Freitag, 12. Oktober 2018

Reise auf der Großen Seidenstraße von Samarkand nach Buchara in Usbekistan

Mittagsimbiss im Atrium des Töpferfamilienhauses in Gijduvan Baumwollfeld an der Straße zwischen Samarkand und Buchara Hauptportal der Karawanserei Rabat-e Malik

Von Samarkand reisen wir per Bus 280 km auf der internationalen Fernstraße M37 nach Buchara. Die Route verläuft auf einem Abschnitt der Hauptroute der antiken Seidenstraße. Diese darf man sich nicht als feste Verkehrs- und Handelswege vorstellen (wie z.B. Römerstraßen), sondern als eine Kette von Ortschaften, Oasen und Karawansereien, die Handelskarawanen auf dem Weg durch Trockengebiete, Wüsten und Berglandschaften als Stützpunkte nutzten. In der Gegenwart ist die Fernstraße M37 zwischen Samarkand und Buchara selbstverständlich eine befestigte Straße, die jedoch vom Komfort einer Autobahn oder eines Highways weit entfernt ist. Die M37 präsentiert sich als ruppige Schlagloch-Piste. Unser Golden Dragon Bus aus chinesischer Produktion ist relativ neu, aber kein Hightech-Produkt, das mit Luftfederung über Schlaglöcher gleiten könnte. Unebenheiten meldet unser Bus rurmpelnd an Insassen. Vor Schlaglöchern reduzieren unsere Fahrer die Geschwindigkeit. Ob das mit Rücksicht auf die Technik oder mit Rücksicht auf die Insassen geschieht, bleibt ungeklärt. Beschleunigungen nach Bremsmanövern quittiert der Motor röhrend und malend. Wir wollen uns nicht beklagen. Handelskarawanen legten unter weit schwierigeren Bedingungen 25-40 km am Tag zurück. Selbst für geübte Wanderer wäre das eine stramme Leistung. Für 280 km hätte eine Karawane ca. 10 Tage benötigt. Wir benötigen 4,5 Stunden Fahrzeit. Tatsächlich sind wir jedoch inklusive Reiseprogramm fast 8 Stunden unterwegs.

Der aktuelle Post ist Teil einer Post-Serie, die über Etappen und Erlebnisse einer Reise entlang der Seidenstraße in Usbekistan berichtet:

Seidenstraße on the road - Fotoserie: Busreise
Weinfeld an der Straße zwischen Samarkand und BucharaBaumwollfeld an der Straße zwischen Samarkand und Buchara Wie schon auf dem Weg nach Samarkand fahren wir auch auf dem Weg nach Buchara entlang endloser Baumwollfelder. Später kommen Weinfelder hinzu. Wein wurde in Transoxanien bereits im 6. Jahrhundert v. Chr. angebaut. Weinbau entstand vor mehr als 4.000 Jahren in Regionen des heutigen Georgien. Von dort breitete sich der Anbau von Wein nach Westen in Richtung Europa und nach Osten in Richtung Zentralasien aus. Zahlreiche überwiegend autochthone Rebsorten wurden vermutlich aus Wildreben selektiert. Die islamische Expansion im 7. Jahrhundert bewirkte eine Umstellung des Weinbaus in Transoxanien auf die Produktion von Tafelobst und Rosinen. In der Gegenwart spielt Weinbau in Usbekistan nur eine untergeordnete Rolle. Er wird jedoch staatlich gefördert und gilt als Zukunftsbranche.(1) Auf der Reise probierte Weine schmeckten für unseren Geschmack fremdartig, eigenwillig, teilweise ungenießbar und müssen nach unserer Einschätzung noch erheblich an Qualität zulegen, um in einem internationalen Markt wettbewerbsfähig zu sein.

