Mittwoch, 10. Oktober 2018

Reise von Taschkent nach Samarkand an der Seidenstraße in Usbekistan

Hotel Malika Prime in Samarkand Baumwollfelder an einem Rastplatz der Route nach Sarmakand Registan Samarkand, Medresen Ulugʻbek, Tilya-Kori, Sher-Dor

Nach dem Vormittags-Programm in Taschkent, Hauptstadt Usbekistans, reisen wir per Bus nach Samarkand, zweitgrößte Stadt des Landes mit ca. 500.000 Einwohnern. Auf der Fahrt passieren wir endlose Baumwollfelder, an denen die Ernte stattfindet und ein Halt verboten ist. Ernte-Arbeiter werden zwangsrekrutiert, was Touristen möglichst nicht mitbekommen und schon gar nicht dokumentieren sollen (Welt: Wo Lehrer und Ärzte zu Baumwoll-Sklaven werden). Für ca. 300 km auf usbekischer Autobahn benötigen wir 6,5 Stunden (inkl. 2 Stops), weil die mit Schlaglöchern übersäte Piste nur vorsichtige Fahrweisen erlaubt. Um 20:30 Uhr erreichen wir Samarkand mit seinen bedeutenden Bauwerken islamischer Kultur. Das Besichtigungsprogramm beginnt morgen. Im angenehmen Hotel Malika Prime nehmen wir heute das Abendessen ein. - Fotoserien: Busreise nach Samarkand, Hotel Malika Prime


Der aktuelle Post ist Teil einer Post-Serie, die über Etappen und Erlebnisse einer Reise entlang der Seidenstraße in Usbekistan berichtet:

Samarkand, Usbekistan
Blut einer Millionenzahl von Menschen tränkten Timurs mit absoluter Brutalität durchgeführte Feldzüge. Abgesehen von Spitzen der Aristokratie und Geistlichkeit wurde niemand verschont, bis auf herausragende Baumeister und Künstler, die Timur nach Transoxanien deportierte, um die Städte Samarkand, Buchara, Kesch prachtvoll im persischen Stil auszubauen. Samarkand machte Timur zur Hauptstadt seines auf Terror basierenden riesigen Reiches, das nach seinem Tod bald zerfiel. Timur hinterließ in Asien die bedeutendsten Architekturdenkmäler seiner Zeit. Monumentalität, Glanz und Perfektion der Bauwerke maskieren die Grausamkeit des Despoten.


Gur-Emir-Mausoleum - Fotoserie
Melonen-Kuppel Gur-Emir-Mausoleum, Samarkand Gur-Emir-Mausoleum, Samarkand Gur-Emir-Mausoleum, Samarkand

Besucher betreten den palastartigen Komplex des Gur-Emir-Mausoleums durch einen 12 m hohen, reich verzierten Iwan (einseitige offene Halle mit Tonnengewölbe nach dem Vorbild persischer Palastarchitektur) und gelangen in einen Innenhof, in dem ehemals eine Medrese (Koranschule) und ein Chanakah (Zentrum einer Sufi-Bruderschaft bzw. Derwisch-Ordens) das Mausoleum erweiterten. Medrese und Chanakah sind zerstört und konnten nicht rekonstruiert werden. In den Ecken des Innenhofs ragten ursprünglich 4 Minarette auf, von denen 2 erhalten sind. Im Zentrum des Komplexes liegt im restaurierten Zustand das 34 m hohe Gur-Emir-Mausoleum, Grabstätte Timurs und einiger Angehöriger der Timuriden-Dynastie, wie Ulug Beg, Schah-Ruch sowie Timurs Lehrer Mir Said Berke. Der Aufbau des Mausoleums ist dreigeteilt. Aus einem mit geometrischen Mosaiken verzierten 13 m hohen achteckigen Unterbau ragt ein mit kufischer Schrift auf Majolika-Fliesen verzierter 8 m hoher zylindrischer Tambour, der eine 13 m hohe doppelschalige Kuppel trägt. Glasierte Ziegeln der melonenförmigen, gerippten Außenkuppel bilden ein Moasik. Die 64 Rippen der Kuppel verweisen auf 64 Lebensjahre Mohammeds.

Schwarzer Timur-Kenotaph zwischen Kenotaphe von Schāh Ruch, Ulug Beg und Timurs Lehrer  Mir Said BerkeInnenkuppel Gur-Emir-Mausoleum, SamarkandSchwarzer Timur-Kenotaph zwischen Kenotaphe von Schāh Ruch, Ulug Beg und Timurs Lehrer  Mir Said Berke
Der Innenraum des Mausoleums hat einen quadratischen Grundriss, den vier Nischen mit Stalaktitbaldachinen kreuzförmig erweitern. Geometrische Muster der Innenkuppel schimmern in Goldtönen und setzen sich an den Wänden in goldenen und blauen Tönen fort. Kenotaphe auf dem Boden des Innenraums verweisen auf Gräber der Gruft im Untergeschoss.


