Buchara ist eine alte Oasenstadt an der antiken Seidenstraße in Zentralasien, die auf einem heiligen Hügel vor vermutlich ca. 3000 Jahren gegründet wurde. Diesen Hügel besetzt seit Urzeiten die Zitadelle Ark. Legendärer Erbauer des Ark war Prinz Siyawasch, eine Figur des persischen Nationalepos Schāhnāme.(1)
Seit 1994 ist Bucharas historischer Stadtkern UNESCO-Welterbe. Maßgeblich für die Eintragung als Weltkulturerbe waren nicht einzelne der 140 gelisteten Architekturdenkmäler, sondern das Gesamtbild einer mittelalterlichen islamischen Stadt in Zentralasien, deren Struktur trotz aller Veränderungen seit der im frühen 16. Jahrhundert einsetzenden Scheibaniden-Dynastie weitgehend intakt geblieben ist.
Ein Aufenthalt im historischen Zentrum Bucharas beeindruckt europäische Besucher tief. Eindrücke von Buchara-i-Scherif (Buchara die "Edle", "Heilige") wirken auf Besucher nicht nur fremdartig, sondern auch räselhaft. Um Buchara und besichtigte Sehenswürdigkeiten zumindest ein wenig zu verstehen und kulturhistorisch einordnen zu können, hilft ein Blick auf die Geschichte einer Stadt, in der sich zahlreiche Kulturschichten überlagern. Deren Ursprünge verbirgt Nebel von Frühgeschichte.
Der aktuelle Post ist Teil einer Post-Serie, die über Etappen und Erlebnisse einer Reise entlang der Seidenstraße in Usbekistan berichtet:
- Reise nach Taschkent in Usbekistan
- Reise von Taschkent nach Samarkand an der Seidenstraße
- Reise auf der Großen Seidenstraße von Samarkand nach Buchara
- Buchara-i-Scherif an der Seidenstraße in Usbekistan - Part 2
- Reise auf der Großen Seidenstraße von Buchara nach Chiwa
- Weltkulturerbe Chiwa an der Seidenstraße in Choresmien, Usbekistan
- Reise von Chiwa nach Taschkent
Rückblick auf das historische Buchara im Schnelldurchgang(2)
Ein kurzer Streifzug durch Bucharas Historie zeigt die kulturelle, wirtschaftliche und politische Bedeutung der Stadt über mehr als 2000 Jahre.
- Mit der Expansion des persischen Archämenidenreich nach Zentralasien wurde Sogdien im 6. Jahrhundert v. Chr. zu einer persischen Satrapie. Ab wann sich Buchara zu einem sogdischen Stadtstaat entwickelte, ist unbekannt. Die ältesten archäologischen Funde reichen in griechisch-baktrischer Zeit ab ca. 300 v. Chr. zurück, die den Feldzügen Alexanders des Großen folgte.
- Zur Zeit des Sassanidenreichs (zweites persisches Großreich des Antike im Zeitraum 224 bis 651) kontrollierte Buchara als sogdischer Stadtstaat den Fernhandel auf der Seidenstraße zwischen Asien und Europa.
- Als Folge der islamischen Expansion verlor Buchara ab ca. 700 zunächst an Bedeutung.
- Die islamisch-persische Samaniden-Dynastie machte ab 865 Buchara zur Hauptstadt des mächtigen Samaniden-Reiches. Die Stadt entwickelte sich erneut zu einem Zentrum von Handel und Handwerk.(3) Buchara stieg zu einem intellektuellen Zentrum persischer Kultur auf und bildete das geistige Zentrum des Islams in Zentralasien.
- Mit dem Ende der Samanidenherrschaft verlor Buchara ab 999 an politischer Bedeutung, behielt jedoch seine wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung, bis Dschingis Khans 1220 die Stadt eroberte und zerstörte.
- Während der Timuriden-Dynastie war Buchara im 14. Jahrhundert ein Provinzzentrum im Schatten von Samarkand.