Mittagsimbiss im Kizilqum Teahouse"Gesundheitspause" an einer "Halle der Harmonie" Eine relativ saubere öffentliche Toilette an der Route motiviert zur 'Gesundheitspause'. Öffentliche Toiletten sind in Usbekistan eher unübllich. In Städten findet man sie an Moscheen und in Restaurants, Hotels, Museen oder in deren Umgebung. Außerhalb von Städten sind 'Hallen der Harmonie' an Tankstellen zu finden und bestehen dort meistens aus stark verschmutzten, stinkenden Stehkloabteilen, die man zugunsten eines Naturklos besser meidet. Reiseleiterin Viktoria weiß glücklicherweise, wo eine akzeptable Toilette oder, falls es weit und breit keine gibt, ein ruhiges Gelände mit Deckung zu finden ist (Frauen rechts, Männer links).
Aufsichtspersonal von Toiletten (in der Regel Frauen), scheint lediglich für das Kassieren von Nutzungsgebühren zuständig zu sein. Mitunter überreichen sie auch grobe graue Papierblätter. Unabhängig von Papier und vom Grad der Sauberkeit beträgt die Gebühr meistens 1.000 Sum, ca. 10 Cent, von denen man stets einige Scheine vorhalten sollte. Zusätzlich zählen Klopapier, Feuchttücher und Desinfektionsmittel bei Reisen in Usbekistan zu unentbehrlichen Utensilien.


Karawanserei Rabat-e Malik - Fotoserie: Rabat-e Malik
Zisterne Malik Sordoba an der Karawanserei Rabat-e MalikRuinen und Fundamente der Karawanserei Rabat-e Malik Mittags stoppen wir für eine Pause mit Besichtigung an der Ruine der Karawanserei Rabat-e Malik. Von der im 11. Jahrhundert als Festung ausgebauten Karawanserei sind in der Gegenwart das Hauptportal in persischer Architektur mit einzigartigen Verzierungen (s.o.) sowie Fundamente erhalten. Das Portal zählt zu den ältesten erhaltenen Portalen in Zentralasien und ist seit 2008 UNESCO Welterbe. Während wir uns in der Anlage umschauen, bereiten unsere Busfahrer Tee, Kaffee und einen kleinen Snack vor.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich die mit einer stupaartigen Kuppel überbaute Zisterne Malik Sardoba, die die Karawanserei mit Wasser versorgte. Wasser aus dem Fluss Serafschan gelangt durch einen unterirdischen Kanal zur Zisterne. Der Wasserspiegel wird über eine Rampe mit Treppe erreicht.


Imbiss bei der Töpferfamilie Narzullayev in Gijduvan - Fotoserie: Gijduvan
Mittagsimbiss im Atrium des Töpferfamilienhauses in Gijduvan Ca. 50 km vor Buchara legen wir bei der Ortschaft Gijduvan einen ausgiebigeren Stop an einer renommierten Töpferei ein, betrieben von der Familie Narzullayev in 6. Generation. Das Gebäude des Familienunternehmens umschließt einen großen begrünten Innenhof, an dem mehrere Werkstätten, ein Schau- und Verkaufsraum sowie eine Restauration unter zum Hof offenen Arkaden eingerichtet sind. Ehe wir zum Imbiss an einer langen Tafel Platz nehmen, schauen wir zu, wie das Brot gebacken wird, das gleich auf den Tisch kommt. Während unsere Mitreisenden den angeboten Speisen zusprechen, begnügen wir uns nicht aus Sparsamkeit, sondern mangels Hunger mit dem 'Gedeck': Wasser, Tee, Nüsse, Obst (2.000 Sum p.P., ca. 20 Cent). Obst rühren wir vorsichtshalber nicht an. Die Qualität des Wassers, mit dem Obst eventuell gewaschen wurde, ist in der Region Buchara problematisch.


Vorführung in Töpferwerkstatt Nach der Mahlzeit findet in der Töpferwerkstatt eine Führung statt, bei der uns der gesamte Prozess von der Formung der Rohlinge über das Brennen, Bemalen und Lasieren demonstriert und erklärt wird. Reiseleiterin Viktoria übersetzt die Erläuterungen.









Verkaufsraum der Töpferfamilie Anschließend besuchen wir die Ausstellung fertiger Produkte im Schauraum der Töpferei. Selbstverständlich dürfen und sollen wir auch einkaufen. Soweit wir das beobachten können, möchte jeder aus der Gruppe ein oder auch mehrere Erinnerungstück(e) erwerben. Bei derartigen Aktionen geben wir uns oft hartleibig, aber heute erstehen auch wir 4 kleine Teller, über deren Funktion wir noch nachdenken müssen.
Vor der Weiterreise schenken unsere Busfahrer usbekischen Cognac aus, selbstverständlich als gesundheitsfördernde Maßnahme. Usbekischer Cognac und usbekischer Wodka sind von beachtlicher Qualität, die weit über der Qualität von Wein liegt bzw. über der Qualität jener Weine, die wir probieren konnten.



