Donnerstag, 1. September 2011

Südtirol 2011 - 'Kunst' in Prad




Ursprünglich wollten wir aus dem Suldental zur Payerhütte aufsteigen. Für uns ist das eine der schönsten Touren im Vinschgau, mit der wir viele wertvolle Erinnerungen verbinden. Die dicke Wolkenschicht über dem Vinschgau hält uns nicht von der Fahrt nach Sulden ab, denn das regionale Wetter kann dort viel freundlicher ausfallen. Unsere Hoffnung erfüllt sich heute nicht, weshalb wir in Sulden gleich wieder umkehren, um andere Ziele in Talnähe anzusteuern. Auf dem Weg aus Richtung Gomagoi nach Prad passieren sie seit vielen Jahren eine ständig wachsende Zahl künstlerisch bearbeiteter skurriler Objekte, die wir uns heute etwas näher anschauen wollen.
 
Kaum haben wir das Gelände betreten, als uns aus seinem Garten Lorenz Kuntner entgegen kommt, ein Ureinwohner Prads, der im Laufe der Jahre über sein engeres Umfeld hinaus zu einer Popularität gekommen ist. Lorenz wird von allen nur "Indianer" genannt und versteht sich selbst als "Künstler" und "indianischer Schamane". Erwachsene Besucher seines von ihm als "Freilichtmuseum" und "Galerie" bezeichneten Geländes bittet Lorenz um eine "freiwillige" Spende von jeweils 1 €. "Für Kinder ist der Besuch frei", betont er. Damit sei er "das billigste Museum der Welt", fügt Lorenz an. Da wir diese Behauptung nicht weiter diskutieren wollen und dem Kindesalter bereits eine Weile entwachsen sind und rücken wir "freiwillig" die Spende heraus. 

Lorenz abzuschütteln gelingt uns nicht wirklich. Wer ziehen es vor, getrennt über das Gelände zu gehen, was Lorenz zwingt, sich jeweils auf ein Opfer zu konzentrieren. Zunächst bin ich dieses Opfer, vermutlich weil ich nach Käuflichkeit und Preise der Objekte gefragt habe. Da wir keine Kaufabsichten haben, wechselt das Interesse bald und wendet sich Traugott zu.


























Etliche Objekte sind Baustämme, die zwar im Stil indianischer Totem- bzw. Wappenpfähle bearbeitet sind, aber eher einen sinnfreien, dekorativen Charakter haben. Ihr Preis hängt davon ab, wie gut sie Lorenz gefallen und kann bis zu 10.000 € betragen. Seine besten Objekte erklärt Lorenz für unverkäuflich.
Bearbeitete Flusssteine könnten wir wesentlich günstiger und schon ab 50 € entstehen. Danke, heute nicht, vielleicht beim nächsten Mal. Neben Holz und Flusssteinen verwendet Lorenz auch gerne Schrott, Knochen und Stoffgewebe als Rohmaterial seiner Arbeiten. Die künstlerische Arbeit beschränkt sich nicht alleine auf die Gestaltung stofflicher Objekte und Malerei, sondern umfasst auch Dichtung. Mehrere im Eigenverlag publizierte Buchbände dokumentieren diesen Teil seines Schaffens, deren Kauf uns Lorenz dringend, aber letztlich vergeblich rät. Bei unserem Rundgang kommen Assoziationen zu Adolf Wölfli auf.


Kostproben der dichterischen Werke Lorenz Kuntners sind locker über das Gelände verteilt. Eine weitere Kostprobe kursiert im Internet:

Oh ihr Wolken!

Oh ihr Wolken,
Töchter der Lüfte,
so frei und losgelöst
schwebet ihr über die Lande!
Freiheitstraum
hoch im Raum,
unbeschwert
ausgeleert!
Sonnbeschienen wie zur Feier,
ein wahrer Himmelsschleier,
luftig, leicht ihr schwebet,
Feierstimmung ihr mir gebet!
So natürlich,
so willkürlich
ihr euch paaret
und spielerisch von dannen fahret.
Steter Wandel, stete Flucht,
sich Erlösung und Erfüllung sucht.
Schließlich fortgeblasen,
hinan zur Freiheit ohne Maßen!
Das Träumen ihr mich lehret,
Freiheit ihr begehret
und von Luftigkeit erfüllt,
seid ihr wahrlich himmlisch eingehüllt!
Lasst euch treiben,
lasst euch wiegen!
Hier auf Erden gibt es kein Bleiben.
Endlichkeit, sie will obsiegen.
Ich grüße euch mit einem Halleluja!
,,DER MIT DEM WINDHAUCH SPRICHT”
(Lorenz Kuntner)

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