Dienstag, 19. April 2011

Nordspanien Ostern 2011 - Pilger, Störche und Burgen im Regen auf dem Camino - Luxus am Ende des Tages

Pilger und Störche am Camino in der Maragateria
Von León fahren wir heute weiter nach Viveiro an der Atlantiküste im Norden Galiciens. Auf Viviero sind wir wegen eines interessanten Hotels gekommen, das lt. unserer Reiseliteratur in einer landschaftlich schönen Region liegt. Wir nehmen nicht die kürzeste oder schnellste Route, sondern folgen ab León über ca. 100 km bis Ponferrada dem Camino auf einsamen Nebenstrecken. Anfangs ist die Route nur interessant, ab Astorga wird sie kulturell und landschaftlich immer reizvoller. In den Montes de León liegt am Monte Irago nicht nur eine Königsetappe des Camino, sondern mit 1.500 m Höhe auch der höchste Punkt des spanischen Jakobwegs. Dort befindet sich das legendäre Cruz de Ferro auf einem Baumstamm in einem Steinhaufen, der von Pilgern ständig vergrößert wird. Einige Pilger tragen über die gesamte Strecke einen Stein, um ihn mit einer Fürbitte hier abzulegen.
Der Tag ist regnerisch-kühl. Für Pilger ist das unkomfortabler als für uns. Andererseits müssten Pilger ein Wetter begrüßen, das ihnen wie eine Strafe auferlegt wird, schließlich wollen sie büßen. Wir sind dagegen Genußreisende. Bis zu welchem Grad sich Pilger von jedem Genuß entsagen, wissen wir nicht. Wir vermuten zumindest, dass der Anspruch an Askese unterschiedlich ausfällt. Wie auch immer, in der Erinnerung zählt am Ende des Tages der Erlebniswert, und der ist heute für alle hoch.


Die Ortschaft Astorga
Astorga ist kein schöner Ort, wartet aber mit kulturellen Sehenswürdigkeiten auf, die einen Abstecher rechtfertigen. Das ist zunächst die nahezu vollständig erhaltene Stadtmauer römischen Ursprungs, auf der sich die Altstadt umrunden lässt. Die Kathedrale von Astorga geht auf das 8. Jahrhundert zurück. Gleich neben der Kathedrale befindet sich der von Antoni Gaudi im neogotischen Stil entworfene Bischofspalast, dessen Bau 1889 begonnen und 1913 fertiggestellt worden ist.

























Der Camino zwischen Astorga und Ponferrada
Nach Astorga führt der Camino durch die einsame Landschaft der Maragateria, in der es nur wenige kleine Ortschaften gibt. Aufgrund von Abwanderungen wären die Ortschaften vom Aussterben bedroht, wenn es nicht den wachsenden Pilgertrend gäbe. Teilweise vermitteln heute einige Ortschaften durchaus den Eindruck eines gewissen Wohlstandes, während andere Ortschaften eher verlassen und verfallen wirken. Störchen scheint diese Umgebung zu gefallen. Wir sehen fast auf jedem Glockenturm Storchennester. 
Einwohner, auf die wir in den Ortschaften treffen, grüßen uns freundlich mit "buenos días". Häufiger treffen wir jedoch auf die zahlreichen Pilger. Auf der Strecke finden wir sogar noch strohgedeckte Rundhütten, eine Bauweise keltischen Ursprungs.




















































Rabanal del Camino
Dieser Ort hat mit der Renaissance des Camino eine Wiederbelebung erfahren. Zahlreiche Herbergen und Restaurants bieten die letzte komfortable Unterkunft vor der Überquerung des Passes am Monte Irago.





























Cruz de Ferro am Monte Irago, 1.500 m
Wenn die Pilger nach einem langen und beschwerlichen Anstieg durch einsame Landschaften auf das Cruz de Ferro treffen, haben sie den höchsten Punkt der Route in Spanien erreicht. Das Kreuz ist auf der Spitze eines Baumstammes eingelassen, der sich auf einem großen Steinhügel befindet. Die Pilger legen einen weiteren Stein am kontinuierlich wachsenden Steinhügel ab. Manche Pilger tragen über die gesamte Reise präparierte Steine mit sich, die sie hier als Zeugen ihrer Pilgerfahrt zurücklassen. Der Ort und seine Symbolik lassen sich sich auf keltische, römische und frühchristliche Vorläufer zurückführen.