- Die usbekische Dynastie der Scheibaniden machte unter Ubaidullah Buchara ab 1530 zur Hauptstadt des Usbeken-Khanats („Khanat von Buchara“). Buchara wurde zur bedeutendsten Stadt in ganz Zentralasien. Zahlreiche Baudenkmäler dieser Zeit bestimmen bis heute das Stadtbild.(4)
- Mit dem Zerfall des Usbeken-Khanats entstand 1785 das Emirat Buchara. Im Emirat herrschte bis zu dessen Ende orientalische Despotie in einem von jeder 'Heiligkeit' weit entferntem 'Sündenpfuhl'. Islamisch-persischer Kultur infiltrierte Päderastie nach Zentralaisien und entwickelte sie zur Kultur der 'Tanzknaben' (Bacha bazi).(5)
- Üblich waren Sklavenhandel und Korreption unter Kontrolle einer willkürlichen, strengen Sittenpolizei. Bei bereits geringen Vergehen erfolgten öffentliche Bestrafungen mit Stockhieben, Auspeitschungen, Verstümmelungen oder Todesstrafen mit barbarischen Methoden der Hinrichtung, wie Köpfen, Steinigen, Säcken, Sturz von Minaretten.(6) Berühmt und berüchtigt waren Geldgier und Korruptheit der Emire. Als moralisch besonders verkommen und grausam galt Nasrullah Khan, 'Fleischer' genannt.(7)
- Einen scharfen Kontrast zu Moral, Sitten und Gebrächen in der Praxis zeigten Erscheinungsbild und Ruf der Stadt. Ende des 19. Jahrhunderts hatte Buchara laut Meyers Konversationslexikon 360 Moscheen, 103 Medresen, 24 Basare, 38 Karawansereien und 16 Hammams. Buchara galt als Ort des guten Geschmacks und Sitz von Gelehrsamkeit und Heiligkeit.(8)
- Das russische Zarenreich kolonialisierte mit militärischer Gewalt die zentralasiatische Region im Zeitraum von 1852 bis 1884 und gliederte Khanate als Protektorate in das Zarenreich ein. Emir Abd al-Ahad erhielt den Rang eines Generaladjutanten des Zaren. Während der Protektoratszeit blieben innere Angelegenheit in der Hoheit des Emirats. Auf russischen Druck wurde der Vollzug der Todesstrafe durch Herabstürzen von Deliquenten von Minaretten ausgesetzt, aber nach dem Sturz des Zaren wieder eingeführt.
- Bis 1920 bestand formal das Emirat Buchara, das erst mit der Besetzung durch die Rote Armee während des russischen Bürgerkrieges aufgelöst wurde. 1920 sollen bei schweren Kämpfen 75 % der Stadt zerstört worden sein. Alim Khan, ein Nachkomme von Dschingis Khan aus der Mangit-Dynastie und letzter Emir von Buchara, starb 1944 im Exil in Afghanistan. Gerüchte besagen, dass Alim Khan bei der Flucht seine Schätze in den Bergen verstecken und Handlanger der Aktion umbringen ließ.
- Im Jahr 2014 hat Buchara lt. amtlicher Schätzung 272.500 Einwohner und liegt damit auf Platz 6 der Städte Usbekistans.
Sehenswürdigkeiten im historischen Zentrum Buchara - Fotoserien: Altstadt Buchara, Hotel Zargaron
Gestern sind wir in Buchara eingetroffen (Post vom 12.10.2018). Heute und morgen besichtigen wir die Altstadt und Sehenswürdigkeiten der Umgebung. 2 Mitreisende sind von Magen-Darm-Problemen betroffen und können an beiden Tagesprogrammen nicht teilnehmen.(9)
Unser Besichtigungsprogramm startet am Samaniden-Mausoleum, Grabstätte Ismail Samanis in Buchara, ältestes erhaltenes Bauwerk islamischer Architektur in Zentralasien und einziges erhaltenes Bauwerk der Samaniden-Dynastie.
Die an zoroastrische Feuertempel angelehnte Architektur wird auf das 10. Jahrhundert datiert. Die Gestaltung des Gebäudes verzichtet auf farbliche Elemente und basiert lediglich auf einer kunstvollen Anordnung unglasierter Terrakotta-Ziegel. Ursprünglich war das Mausoleum von einem Friedhof umgeben, der bei der Restaurierung des Monuments in eine Parkanlage umgewandelt wurde.
