Sonntag, 28. Oktober 2012

Streifzug durch Potsdam und Berlin

Brandenburger Tor in Potsdam
Brandenburger Tor in Berlin
Unser Wochenendaufenthalt in Berlin gilt vor allem zwei Ausstellungen, über die wir an anderer Stelle berichten:
  • Im 'Neuen Palais' von Potsdam findet anlässlich des 300. Geburtstages von 'Friedrich dem Großen' die Ausstellung 'Friederisiko' statt. 
  • Der vor 200 Jahren durch den Angriff Napoleons provozierte Brand von Moskau bildet den Mittelpunkt einer Ausstellung über Karl Friedrich Schinkel, der weit mehr als einen  preußischen Architekten repräsentiert, wie wir in der Ausstellung 'Geschichte & Poesie' lernen.
Jenseits der Ausstellungen lockt uns das sonnige Wetter auf genussvolle Streifzüge durch Potsdam und Berlin. Wir wähnen uns zwar als 'alte Berliner Hasen', gewinnen aber einmal mehr einige für uns neue und interessante Einblicke. Link: Diashow der Fotoserie


Neues Palais und Antikentempel im Garten von Sanssouci
Im Rahmen der Ausstellung 'Friederisiko' konnten wir am Vormittag die von  friderizianischer Machtpolitik geprägte Architektur des Schlosskomplexes 'Neues Palais' ausgiebig besichtigen. Nach dieser anregenden Tour lädt das sonnige Herbstwetter zu einer Fortsetzung im Garten Sanssouci ein, den Friedrich II. mit dem Bau des Schlosses Sanssouci anlegen ließ.










Motiv des Schlosses Sanssouci
Namengebend für den Garten und zugleich das bekannteste Bauwerk innerhalb der Gartenanlage ist die Sommerresidenz Friedrich II., Schloss Sanssouci. Garten und Schloss Sanssouci wurden zwar auch repräsentativ genutzt, sie waren jedoch vor allem ein privater Rückzugsraum für Friedrich II., der diesem Komplex vermutlich eine hohe emotionale Bedeutung beimaß.
In der Vergangenheit haben wir die Anlage bereits mehrmals besichtigt, zuletzt gemeinsam mit unseren australischen Freunden, Antje und Richard, im Oktober 2011 (Link: Potsdam im Oktober 2011). Das Schloss Sanssouci nehmen wir daher heute nur am Rande wahr und dringen statt dessen tiefer in bisher für uns noch unbekannte Gartenbezirke ein.





Ruinenberg und Normannischer Turm

Blick von der Bornstedter Straße auf den Ruinenberg
Auf einer nördlich am Park Sannssouci angrenzenden Erhebung ließ Friedrich II. zur Bewässerung der Fontänen im Park ein Wasserreservoir und einige Windmühlen bauen, die Pumpen zur Wasserversorgung des Reservoirs antreiben sollten. Das Wasserbecken erhielt eine dekorative Kulisse, die entsprechend dem Zeitgeschmack als künstliche antike Ruinenlandschaft gestaltet wurde.









Motiv am Ruinenberg, Potsdam
Das ehrgeizige und aus heutiger Sicht ökologisch vorbildliche Projekt, für das Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, Hofarchitekt Friedrich II., verantwortlich war, verschlang gewaltige Beträge, kam aber wegen der ungeeigneten Technik nie zum Fliegen. Nur einmal, am Karfreitag 1754, soll Friedrich der Große eine Fontäne erlebt haben, als große Mengen von Schmelzwasser die planmäßige Wasserversorgung außer Kraft setzten. Aber erst 1780 gab Friedrich II. das Projekt als gescheitert auf.
Probleme des Projektmanagements, die mit menschlichem und ökonomischem Leid einhergehen, bodenlose Geldvernichtung erzeugen und Ströme von Schweiß, Blut und Tränen provozieren, bilden ebenso wie das beharrliche Festhalten an gescheiterten Projekten offensichtlich nicht nur in der Gegenwart ein Bibliotheken füllendes Thema, das hier nicht vertieft werden soll.