Bibi-Khanum-Moschee - Fotoserie
Innenhof der Bibi-Khanum-Moschee Portale und Kuppelbau der Bibi-Khanum-Moschee Samarkand Monumentaler Stein-Koranständer im Innenhof der Bibi-Khanum-Moschee

Ebenfalls in der Timur-Zeit entstand die Bibi-Khanum-Moschee, ein von Größenwahn zeugender Monumentalkomplex, dessen Ausführung Timur persönlich überwacht haben soll. Das Bauwerk sollte Timurs Macht sowie dessen politischen und religiösen Anspruch demonstrieren. Der Name des Bauwerks verweist auf Timurs vermeintliche Lieblingsfrau Bibi Khanum, die lt. Legende Auftraggeberin war und Timur mit dem Bauwerk überraschen wollte. Historisch ist Bibi Khanum als Name einer Ehefrau Timurs nicht zu belegen.
Timur nutzte die Fähigkeiten der besten Baumeister, Steinmetze und Künstler seiner Zeit, aber die verwegene Größe des Gebäudes stieß an nicht zu überwindende bautechnische Grenzen. Zusätzlich beschleunigten Probleme des Untergrundes, Baupfusch aufgrund von Zeidruck und der Einfluss von Naturkatastropen den Verfall des Komplexes. Bewohner plünderten aus der Ruine Baumaterial. Im 20. Jahrhundert setzte bereits in sowjetischer Zeit die 'never ending story' der Restaurierung ein. Das Zentrum des Innenhofes markiert ein monumentaler steinerner Koranständer aus der Timur-Zeit. 

Kuppelbau der Bibi-Khanum-Moschee mit vorgelagertem Pischtak Kuppelbau der Bibi-Khanum-Moschee mit vorgelagertem Pischtak Innenkuppel der Bibi-Khanum-Moschee
Gegenüber dem 40 m hohen Portal erhebt sich ein doppelschaliger Kuppelbau mit vorgelagertem Iwan. Der Innenraum der Moschee mit dem zentralen Mihrab ist wegen der Gefahr herabfallender Ziegel für Besucher gesperrt. Selbst als Ruine beeindrucken Architektur und handwerkliche Qualität des Komplexes.


Registan-Platz - Fotoserie Tag - Fotoserie Abend
Sher-Dor-Medrese am Registan-Platz in Samarkand Ulugʻbek-Medrese am Registan-Platz Samarkand Tilya-Kori-Medrese am Registan-Platz Samarkand

Historisch war in Zentralasien ein Registan (Sandplatz) der öffentliche Hauptplatz einer Stadt, der für wirtschaftliche und politische Aktivitäten genutzt wurde. Den Registan von Samarkand umrahmen drei prächtige Medresen: im Westen die Ulug’bek-Medrese (1417-1420), im Osten die Sher-Dor-Medrese (1619-1636), im Norden die Tilya-Kori-Medrese (1646-1660). Das architektonische Gesamtkonzept gilt als einzigartig und macht den Registan von Samarkand zu einem der bedeutendsten und beeindruckendsten Stadtplätze in Zentralasien.
Im 19. Jahrhundert waren die Medresen zu Ruinen verfallen. Nach Restaurierungskampagnen des 20. Jahrhunderts vermittelt der Registan einen Zauber, dessen Magie sich kein Besucher entziehen kann. Wir besichtigen ausgiebig die 3 Medresen. Während die Ulug’bek-Medrese in der Gegenwart ausschließlich als Basar genutzt wird, dienen die beiden anderen Medresen weiteren Nutzungszwecken. in der Tilya-Kori-Medrese besuchen wir die reich vergoldete aktive Moschee. In der Sher-Dor-Medrese  lernen wir, wie traditionelle Musikinstrumente gespielt werden und klingen. Eine Besonderheit in der islamischen Welt des Bilderverbots zeigt der Pischtak der Sher-Dor-Medrese. In beiden oberen Ecken stellt ein Mosaik einen jagenden Tiger dar, über dem eine Sonne mit menschlichen Gesichtszügen strahlt.

Registan-Platz am Abend Tigermosaik der Sher-Dor-Medrese Tumor Restaurant in Samarkand

Nach einem heute weniger gelungenen Abendessen im vermeintlich hippen, aber tatsächlich eher nervigen Samarkander Restaurant 'Tumor' kehren wir bei Dunkelheit noch einmal zum illuminierten Registan zurück. Eine aufwändig inszinierte bombastische Musik-Lightshow präsentiert eine im Stil plumper Werbung verzerrte Geschichte des Landes und garniert das Machwerk mit allerlei optischen Gimmicks.