Unweit vom Samaniden-Mausoleum liegt das Mausoleum Chashmai-Ayyub („Quelle des Hiob“). Der älteste Teil geht auf das 12. Jahrhundert zurück und wurde in späteren Jahrhunderten umgestaltet. Vier Kammern des Mausoleums sind mit Kuppeln überbaut. In der Kammer unter dem Kegeldach befindet sich ein Quellbrunnen mit vermeintlichen Heilkräften. Gemäß Legende soll Hiob (eine Figur altorientalischer Texte) der unter großer Trockenheit leidenden Bevölkerung an diesem Ort einen Brunnen gestiftet haben.
Von der ehemaligen mittelalterlichen äußeren Stadtmauer sind nur wenige Reste und Rekonstruktionen erhalten, auf die wir in der Umgebung der beiden besichtigten Sehenswürdigkeiten treffen.
Bauernmarkt in Buchara - Fotoserie Kollektivmarkt
Unweit der besuchten Kulturdenkmäler liegt am Rand der Altstadt ein großer Bauernmarkt, den wir uns selbstverständlich nicht entgehen lassen. In großen Basaren treffen Besucher auf authentisches orientalisches Leben ohne touristische Weichspüler. Ein riesiges Angebot an Lebensmitteln, nicht eßbaren Handelsgütern und handwerklichen Dienstleistungen konkurriert friedlich miteinander ohne Ellenbogen auszufahren bzw. ohne Mitbewerber übertrumpfen zu wollen. Allein eine attraktive Präsentation und kostenlose Proben der angebotenen Waren soll Kaufinteressenten anziehen. Ohne Druck erzeugen zu wollen, werden potentielle Kunden und auch Touristen freundlich angesprochen. Händler lassen sich bereitwillig an ihren Ständen fotografieren. Preise sind selbstverständlich verhandelbar und müssen erfragt werden. Kleinbeträge bis ca. 5 € verhandelt man nicht, erklärt Reiseleiterin Viktoria. Wer größer einkaufen möchte, kann auf Viktorias Hilfe vertrauen. Auf Basaren kann man Einkäufe problemlos auch in US$ oder € zahlen.
Bolo-Hovuz-Moschee - Fotoserie: Bolo-Hovuz-Moschee
Am Rand des historischen Zentrums liegt auf der Westseite des Registan gegenüber der Zitadelle Ark die 1712 gebaute und in der Gegenwart aktive Bolo-Hovuz-Moschee an einem Wasserbecken. Das Wasserbecken ist älter.(10) Vor 1920 war die Bolo-Hovuz-Moschee Hauptfreitagsmoschee von Buchara, sodass der Emir von Buchara nur einen kurzen Weg von der Zitadelle Ark über den Registan bis zur Moschee hatte (Wikipedia: Freitagsmoschee).
Der geschlossene Kuppelbau der Moschee wird als Wintermoschee genutzt, deren Besuch außerhalb der Gebetszeiten problemlos möglich ist, allerdings ohne Schuhe. Der Wintermoschee ist eine 10 m tiefe offene Vorhalle mit einer farbig ausgemalten Kassettendecke als Sommermoschee vorgebaut. Der Iwan wird von in 2 Reihen angeordneten je 10 Holzsäulen mit Schnitzereien getragen. Mit der Spiegelung der 20 Säulen im Wasserbecken verdoppelt sich die Anzahl der Säulen 40. Die Zahl 40 ist in Usbekistan eine Glückszahl.(11)
Registan und Zitadelle Ark - Fotoserie: Zitadelle Ark
Gegenüber der Bolo-Hovuz-Moschee schauen wir auf die Zitadelle Ark, Bucharas historischer Kern seit vermutlich 2500-3000 Jahren. Legenden und Mythen ersetzen keine belastbaren Daten, aber Daten der Entstehungsgeschichte sind unbekannt bzw. verloren gegangen. Zwischen Bolo-Hovuz-Moschee und Zitadelle Ark liegt der Registan, öffentlicher Hauptplatz in historischen zentralasiatischen Städten, auf dem Märkte stattfanden, der aber auch für öffentliche Bestrafungen, Hinrichtungen und politische Aktionen genutzt wurde. Vom ursprünglich in Buchara dicht umbauten Platz sind nur die benannten Bauwerke erhalten.