Reservoir und 'Normannischer Turm' auf dem Ruinenberg
In Folge der napoleonischen Besetzung Preußens verwahrloste der Ruinenberg zu Beginn der 19. Jahrhunderts. Friedrich Wilhelm IV. bezog ab 1840 das Neue Palais als Sommerschloss und beauftragte die Neugestaltung des Ruinenberges. Der  Landschaftsarchitekt Peter Joseph Lenné übernahm die gartenkünstlerische Gestaltung des Ruinenbergs. Ludwig Persius, preußischer Hofarchitekt, errichtete an der Stelle einer ehemals hölzernen Plattform einen Aussichtsturm im 'normannischen' Stil. Das Wasserbecken wurde restauriert und vergrößert. Dank der inzwischen etablierten Technik der Dampfmaschine konnte nunmehr eine kontinuierliche Wasservorsorgung mit stabilem Druck realisiert werden. Aus einem Pumpenhaus im maurischen Stil beförderte die damals größte Dampfmaschine Deutschlands über eine 1,8 Kilometer lange Druckleitung Havelwasser in das Bassin des Ruinenbergs. Seit dem 23.10.1842, mehr als 100 Jahre nach Projektbeginn, sprudelt eine mehr als 30 m hohe Wasserfontäne unterhalb der Weinbergterrassen am Schloss Sanssouci.


Ausblick in Richtung Schloss Sanssouci
Nach Schäden durch Artelleriebeschuss war der 'Normannische Turm' ab 1945 bis zu seiner Restaurierung im Jahr 2002 eine Ruine. Zwischenzeitlich setzte die sowjetische Armee die Zerstörungsarbeit fort, indem sie das Gelände als militärisches Übungsgebiet nutzte. Seit dem Jahr 2002 ist der 'Normannische Turm' wieder öffentlich zugänglich. Die Aussichtsplattform kann gegen eine Gebühr von aktuell 2 € bestiegen werden. Das Angebot nehmen wir natürlich bei diesem Wetter wahr.   








Ausblick in Richtung Babelsberg mit Flatowturm
Vom 'Normannischen Turm' bieten sich heute in alle Richtungen phantastische Aussichten. Auf dem Babelsberg erkennen wir den mächtigen Flatowturm und Teile der eigenwilligen wilhelminischen Schlossanlage, die wir im Dezember 2011 inspiziert haben (Link: Tour durch Potsdamer Baudenkmäler).










Krongut Bornstedt

Blick auf das 'Krongut Bornstedt' vom 'Normannischen Turm'
Die beste Aussicht auf die Anlage des 'Krongut Bornstedt' bietet sich vom 'Normannischen Turm' auf dem Ruinenberg. Auf dem ehemaligen Bornstedter Rittergut entstanden zur Zeit Friedrich Wilhelms I. eine Brauerei und eine Brennerei, die 1727 um einen Hopfengarten ergänzt wurden. Nach einer wechselvollen Geschichte erwirbt Friedrich Wilhelm IV. 1841 das Gut und lässt es im italienischen Stil neu errichten. Ab 1867 übernehmen das Kronprinzenpaar Friedrich Wilhelm und seine englische Gemahlin Victoria das Gut. Sie bewirtschaften das Gut als 'Naturalbesitz und zum Nießbrauch' und machen es zu einem Mustergut, auf dem sie vor allem Milchwirtschaft und Hühnerzucht betreiben. In der Folgezeit finden viele Veränderungen statt, bis der Besitz 1950 enteignet und später vom Land Brandenburg übernommen wird. Zu DDR-Zeiten ist die Anlage mit wechselnden Nutzungen belegt. Die historischen Gebäude werden umgebaut und mit neuen Gebäuden ergänzt. Das ehemalige Krongut verschwindet.


Straßenfront des Kronguts Bornstedt
Nach der politischen Wende wird das überformte Ensemble ab 1999 rückgebaut und rekonstruiert. Am 1. Juni 2002 findet die Neueröffnung des ehemaligen 'Krongut Bornstedt' als historisches Ensemble statt.











Innenhof des Kronguts Bornstedt
In der Gegenwart ist das 'Krongut Bornstedt' ein beliebtes Ausflugsziel, in dem über das ganze Jahr Ausstellungen, Veranstaltungen und Feiern stattfinden. Gastronomisch wird das Krongut von der 'LaggnerGruppe' bewirtschaftet, einem international tätigen Gastronomie- und Gastronomieberatungsunternehmen mit Sitz in Berlin. Brauhaus, Weinscheune und Bäckerei mit Café sichern die gastronomische Versorgung offenbar zur Zufriedenheit der zahlreichen Besucher, die wir bei unserem Rundgang antreffen. In Verbindung mit Handwerksbetrieben, Märkten und Konzerten entsteht die Anmutung eines ganzjährigen Weihnachtsmarktes in historischer Kulisse. Erinnerungen an das 'Spier Wine Estate' bei Stellenbosch am 'Western Cape' in Südafrika stellen sich ein. Ob man diese Atmosphäre mag, kann jeder für sich entscheiden. Bei passender Gelegenheit werden wir das Krongut wahrscheinlich nicht als ein Hauptziel aufsuchen, aber als einen Pausenort für Exkursionen in Potsdam.



