erreichen. Das von einschlägigen Führern (u.a. im Guide Michelin) gelobte Restaurant im
Stil Pfälzer Weinstuben erinnert an das historische
Landgasthaus Henninger in Kallstadt. Die Weinkarte enthält zahlreiche annehmbar
kalkulierte offene Weine aus deutschen Regionen. Der offen ausgeschenkte Sekt ist jedoch forsch bepreist. Küche und Service des pfälzisch inspirierten Restaurants enttäuschten.
Obwohl um 18:00 Uhr erst wenige Gäste zu bedienen sind, müssen wir 20 Minuten bis zur Abgabe einer Bestellung warten.
- Gruß aus der Küche: 3(!) kleine Scheiben eines schmackhaften hausgebackenen Brots mit schmackhaftem Bärlauch-Aufstrich.
- Vorspeisen:
- Weinstuben-Salat: Frischer Blattsalat ohne Pfiff
- Das Simmertaler Rindertartar erweist sich als eine kleine Portion Fleischsalat unter einem überflüssigen Mini-Flammkuchen. - Haupgerichte:
- Der Gebratene Kabeljau ist frisch. Eine Salzkruste verdirbt den Geschmack. Fisch und Beilagen sind so gegart, wie wir das mögen.
- Die Pfälzer Dreifaltigkeit (Saumagen, Leberknödel, Bratwurst in Mini-Portionen) mit Sauerkraut und Kartoffelpüree präsentiert diese Pfälzer Signature Dishes vollständig. Senf wird erst nach Aufforderung gereicht. Qualitativ ist das Gericht nicht mehr als ausreichend und weit von dem entfernt, was in der Pfalz serviert wird.
Berlin: 26.-28.05.2023
Aufgrund positver Erfahrungen der Vergangenheit übernachten wir in Berlin im zentral am Hauptbahnhof gelegenen Intercity Hotel. Für den 27.05.2023 haben wir ein strammes Kulturprogramm geplant:
- Eine Sonderausstellung der Gemäldegalerie präsentiert Werke des flämischen Malers Hugo van der Goes (1435/1440-1482): Zwischen Schmerz und Seligkeit
- Das benachbarte Kupferstichkabinett zeigt in einer Sonderausstellung heute weitgehend vergessene herausragende Arbeiten von Frauen der italienischen Kunstwelt aus dem Zeitraum 1400-1800: Muse oder Macherin?
- Nach der beeindruckenden und uns noch immer begeisternden Usebekistan-Reise im Jahr 2018 ist ein Besuch der Ausstellung Archäologische Schätze aus Usebkistan auf der Museumsinsel Berlin für uns ein Must-do.
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