Die Zitadelle Ark bildete in der Stadt Buchara eine innere Stadt, in der sich der Palast des Herrschers, die wichtigsten Einrichtungen der administrativen Infrastruktur, Werkstätten und Wohngebäude von Staatsdienern befanden. Die Festung breitete sich auf einer Fläche von 4 ha aus (ca. 200m x 200m). Bei der Eroberung Bucharas durch die Rote Armee zerstörte 1920 ein Großbrand die Holzhäuser der Festung vollständig. Wiederaufgebaut nach historischen Plänen wurde nur der Palastkomplex. In den Räumlichkeiten sind mehrere kleine Museen angesiedelt, von denen keines nachhaltige Erinnerungen hinterlassen hat.
Innerhalb der Festung besichtigen wir die auf 3 Seiten von offenen Galerien umgebene Djami-Moschee. Mit Schnitzwerk verzierte Säulen tragen Vordächer mit sehenswerten Kassettendecken. Innerhalb der Moschee ist ein Museum für Kalligraphie untergebracht.
Räume des Palastkomplexes umschließen mehrere Innenhöfe mit offener Audienzhalle und ebenfalls offenem Thronsaal. Einer der Innenhöfe ist als Haremshof für Frauen des Emirs reserviert.(12) Von 400 Frauen im Harem des Emirs wird berichtet(13), als die Rote Armee 1920 Buchara stürmte. Neben seinem Frauenharem besaß Emir Alim Khan einen zweiten Harem mit schönen Tanzknaben. Bei seiner Flucht nach Afghanistan nahm Alim Khan keine Frauen, jedoch einige Knaben mit. Ein Gerücht besagt, dass der Emir bei der Flucht seine Schätze in den Bergen verstecken und Personen umbringen ließ, die den Ort des Verstecks kannten.
Mittagsimbiss im Restaurant Minzifa im jüdischen Viertel - Fotoserie: Minzifa
Vom Labi Hauz im Zentrum der Altstadt führen schmale Gassen in ein jüdisches Viertel, in dem Reiseleiterin Viktoria zum Lunch im Restaurant Minzifa reserviert hat. Im verwinkelten engen Restaurant nehmen wir im Obergeschoss Platz und erhalten bald ein eher schlichtes viergänges Menü, zu dem uns ein einheimischer Straßenmusiker zeitweilig mit usbekischer Folklore unterhält.
Spannender als Restaurant, Menü und Folklore ist das Phänomen Bucharischer Juden. Wann und warum sind sie nach Buchara gezogen? Warum sind sie als Ungläubige in der verbotenen Stadt geduldet? Wie leben Juden in Buchara?(14)
Besuch bei Kunsthandwerkern im Labi-Hauz-Komplex (bis 'Timurs Rache' zuschlägt)
Von den ehemals mehr als 100 Wasserbecken in Buchara sind nur noch wenige erhalten. Die meisten Wasserbecken im vorigen Jahrhundert trockengelegt, weil mit Krankheitserregern und Parasiten kontaminiertes Wasser der Becken vielen Menschen in Buchara schlecht bekam. Alberne Plastikstörche in gefakten Nestern auf einigen Dächern und Türmen der Altstadt erinnern an die Zeit der Wasserbecken, zu der zahlreiche Störche in Buchara nisteten.
Das Wasserbecken am Labi Hauz im Zentrum der Altstadt ist eines der wenigen erhaltenen und eines der größten in Buchara. Nodir Devonbegi, Onkel und Großwesir von Imam Quli Khan, ließ es 1620 anlegen. Zweimal monatlich wurde das Becken per Kanal Schachrud mit Wasser aus dem Fluss Serafschan gefüllt.
Das Wasserbecken am Labi Hauz umgibt eine kleine Parkanlage und ein interessantes Ensemble historischer Gebäude, die hier lediglich namentlich aufgeführt sind:
Nodir-Devonbegi-Chanaqa (1620), Nodir-Devonbegi-Medrese (1623) sowie Koʻkaldosh-Medrese (1569), größte Medrese in Buchara und eine der größten in Zentralasien. In der Gegenwart tummelt sich am Labi Hauz eine lebendige Restaurant-Szene.
Im Innenhof der Nodir-Devonbegi-Medrese besuchen wir ein Geschäft für Seidentücher und Seidenbekleidung. In der Gruppe ist das Interesse gering. Für Westeuropäer ungewöhnlich mutige Farbkombinationen hemmen vermutlich die Kauflust. Reiseleiterin Viktioria kennt die Besitzerin und zeigt sich bemüht, Käufe zu motivieren, indem sie auf die außerodentlich hohe Qualität der Tücher und die für unsere Gruppe reduzierten Preise verweist.