Willkommen im Orient - Buchara-i-Scherif (Buchara die "Edle, "Heilige") - Fotoserien: Ankunft Buchara, Kalon-Komplex
Laut Meyers Konversationslexikon hatte Buchara Ende des 19. Jahrhunderts 360 Moscheen, 103 Medresen, 24 Basare, 38 Karawansereien und 16 Hammams. Buchara galt als Ort des guten Geschmacks und Sitz von Gelehrsamkeit und Heiligkeit. Die Realität war zumindest im Emirat Buchara eine völlig andere.(2) Für Ungläubige war Buchara eine verbotene Stadt. Wer dennoch in die Stadt kam und als Ungläubiger erkannt wurde, den stürzten Religionswächter vom höchsten Minarett der Stadt.(3) Stürze vom Minarett wurden in Buchara als eine von mehreren Arten der Todesstrafe bis zum Ende des Emirats im Jahr 1920 praktiziert.

In der Gegenwart ist Buchara noch immer ein orientalischer Handelsplatz, aber die Dynamik von Veränderungen hat auch Buchara nicht ausgelassen. Die Menge an Moscheen, Medresen, Basaren, Karawansereien und Hammams ist deutlich kleiner geworden. Erhaltene und aufwändig restaurierte oder rekonstruierte Bauwerke sind größtenteils zu Werkstätten von Handwerksbetrieben, Museen, Galerien, Shops, Hotels, Restaurants, Cafés etc. umfunktioniert. Sklavenhandel ist abgeschafft und ungläubige Besucher werden nicht mehr von Minaretten gestürzt, sondern im Gegenteil freundlich begrüßt. Geschäfte werden nämlich jetzt mit Tourismus gemacht. Touristen aus Europa und Übersee erwarten, in Buchara orientalische Authentizität zu finden und übersehen oft: "Der Tourist zerstört, was er sucht, indem er es findet" (Hans Magnus Enzensberger). Anderderseits ist nicht zu verkennen, dass ohne Tourismus als bedeutender usbekischer Wirtschaftsfaktor der Erhalt des historischen Erbes fraglich wäre.

Blick vom Hotel Zargaron zum Kalon-Minarett und zur Mir-Arab-Medrese, BucharaBlick von der Dachterrasse des Hotels Zargaron zur Altstadt Buchara Gegen 17:00 Uhr treffen wir in Buchara ein. Samarkand hat uns derart begeistert, dass eine Steigerung für uns undenkbar schien. Bereits am Tag der Abreise aus Samarkand erweist sich diese Wertung als voreilig. Das historische Zentrum in Buchara kommt uns so unwirklich wie ein orientalischer Traum vor und macht uns sprachlos. Untergebracht sind wir inmitten der verkehrsberuhigten Altstadt im sympathischen Hotel Zargaron zwischen dem Kuppelbasar Toqi Zargaron und dem grandiosen Kalon-Komplex (16.-20. Jahrhundert), an dem das im 12. Jahrhundert errichtete Kalon-Minarett aufragt. Dschingis Khan war kein Muslim, aber von dem Kalon-Minarett soll er so beeindruckt gewesen sein, dass er es 1220 bei der Zerstörung der Stadt verschonen ließ.

Mir-Arab-Medrese im Kalon-Komplex, Buchara Hotel Zargaron in Buchara Unsere Gruppe belegt exklusiv die 18 Zimmer des Hotels. Ehe wir die Zimmer beziehen, genießen wir frisch gebrühten Tee in einem der beiden Innenhöfe des Hotels und mustern staunend die Kulisse der Umgebung. Der Ausblick von der Dachterrasse des Hotels fasziniert besonders.
Das Besichtigungsprogramm in Buchara beginnt morgen. Bis zum Abendessen im Hotel nutzen wir die Zeit für einen Rundgang in der Altstadt bei untergehender Sonne.

Anmerkungen
  1. GTAI: In Usbekistans Weinbranche bricht eine neue Ära an
  2. Aus Moral, Sitten und Gebräuche im Emirat Buchara geht der Post ein: Buchara-i-Scherif an der Seidenstraße in Usbekistan - Part 1
  3. FAZ: Minarette, Moscheen und Medresen  
    Reisebericht Claudia Strössner: Usbekistan - Im Land von 1001 Nacht - Teil 4

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