Samstag, 18. Juni 2022

6. Station Sommerreise 2022: Turin in Zeiten von Dürre, 16.-19.06.2022

Brücke Vittorio Emanuele über den Po, Turin
Bei unserer Ankunft in Turin zeigt das Thermometer 35,5 Grad im Schatten. An den beiden nächsten Tagen bleibt es heiß. Unsere Unterkunft, das B&B Colazione da Augusta, serviert das Frühstück um 7:15 Uhr im Garten, in dem es um diese Zeit noch angenehm ist. Das ändert sich schnell. Unsere Aktivitäten enden um 14:00 Uhr. Später wird es draußen unerträglich. Aufgrund der Trockenheiten sind Grünanlagen zu Braunanlagen mutiert. Der durch Turin fließende Po liegt teilweise trocken. Die Wasserqualität des Flusses nimmt ab. Salzwasser der Adria dringt in den Fluss ein. Pflanzen, Fische und andere Tiere sterben. Das Biospärenreservat Po-Delta wird zur Wüste. Die landwirtschaftliche Produktion ist bereits eingebrochen. Auswirkungen werden wir vielleicht nicht sofort spüren, aber bald.
- ZEIT, 30.07.2022: Dürre in Italien 
 
 
Factsheet zur Geschichte Turins und generelle eigene Eindrücke
 
Archäologische Zone mit römischem Stadttor Porta Palatina, 1. Jh. n. Chr., Turin Turin hat ca. 870.000 Einwohner, ist die viertgrößte Stadt Italiens und Hauptstadt des Piemont. In römischer Zeit zählte Turin 5.000 Einwohner innerhalb der Stadtmauern (für das römische Köln werden 20.000 - 40.000 Einwohner angenommen). Erhalten sind aus dieser Zeit eine rechtwinklige Straßenstruktur des historischen Zentrums sowie das Stadttor Porta Palantina (Foto links). Im Spätmittelalter dehnten die Grafen (später Herzöge) von Savoyen ihr Herrschaftsgebiet auf das Piemont samt Turin aus und entfalteten im 15. und 16. Jahrhundert eine rege Bautätigkeit. Nach der Verschmelzung von Savoyen mit dem Piemont wurde Turin im frühen 19. Jahrhundert unter König Albert (1798-1849) Hauptstadt des Königreichs Sardinien-Piemont. Mit der Vereinigung Italiens unter König Viktor Emanuel II. (1820-1878) wurde Turin 1861 italienische Hauptstadt, bis Florenz 1865 zur Hauptstadt erklärt wurde. Erst nachdem 1870 der Vatikan Italien angegliedert war, erhielt Rom 1871 die Rolle der Hauptstadt Italiens.
 
Bis zum 16. Jahrhundert hatte Turin mittelalterlichen Charakter. Als Residenz der Herzöge Savoyens, später Könige von Sardinien-Piemont, wurde Turin ab dem 17. Jahrhundert zu einer Stadt umgestaltet, die in Zeiten erodierender absolutistischer Machtentfaltung mit Symbolen absolutistischer Macht beeindrucken will und vom damals vorherrschenden Stil des Barock geprägt ist. Absolutismus hält sich in der Region länger als in anderen europäischen Ländern, aber das Rad der Geschichte ist nicht aufzuhalten. Mit dem Risorgimento endete Mitte des 19. Jahrhunderts Absolutismus auch hier. Spätere Gebäude Turins sind als Neoklassizismus und Jugendstil einzuordnen. 
 
Unakademisch formuliert empfinden wir den Auftritt Turins im historischen Zentrum als protzig und aufgeblasen, ähnlich Paris, Wien, St. Petersburg und anderen Metropolen, deren Architektur Statements politischer Macht darstellen, aber in Turin mitunter vernachlässigter ausfallen. Als Zeugnisse historischer Vergangenheit sind diese Statements in der Gegenwart hoch interessant. Interesse ist subjektiv geprägt. Eindrücke unseres Rundgangs beschreibt dieser Post in Auszügen.
 

17.06.2022: Rundgang im historischen Zentrum von Turin - Fotos Rundgang

Piazza Vittorio Veneto, TurinPiazza Vittorio Veneto, Turin Auf dem Weg zum Zentrum passieren wir die im neoklassizistischen Stil gebaute Kirche Gran Madre di Dio (Fertigstellung 1831), deren Architektur vom Pantheon in Rom inspiriert ist und die architektonisch auf der gegenüberliegenden Seite des Po mit der Piazza Vittoria Veneto korrespondiert. Die Verbindung zwischen der Madre di Dio und der von Arkaden gesäumten monumentalen Piazza Vittoria Veneto stellt die Ponte Vittorio Emanuele I. her.