Rundgänge und Restaurantbesuche in Samarkand - Fotoserien: Mittagsimbiss, Siab Basar, Spaziergang, Familien-Restaurant
Motiv in der Altstadt Samarkand Siab Basar Samarkand Männerversammlung in der Altstadt Samarkand

Nach dem Mittagsimbiss in einem Teahouse an der Registan-Straße besuchen wir den orientalisch-bunten Siab Basar nahe der Bibi-Khanum-Moschee und schlendern am Nachmittag noch einmal durch Viertel des historischen Zentrums. Der Anlass einer Männerversammlung in der Altstadt erschließt sich uns nicht. Wenig später treffen auf einen an seinem Fahrzeug stehenden Taxifahrer, der uns zu verstehen gibt, dass wir uns in Richtung einer No-go-Area bewegen und umkehren sollten. Danke für den Hinweis! 
Das heute vorzügliche Abendessen nehmen wir in einem Familien-Restaurant ein, das eine große Mehr-Generationen-Familie engagiert betreibt. Die Senior-Chefin begrüßt alle Gruppen persönlich, während einige Kinder für die Küche und Enkel für den Service verantwortlich sind.


Besichtigungen außerhalb Samarkand - Fotoserien: Nekropole Schah-e Sinda, Ulugh-beg-Observatorium, Ausgrabungsfeld Afrasiab
Gräberstraße der Nekropole Schah-e SindaAußerhalb Samarkands wurden zwischen dem 9. und 19. Jahrhundert Mausoleen der Gräberstadt Schah-e Sinda ('Der lebende König‘) errichtet. Das in gutem Zustand erhaltene Ensemble besteht aus mehr als 20 Gebäuden. Von den ältesten Gebäuden sind nur Fundamente und Grabsteine erhalten. Die meisten Gebäude stammen aus dem 14. und 15. Jahrhundert und dienten der Bestattung von Adligen der Timuriden-Dynastie. Neben ihrer kulturhistorischen Bedeutung hat die Nekropole Bedeutung als Wallfahrsort, weil gemäß Legende Abdallāh ibn ʿAbbās, Cousin des Propheten Mohammed und bedeutender Koran-Exeget des 7. Jahrhunderts, hier begraben sein soll.




Ulugh-Beg-Observatorium Zidsch-e Gurkani
Am Rand von Samarkand ließ Timurs Enkel Ulugh Begh das Observatorium Gurkani Zidsch errichten. Ulugh Begh beschäftigte sich mit Mathematik und Astronomie, gründete die Ulugh-Beg-Medrese, die er als Zentrum der Mathematik und Astronomie zu einer der angesehensten Hochschulen in Zentralasien machte und stiftete für praktische Beobachtungen das Observatorium. Ulugh Begh stellte die Wissenschaft über den Glauben und soll gesagt haben: „Die Religionen zerstreuen sich wie Nebel, die Zarenreiche zerstören sich von selbst, aber die Arbeiten des Gelehrten bleiben für alle Zeiten. Das Streben nach Wissen ist die Pflicht eines jeden!“ Radikale Fundamentalisten gab es auch im 15. Jahrhundert. Sie sorgten für Ulugh Begh Sturz und seine Ermordung sowie für die Zerstörung des Observatoriums, von dem lediglich der unterirdische Teil des Sextanten erhalten blieb, den der russische Archäologe Vassily Lavrentyevich Vyatkin 1908 entdeckte.

Ausgrabungsfeld Afrasiab in Google Earth Ein Rundgang im Ausgrabungsfeld Afrasiab und im Afrasiab-Museum öffnet die Augen für die Geschichte Samarkands. Die Stadt wurde im 14. Jahrhundert neu aufgebaut, nachdem die Vorläufer-Stadt Afrasiab 1220 durch Dschingis Khan erobert und zerstört worden war.
Die um 750 v. Chr. gegründete Stadt Afrasiab war im Achämenidenreich die Hauptstadt der Provinz Sogdien. Alexander der Große unterwarf ab 334 v. Chr. in mehreren Feldzügen das Archämenidenreich. Einen Aufstand der Sogden schlug Alexander 329-327 v. Chr. nieder und eroberte Afrasiab (griechisch 'Marakanda'). Laut Überlieferung soll Alexander bei der Eroberung der Stadt gesagt haben: „Alles, was ich über die Schönheit dieser Stadt gehört habe, ist wahr - nur dass sie noch viel schöner ist, als ich es mir vorgestellt habe".
Oberirdisch sind von Afrasiab keine Bauwerke erhalten. Seit nahezu 200 Jahren finden ärchäologische Grabungen mit zahlreichen Funden statt, von denen jedoch durch politsche Wirren viele verschollen oder zerstört sind.

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