Eindrücke am Camino auf dem Weg nach Ponferrada 
Das Feuerwerk der neuen Eindücke ist keineswegs bereits erloschen. Wir berauschen uns an immer wieder neuen begeisternden landschaftliche Eindrücken. Winzige Ortschaften können wir in den Berghängen ausmachen. Ob sie bewohnt sind, lässt sich auf der Distanz nicht erkennen. Wie sähe es hier erst bei gutem Wetter aus?

Etwas oberhalb der Straße verläuft der Camino, auf dem wir immer wieder Pilger wahrnehmen. Einige Kilometer unterhalb des Passes liegt Manjarin, eher eine primitive Pilgerstation als eine Ortschaft. Ab hier kehren wir zurück in bewohntere Gebiete.



































Burg des Templerordens in Ponferrada
Das Highlight des Ortes ist die Burg des Templerordens, die wie die Replik einer Spielzeugburg in der Landschaft liegt.

















Unser Tagesziel - Hotel 'ego' bei Viveiro - ein Ort zum Verlieben
Wenn das Wetter besser wäre, könnten wir auf die Idee kommen, den Rest des Urlaubes hier zu verweilen. Das Hotel 'ego' liegt nicht nur traumhaft, es ist auch so eingerichtet.

Für den Abend haben wir in dem dazugehörigen Restaurant reserviert, das erst vorgestern nach einem Umbau wieder eröffnet hat. Der Stil gefällt uns und die Aussicht über die goße Terrasse auf die Bucht ist magisch. Heute sind wir die einzigen Gäste, was uns zunächst skeptisch stimmt. Vielleicht ist es auch das Fußballspiel zwischen "Den Könglichen" und "Barca", das einem Restaurantbesuch vorgezogen wird. Unsere Skepsis erweist sich als unbegründet. Wir essen vorzüglich zu einem relativ günstigen Preis. Dieser Aufenthalt verlangt nach Wiederholung und Intensivierung.



 





 









Offene Fragen
Laut unserer Information setzt die Ausstellung einer Pilgerurkunde in Santiago de Compostela vor, dass mindestens die letzten 100 km zu Fuß bzw. 200 km mit dem Fahrrad zurückgelegt worden sind. Soweit wir im Bilde sind, belohnt die Pilgerreise auf dem Camino nach Santiago de Compostela über grandiose individuelle Erfahrungen hinaus auch mit einer Absolution von Sünden aufgrund der mit der Pilgerreise eingegangen Buße.  In diesem Kontext stellen sich gleich eine Reihe weiterer Fragen, die uns klärungbedürftig erscheinen:
  • Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Länge der Pilgertour und dem Umfang des Ablasses und wie ist dieser ggf. dimensioniert?
  • Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Höhe der Schuld/Buße und der Länge der Pilgerreise und wie ist dieser ggf. dimensioniert?
  • Zählen auf der Strecke nur die zurückgelegten Kilometer oder vielleicht auch die Verhältnisse und auch gutes oder schlechtes Behavior für die Bewertung der Ablasshöhe?
  • Wer definiert die Regeln und mit welchem Interesse legt er sie fest?
  • Wie erlangen wir Verlässlichkeit über Regeln?
  • Schlüssige Antworten würden uns überraschen. Wir wollen sie auch gar nicht abwarten und gehen unseren eigenen Weg, der sich mit hoffentlich vielen anderen Wegen vereinen lässt und den Austausch an den Kreuzungspunkten sozialer Kreise anregt.
    Warum hat eine Pilgerreise eher volkstümlichen Charakter? Sind vermeintliche geistliche, politische und wirtschaftspolitische Eliten frei von Schuld?

1 Kommentar:

  1. Alles interessante Fragen, die potentiell die Korruption der Kirche exponieren, vor allem Frage 4.

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