Ähnlich verläuft der Besuch beim Meister-Miniaturenmaler Davlat Toshev im Kuppelbasar Toqi Sarrafon.(15) Die Qualität der kunstvollen Miniaturen auf z.T. historischem Seidenpapier ist selbst für Laien erkennbar. Teures Material und zeitaufwändige Herstellung schlagen sich in Preisen nieder, die erneut keine Kauflust entfacht. Das Geschehen verfolge ich mit wenig Interesse, weil sich mittlerweile ein heranziehendes körperliches Unwohlsein bemerkbar macht.
Wenige Meter östlich des Kuppelbasars Toqi Zargaron stehen sich die Ulugh-Beg-Medrese und die Abdulaziz-Khan-Madrasa im Kosch-Prinzip gegenüber. Die Ulugh-Beg-Medrese ist eine von 3 Medresen, die Timuriden-Khan Ulugh Beg bauen ließ. Sie wurde 1417 fertiggestellt und ist die älteste erhaltene Medrese in Zentralasien. Sternenmotive der Ornamente verweisen auf Ulugh Begs Leidenschaft für Astronomie. Auf der Tür der Medrese steht das Motto: «Das Streben nach Wissen ist die Pflicht jedes Moslems und jeder Moslemin». Die Abdulaziz-Khan-Madrasa wurde 1652 errichtet. Das Gebäude beeindruckt mit eleganter Ausstattung und komplexen Motiven seiner Ornamente. In beiden Medresen werden in der Gegenwart Shops betrieben.
Zwischen Ulugh-Beg-Medrese und Toqi Zargaron liegt die nächste Station unserer Shopping-Runde, eine Werkstatt für kunstvoll dekorierte geschmiedete Messer, Dolche und Scheren in Form von Storchenschnäbeln. Während der Meister Funktionalität und Qualität seiner Produkte beschreibt, trifft mich 'Timurs Rache'. Mein Mageninhalt will den Verdauungsweg umkehren. Ich kann gerade noch vor die Tür treten und entleere den Mageninhalt neben dem Eingang. Ein Mann aus dem Nachbargeschäft möchte helfen und bringt einen Stuhl sowie ein Blatt Küchenkrepp. Inzwischen ist auch Reiseleiterin Viktoria im Bilde. Sie überreicht einige Kapseln, von denen ich eine sofort nehmen soll und weitere im Laufe des Abends sowie am nächsten Morgen. Dann schickt sie uns voraus zum Hotel, in dem sie nun 3 Mitglieder unserer Reisegruppe fürsorglich betreut.
Im Hotel lässt Viktoria ein Getränk anrühren, das die Entleerung von Magen und Darm beschleunigt. Das Getränk wirkt prompt. Magen und Darm beruhigen sich allmählich. Das Dinner fällt für uns heute aus. Am Abend erhalte ich im Zimmer des Hotels eine Kanne Tee, einen Teller Reis und Zwieback. Tee geht gerade noch, aber feste Nahrung geht gar nicht. Einen Zwieback esse ich erst als Frühstück am nächsten Morgen.
Fortsetzung der Buchara-Etappe: Buchara-i-Scherif an der Seidenstraße in Usbekistan - Part 2
Anmerkungen
- Siyawasch hatte sich in die Tochter des mythologischen Königs Afrasiab verliebt, der die Erlaubnis zur Eheschliessung unter der Voraussetzung gab, dass Siyawasch auf der Fläche einer Kuhhaut einen Palast bauen könne. Siyawasch schnitt eine Kuhhaut in feine Streifen, die er zu einer großen Fläche auslegte, auf der er einen Hügel aufschüttete, um auf diesem den Ark zu errichten.
- Die Geschichte Transoxaniens (heutiges Usbekistan) betrachtet der Post Reise an die Seidenstraße in Usbekistan im Überblick.