Klausberg mit Belvedere und Drachenhaus

Belvedere auf dem Klausberg im Garten Sanssouci
Nach Errichtung des 'Neuen Palais' wollte Friedrich II. die nähere Umgebung des Schlosses seinen Ansprüchen an eine angemessene Umgebung anpassen. Auf dem Klausberg des Bornstedter Höhenzuges ließ Friedrich II. ab 1770 ein Belvedere errichten und das Drachenhaus im Stil einer chinesischen Pagode bauen. 
Der Kuppelbau des zweigeschossigen Belvederes ist ein Rekonstruktionsversuch des Kaiserpalastes von Kaiser Nero in Rom.
Im 'Zweiten Weltkrieg' wurde das Belvedere fast vollständig zerstört. Nach der politischen Wende finanzierte die Münchner 'Messerschmitt Stiftung' ab 1990 den Wiederaufbau und übergab 2002 das Gebäude der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg. Die Restaurierung ist noch nicht abgeschlossen, weil die Geldmittel bisher nicht ausreichen. Potenzielle Stifter oder Spender können sich hier noch einen (Nach-) Ruf verschaffen.


Innenraum der oberen Etage im Belvedere
Das Belvedere entstand ursprünglich als das erste gemauerte Aussichtsgebäude der preußischen Residenzstadt und war das letzte friderizianischer Bauwerk im Garten Sanssouci. Das Belvedere erlaubt den Ausblick auf den Park von Sanssouci, die Residenzstadt Potsdam und das Umland. Diese reizvolle Perspektive gestattet ein Ticket zum Preis von 2 €, das wir bereitwillig zahlen.
Die Innenräume sind sehr ansprechend rekonstruiert und dürfen mit bereitgestellten Filzpantoffeln betreten werden. Spannender als die barocke Ausgestaltung der Räume ist für uns die Aussicht vom Balkon.






Belvedere auf dem Klausberg
Drachenhaus vom Belvedere
Neues Palais vom Belvedere

Drachenhaus auf dem Klausberg
Drachenhaus auf dem Klausberg
Auf das zeitgleich mit dem Belvedere errichtete Drachenhaus haben wir bereits aus der Distanz des Belvederes geschaut. Um das Gebäude aus der Nähe zu betrachten bedarf es nur eines kleinen Schlenkers. Architekt des Bauwerks ist Carl von Gontard, der das Gebäude nach Vorgaben von Friedrich II. konzipierte.
Vorbild des im chinoisen Stil errichteten Drachenhauses ist die mehrgeschossige Ta-Ho-Pagode in der Nähe der südchinesischen Stadt Guangzhou. Die für das Gebäude namengebenden Drachen sind inspiriert von einer Pagode, die der schottische Architekt William Chambers für die 'Kew Gardens' im Südwesten Englands entworfen hat (Link: Webseite 'Kew'). 16 Drachen auf den geschwungenen Dächern wurden ursprünglich von den Bildhauern Nathanael Eppen und Gerhard Buschmann gestaltet und 1904 durch Kopien ersetzt. Seit 1934 wird das Drachenhaus gastronomisch genutzt. 



Gasthaus 'Zur letzten Instanz' in Berlin
Siegessäule in Berlin
Auf dem Rückweg dieser spannenden Exkursion motiviert im Abendlicht die Siegessäule auf dem 'Großen Stern' im 'Großen Tiergarten' zu einem Fotostopp.
Für den Abend haben wir einen Tisch im Gasthaus 'Zur letzen Instanz' reserviert, dessen Geschichte sich bis in das ausgehende Mittelalter zurückverfolgen lässt und das als ältestes Gasthaus in Berlin gilt. Das Gasthaus bietet eine qualitativ ansprechende rustikale Küche, die eine Empfehlung verdient. Ohne Reservierung ist jedoch am Abend kaum ein Tisch zu bekommen.

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