Replik des Turiner Grabtuchs in Chiesa della Santissima Annunziata, 17. Jh.Cattedrale di San Giovanni Battista (Dom, 15. Jh.), Turin Der Ende des 15. Jahrhunderts errichtete, relativ schmucklose Turiner Dom Cattedrale di San Giovanni Battista zeigt eine Kopie des Abendmalbildes von Leonardo da Vinci. In einer Kapelle des Doms wird das in seiner Authentizität umstrittene und nur selten öffentlich gezeigte Turiner Grabtuch aufbewahrt (Wikipedia: Turiner Grabtuch). Die in den zwanziger Jahren des 20. Jh. im neoklassischen Stil erbaute Chiesa della SS. Annunziata zeigt eine Replik des Grabtuchs.

 
Turmspitze Mole Antonelliana, Turin Rückseite Palazzo Madama (15. Jh.), Turin Der Stadtpalast Palazzo Madama besteht aus einem alten Teil sowie einem stadtseitigen barocken Anbau des 17. Jh. und war der Wohnsitz der Fürsten von Savoyen. Im 19. Jh. fand ein weiterer Ausbau statt. Das linke Foto zeigt die Rückseite.
Die Ende des 19. Jh. gebaute Mole Antonelliana gilt als ein Wahrzeichen Turins (Foto rechts). Begonnen wurde der Bau im Auftrag der jüdischen Gemeinde als Synagoge. Als der ehrgeizige Bau geplante Kosten und die Finanzkraft der Gemeinde weit überstieg, übernahm die Stadt das Projekt. Nach der Fertigstellung war der Bau weltweit mit 167,50 m Höhe das zweithöchste begehbare Gebäude sowie bis 1953 das höchste Gebäude in Ziegelbauweise. Aktuell ist in dem Komplex ein Filmmuseum untergebracht. Wer bereit ist, 10 € zu zahlen (wir nicht!), kann mit einem Aufzug eine 85 m hohe Aussichtsplattform besuchen. Bereits in der Frühe bilden sich Warteschlangen, die über den Tag länger werden.


Piazza Castello, Piazza Reale, Chiesa San Lorenzo, Turin
Piazza Castello, Piazza Reale, Chiesa San Lorenzo
Piazza Reale und Piazza Castello, Turin
Piazza Reale und Piazza Castello
Die königlichen Gärten (Giardini Reali di Torino) hinter dem Palast sind derzeit eine ungepflegte Baustelle. Etwas fitter zeigt sich am Ufer des Po die öffentliche Parkanlage Parco del Valentino, in der wir nach unserem Stadtrundgang rasten, ehe wir zur Unterkunft zurückgehen.
 
 
 
 
 
 
Piazza San Carlo mit Kirchen San Carlo (rechts) und Santa Cristina (links), 17. Jh., Turin
Piazza San Carlo mit Kirchen San Carlo (links)
und Santa Christina (rechts), 17. Jh.
Palazzo di Città (Rathaus, 17. Jh.), Turin
Palazzo di Città (Rathaus), 17. Jh.
Während wir die Piazza San Carlo überqueren, donnert hinter einer Polizei-Escorte auf Motorräden eine Rallye mit Oldtimer-Sportwagen über den eigentlich autofreien Platz. Vor der barocken Kirche Santa Christina parkt ein als Bestatter-Fahrzeug umgebauter Maserati-Kombi. Mehrere Security-Männer in dunklen Anzügen bewachen das Fahrzeug und sichern eine in der Kirche stattfindende Trauerfeier. Wer denkt da nicht an die Cosa Nostra, die in Turin eine Depandance hat?
 

 
 
18.06.2022: Ägyptisches Museum Turin - Fotos Museum
 
Ägyptisches Museum TurinÄgyptisches Museum Turin Das Ägyptische Museum Turin gilt als bedeutendstes Museum ägyptischer Kultur und Kunst außerhalb von Kairo (Wikipedia: Museo Egizio, Museumsseite: Museo Egizio). Es umfasst 32.500 Artefakte, von denen 6.500 auf mehr als 10.000 qm Fläche ausgestellt sind. von 2010 bis 2015 wurde das Museum mit 50 Millionen Euro Kosten umfassend ausgebaut (Deutschlandfunk 2015: Phönix aus der Asche). Interessierte Besucher könnten mehrere Tage in dem Komplex zubringen. 
Aber auch hier gibt es etwas zu meckern. Beschriftungen sind ausschließlich in italienisch und in englisch angebracht und oft nur mit Mühe, manchmal auch gar nicht lesbar. Das kann man besser machen. Außerdem werden Besucher schlecht durch die Ausstellung geleitet. Toiletten findet man nur mit detektivischem Instinkt und das Café erst dann, wenn man davor steht. An der Garderobe sammeln sich Trauben internationaler Besucher, die an unverständlichen Regeln verzweifeln. A-Note: ausgezeichnet, B-Note: ungenügend.

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