- "Im 10. Jahrhundert war Transoxanien die Drehscheibe des internationalen Handels zwischen Ost und West. Neben Handelsbeziehungen in den Nahen Osten und das Kaiserreich China bestanden auch Verbindungen nach Indien und in das Wolgagebiet. Gehandelt wurden unzählige Waren (u. a. Seife, Stoffe, Wolle, Teppiche, Pelze, Schminke, Öl, Metallgefäße, Honig, Nüsse, Melonen, Waffen, Sklaven, Pferde). Bestimmte zentralasiatische Melonen waren so beliebt, dass man sie in mit Schnee gefüllten Bleikisten bis nach Bagdad transportierte, wo sie horrende Preise (pro Frucht sieben bis zehn Mal so viel wie für einen Sklaven) erzielten. Hunderttausende samanidische Silbermünzen sind in Europa gefunden worden, viele davon in Schweden, und auch in Mainz wurden sie nach Aussage eines Sklavenhändlers namens Ibrahim Jakub (Ibrahim ibn Yaqub) im 10. Jahrhundert verwendet. Neben den Handelsbeziehungen blühten auch die Bewässerungsfeldwirtschaft und eine hoch entwickelte Bergbauindustrie. Durch den wirtschaftlichen Reichtum konnten die Samaniden vor allem in den Städten eine reiche Bautätigkeit entfalten. Erhalten ist davon z. B. das Samaniden-Mausoleum in Buchara." (Wikipedia: Samaniden)
- Bernhard Peter: Usebekistan/Die Shaibaniden
- Die strikte Geschlechtertrennung im Islam begünstigte vermutlich ab dem 8. Jahrhundert die Ausbreitung von Päderastie
(im antiken Griechenland eine institutionalisierte Form der
Homosexualität zwischen Männern und Knaben) in der islamisch-persischen
Kultur.
Berichterstattungen und literarische Texte belegen, dass als Bacha bazi beichnete 'Tanzknaben' bzw. 'Knabenspiele' (eine Form der Kinderprostitution) im 19. und 20. Jahrhundert in zentralasiatischer usbekischer Kultur und insbesondere in Samarkand und Buchara verbreitet sind. Von westlichen Moralvorstellungen beeinflusste sowjetische Politik verbannte 'Tanzknaben' nach 1920 aus der Öffentlichkeit.
- Wikipedia: Bacha bazi im 19./20. Jahrhundert in Zentralasien
Päderastie ist in Afghanistan verboten, aber vor allem in der usbekischen Bevölkerung Afghanistans werden Bachas auch in der Gegenwart beschrieben, ebenso in Pakistan und in Indien.
- Wikipedia: Bacha bazi in Afghanistan
- FAZ: Die Tanzknaben vom Hindukusch
- Ingeborg Baldauf: Bacabozlik: Knabenliebe, Volksgesang und Literatur in Zentralasien - Rohe Sitten und Gebräuche im Emirat Buchara beschreibt Claudia Strössner (ohne Quellen zu nennen) im Teil 4 ihres Reiseberichtes: Usbekistan - Im Land von 1001 Nacht - Teil 4
- Im Auftrag der britischen Krone reiste Oberst Charles Stoddart 1839 nach Buchara, um mit Emir Nasrullah Khan über britische Einmarschpläne in Afghanistan zu verhandeln. Stoddart ritt
zu Pferd bis zur Festung, statt zu Fuß zu
gehen, wie es das Protokoll vorsah. Außerdem brachte er keine Geschenke für den Emir mit und konnte kein Schreiben von
Königin Victoria vorlegen, die der Emir als gleichberechtigt ansah, sondern nur
ein Schreiben des Generalgouverneurs von Indien. Der Emir ließ Stoddart daraufhin gefangen nehmen.
2 Jahre später wurde Hauptmann Arthur Conolly nach Buchara geschickt, um die Freilassung Stoddarts zu erreichen. Der Emir vermutete ein Komplott mit den Khans von Chiwa und Kokand und ließ auch ihn gefangen nehmen. Kurz nach dem Rückzug der Engländer aus Kabul wurden beide durch Köpfen öffentlich hingerichtet. In Großbritannien erregte der Vorfall großes Aufsehen. Josepf Wolff, ein in Bamberg geborener jüdisch-christlicher Missionar, kannte keine Details der Geheimdiplomatie. Er reiste 1843 nach Buchara, um nach den mittlerweile hingerichteten Briten zu suchen und ihre Freilassung zu bewirken. Der Emir amüsierte sich über die für ihn lächerliche Person und ließ Josepf Wolff gehen. - Wie passt dieser Sachverhalt der hohen Dichte religiöser Einrichtungen zum sündigen Buchara? Händler sind 'Dealmaker'. Eine hohe Sündenlast motiviert vermutlich religiöse Wohlhabende zur Stiftung vermeintlich gottgefälliger Einrichtungen, die mit dem Sündenkonto verrechnet werden. Dieser Zusammenhang erklärt möglicherweise in umgekehrter Richtung, wieso Buchara zum Zentrum der ersoterischen, asktetisch-mystischen Bewegung des Sufismus in Zentralasien werden konnte.
