Samstag, 16. Oktober 2010

New England 2010: Plymouth, MA - Pilgrims, Mayflower, The Rock und King Philip

Replik der Mayflower
Die Zimmerpreise am Wochenende haben uns davon abgehalten, von den White Mountains gleich nach Cape Cod zu fahren. Plymouth hat sich für eine Zwischen- übernachtung angeboten, weil Cape Cod "vor der Tür" liegt und die Stadt interessant zu sein verspricht.
Seriöse Forschungen amerikanischer Frühgeschichte streben wir in unserem Urlaub nicht an, aber ein wenig in der Geschichte der Kolonialisierung zu stöbern, reizt uns durchaus. Immerhin hat seit 1620 die Besiedlung New Englands hier ihren Ausgang genommen, weshalb hier auch einige tiefe Wurzeln der Geschichte der USA liegen. Die ersten Siedler haben mit dem Segelschiff "Mayflower" 1620 den Kontinent erreicht, weshalb die Mayflower als Symbol für den Aufbruch in eine neue Welt steht. Ein Nachbau dieses Schiffes liegt im Hafen von Plymouth und wird Touristen für 10 $ p.P. als "Museum" verkauft. Wir verzichten auf diese folkloristische Attraktion. Unser kurzer Aufenthalt in Plymouth ist auch eine Zeitreise in diese Geschichte, deren Interpretation selbstverständlich höchst subjektiv ist. Aber wie könnte das auch anders sein, wenn Erkenntnis auf Erfahrung beruht und Erfahrung die Verdichtung des Erlebten ist?

















In unmittelbarer Nähe des Mayflower-Nachbaus befindet sich ein tempelähnliches Gebäude, das seine Bedeutung bereits mit seiner morphologischen Erscheinung unübersehbar vermittelt. Das Gebäude ist um einen Stein herum errichtet, der als "The Rock" vermeintlich den Ort markiert, an dem die Pilger- väter im Jahr 1620 den amerikanischen Kontintent betreten haben. Fixiert wurde dieser Ort allerdings erst 121 Jahre später. Was von dieser Story zu halten ist, mag jeder für sich selbst entscheiden. Für uns handelt es sich um ein Symbol, das eine höhere Bedeutung transzendiert, vergleichbar mit einer Reliquie. Der Realitätsgehalt ist nachrangig und muss auch keiner Überprüfung gemäß wissenschaftlichen Kriterien standhalten.

Historisch war es wohl auch eher so, dass es zuvor einen Ansiedlungsversuch auf Cape Cod gegeben hat, der wegen des unfruchtbaren Bodens aufgegeben worden ist. Zum historischen Zeitpunkt war Cape Cod tatsächlich noch ohne feste Landverbindung und daher eine Insel. Daraus die Begründung abzuleiten, dass die Besiedlung des Kontinents auf dem Gebiet der heutigen Stadt Plymouth begonnen hat, ist nicht unbedingt zwingend, mag aber aus politischen Gründen nützlich sein.

 
















Viel interessanter, weil authentischer, sind einige unspektakuäre Zeugen der Geschichte. Zu diesen zählen ein alter Friedhof, der seit 1620 genutzt wird, eine Kirche neben diesem Friedhof, die aus Teilen einer ehemaligen Festungsanlage errichtet worden ist und eine Wohnstraße, die als die älteste in den USA gilt.












Unsere eher oberflächlichen Recherchen führen uns auf eine interessante Spur eines Indianeraufstands im 17. Jahrhundert, der als "King Philip's War" als einer der blutigsten Kolonialkriege in die Geschichte Nordamerikas eingegangen ist. Humanes Handeln auf Seiten der Ureinwohner, die erst das Überleben der ersten Siedler ermöglicht haben, stößt auf Bevormundung, Unterdrückung und Verdrängung durch die Siedler. Damit wird ein Aufstand der Wampanoag provoziert, den die Siedler in brutalster Art und Weise niederschlagen. Von 3.000 Toten auf Seiten der aufständischen Ureinwohner wird berichtet. Metacomet, der Anführer der Wampanoag, von den Siedlern "King Philip" genannt, wird nach seiner Gefangennahme gevierteilt und sein Kopf über 25 Jahre in Plymouth auf einem Pfahl öffentlich zur Schau gestellt. 

Bemerkenswert erscheint uns an dieser Begebenheit, dass auf Seiten der Siedler nicht Abenteurer bzw. Glücksritter die Akteure waren, die nur ihren persönlichen Nutzen verfolgen, sondern Pilgrims, die wegen ihrer religiös motivierten Ideale ihre Heimat verlassen haben, um ein besseres Leben in einer neuen Welt zu beginnen. Fairerweise ist anzumerken, dass die Haltung der Pilgrims nicht die nachfolgenden Quäker repräsentiert. Diese strebten partnerschaftliche Beziehungen mit den Ureinwohner an, gerieten aber in Stress mit der radikalen Haltung der Pilgrims. Die Geschichte zeigt, dass sich die Quäker nicht durchsetzen konnten und die Selbstgewissheit der Pilgrims auch noch heute in der Politik dominiert. Der mit der Aufklärung einsetzende Rückzug religiöser Überzeugung in die Privatsphäre erzeugt Hoffnung auf ein friedliches Zusammenleben. Andererseits wächst aktuell die Bedrohung durch durch radikale (religiös-)  politische Bewegungen. Die positiv als Väter der neuen Welt verklärten Pilgrims sehen wir eher auf der radikalen Seite.

Anmerkungen:
  • Den Ort Plymouth haben wir als enttäuschend empfunden. Die Geschichte des Ortes ist durchaus präsent, wird aber von Folklore überlagert. Die Ortschaft wirkte ärmlich oder verarmt. Das touristische Angebot ist überwiegend einfach. Es bestehen eine ganze Reihe von Museen. Diese sind dagegen bzgl. ihrer Preisgestaltung als teuer einzuordnen, zumal sie uns auch nicht wirklich attraktiv erschienen. Von dem vorgesehenen Besuch eines Restaurants haben wir mangels ausreichend attraktiver Angebote abgesehen und statt dessen die Angebote eines Supermarktes bevorzugt.   
  • Die Verkehrführung in den USA erleben wir wiederholt als schwierig. Möglicherweise haben wir sie einfach auch noch nicht verstanden. Fest steht jedoch für uns, dass wir ohne ein Navigationsgerät oft hilflos wären. Das Kartenmaterial unseres Navis und die mitunter missverständlichen Anweisungen sind zwar auch nicht problemfrei, aber im Raum großer Städte erfordert das Navigieren genauere Ortskenntnisse, über die ein Navigationsgerät im Unterschied besser verfügt als wir. Für unsere eigene Orientierung vermissen wir insbesondere Hinweise für den Fernverkehr, die u.E. viel zu selten über die Richtung informieren. Die ausgewiesenen lokalen Richtungshinweise sind für einen ortsunkundigen Fahrer nicht hilfreich. Wenn sich dann auch noch kurz nacheinander vier- bis sechsspurige Straßen mehrfach teilen und Fernzielinformationen für den Transitverkehr fehlen, wird die Orientierung zu einem Glücksspiel.  

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