- Alle Mitglieder der der Reisegruppe wissen, dass Europäer in Asien
häufig von Magen-Darm-Probleme befallen werden. Landestypische
hygienische Standards versetzen das weniger gut trainierte Immunsystem
europäischer Besucher schnell in Alarmstimmung. Nicht sorgfältig raffiniertes oder durch Pestizide verunreinigtes Baumwollsamenöl, mit dem in Usbekistan überwiegend gekocht wird, kommt ebenfalls als Auslöser in Frage. Hauptverdächtig ist
die Qualität von Leitungswasser, das außerhalb von Taschkent keine Trinkwasserqualität hat und
kontaminiert sein kann. Dementsprechend vermeiden wir den Verzehr
ungeschälter Früchte oder ungekochter Kost und putzen uns die Zähne mit
Mineralwasser.
Was auch immer der Auslöser sein mag, Reiseleiterin Viktoria ist vorbereitet und hält geeignete Gegenmaßnahmen parat, sodass die Attacke meistens nach einem Tag vorüber ist. - Da man in engen Gassen der Altstadt Wasser nicht direkt in die Wohnviertel leiten konnte, wurden Wasserbecken eingerichtet, in die Wasser aus dem Fluss Serafschan über den Kanal Schachrud eingespeist wurde. Hauptberufliche Wasserträger füllten Wasser in den Becken ab und brachten es in die Haushalte. Anfang des 20. Jh. soll es in Buchara noch mehr als 100 Wasserbecken gegeben haben. Wasserbecken waren von Parasiten befallen, u.a. von dem für Menschen gefährlichen Guinea- bzw. Medinawurm. Aus hygienischen Gründen wurden in den 1920er und 1930er Jahren die meisten Wasserbecken trockengelegt.
- Bräute tragen eine Frisur aus 40 kleinen Zöpfen und zu Beginn der Ehe eine Schmuckkappe für mindestens 40 Tage. Von frisch verheirateten Brautleuten wird erwartet, dass sie in den 40 Tagen ihre Ehe das erste Kind zeugen.
- Das Leben im Harem war kein Ponyhof, erklärt Viktoria. Unter den Frauen herrschte scharfe Konkurrenz, Neid und Missgunst. Frauen, die der Emir begünstigte, mussten Rache von Frauen fürchten, die sich zurückgesetzt fühlten. Kinder von Konkurrentinnen wurden oft umgebracht, um Chancen eigener Kinder zu erhöhen.
- Wie ist ein Harem mit vielen Frauen nach islamischem Recht zu rechtfertigen, wenn der Koran nur bis zu 4 Ehefrauen erlaubt? Durch die Unterscheidung von Haupt- und Nebenfrauen! Als Ehefrauen gemäß islamischer Rechtsauffassung gelten nur die Hauptfrauen. Nebenfrauen kennt das islamische Recht nicht, jedoch das Konkubinat, dass mit Sklavinnen im eigenen Besitz ausdrücklich gestattet war. Somit unterliegt die Anzahl von Nebenfrauen nur praktischen, aber keinen rechtlichen Grenzen. Kinder von Haupt- und Nebenfrauen sind im islamischen Kulturraum rechtlich gleichgestellt. (Wikipedia: Konkubinat im Islam)
- Informationen zur Geschichte bucharischer Juden:
- Webseite des Jüdisch-Bucharisch-Sefardischen Zentrums Deutschland: Über bucharische Juden
- Wikipedia: Bucharische Juden
- Wikipedia: Usbekische Juden
- Novastan.org: Die bucharischen Juden - wie kamen sie nach Zentralasien
- Welchen Nutzen bezog Buchara aus der jüdischen Gemeinde? - Juden zahlten Tribut
- Wovon lebten Juden in Buchara? - Juden waren vor allem Handwerker
- Wie lebten Juden in Buchara? - Juden leben "in der größten Unterdrückung und Verachtung"
- Bernhard Peter: Toshev Davlat - Miniaturist und Kalligraph in Bukhara
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