Front der Kathedrale von Santiago de Compostela |
Am Ende unserer Rundreise wird das Wetter immer besser und kulturell warten noch Höhepunkte auf uns. Ein Ziel unserer Reise ist Santiago de Compostela, neben Jerusalem und Rom nicht nur ein Hauptzentrum katholischer Christen, sondern auch eine Keimzelle des Tourismus, dessen Vorläufer Pilgerreisen sind. Dass die Grenzen fließend sind, zeigt sich kaum irgendwo so deutlich wie in Santiago de Compostela, wo eine ganze Stadt seit mehr als tausend Jahren und offenbar sehr gut vom Geschäft mit dem Pilgertourismus lebt. Was wohl der Apostel Jakobus zu dieser Art seiner Verehrung sagen würde?
Die Legende weiß zu berichten, dass nach der von Herodes angeordneten Enthauptung der Leichnam des Apostels in einem Marmorsarg auf ein Schiff ohne Mannschaft gebracht worden ist. Ein Engel steuert das Schiff an die galicische Küste und stromaufwärts auf dem Rio Ulla bis Iris Flavia, der römischen Hauptstadt Galiciens. Dort wird Jakobus beigesetzt und bald vergessen. Aber nicht für immer. Der Himmel sorgt selbst dafür, dass Jakobus dem Vergessen entrissen wird.
Als fast ganz Spanien im 8. Jahrhundert von den Mauren besetzt ist, erinnert man sich auf der Suche nach einer einheitsstiftenden, starken Symbolik wieder an die Legende. Es mag Zufall sein oder auch nicht, dass just nun der Himmel eingreift: Begleitet von himmlischen Chören weist ein Stern den Einsiedler Pelayo auf eine Grabungsstelle hin. Grabungen stoßen auf dem Campus Stellae ("Sternenfeld", aus dem sich wahrscheinlich der Name Compostela ableitet) auf einen Marmorsarg mit einem Leichnam. Der Sachverhalt ist völlig eindeutig und führt zur Verlegung des Bischofsitzes nach Compostela. Jakobus wird zum Schutzheiligen des Königreiches bestimmt. Es kommt noch besser: Im Jahr 844 greift Jakobus in der Schlacht von Clavijo gegen die Mauren persönlich ein. Auf einem weißen Pferd und mit einem Schwert in der Hand führt er als "Maurentöter" in die Schlacht und sichert den Sieg über die Mauren.
Mit soviel göttlicher Bestimmung wächst Santiago de Compostelas Bedeutung. Der Aufstieg zu einem der wichtigsten christlichen Wallfahrtsorte ist nicht aufzuhalten. Die mühsame Wallfahrt wird für die Pilger attraktiver, als Papst Calixtus II. im Jahr 1119 für die heiligen compostelischen Jahre (Jahre, in denen der 25. Juli, der Festtag des Jakobus, auf einen Sonntag fällt) den vollkommenen Ablass aller Sünden verkündet. Papst Alexander III. wird einige Jahre später diese Gnade als "immerwährend" festlegen. Die Bulle "regis aeterni", die diesen Ablass regelt, betrachten Historiker mit stichhaltigen Indizien als Fälschung. Den Pilgertourismus scheinen diese Einwände nicht zu beeinflussen.
Ein riesiger Vorteil des Glaubens besteht nun einmal darin, dass er ohne Beweise eine Gewissheit herstellt, die sich weder von empirischen Sachverhalten, noch von logischen Einwänden irritieren lässt. Über das Verhältnis zwischen Kulturen und Religionen ließe sich trefflich diskutieren. Ein Diskurs zwischen Welten, die sich verständnislos gegenüberstehen, ist jedoch sinnlos. Wir versuchen lediglich zu verstehen, auf welche Welt wir hier treffen.
Bei allem kulturellen Glanz, den Santiago de Compostela ausstrahlt, lastet die unselige Allianz von Religion mit politischer Macht bzw. der Missbrauch von Religion durch politische Macht auch auf diesem Welltkulturerbe. Nutznießer dieser korrumpierenden Verbindung sind im Diesseits gewöhnlich nur die Mitglieder einer dünnen sozialen Schicht, zu der die Pilger eher nicht zählen. Diese müssen auf der Schwelle zum Jenseits, wenn die große Abrechnung ansteht, auf den versprochenen Ablass vertrauen. Sollte die Rechnung nicht aufgehen, ist eine Reklamation nicht mehr möglich. Clever, die Ablassversprecher!
Rundgang in Santiago de Compostela
Auch wir folgen dem für alle Pilger und Touristen selbstverständlichen Weg in die Kathedrale und in die Krypta unter dem Alter, in der ein Schrein ausgestellt ist, der die Gebeine des Heiligen Jakobus enthalten soll. Wir respektieren das Verbot des Fotografierens und spekulieren nicht über den Inhalt des Schreins.
In den schmalen Gassen, die am Platz der Kathedrale anschließen, versorgen Restaurants, Bars sowie Shops mit Devotionalien und Souvenirs den Bedarf von Pilgern und Touristen. Wir durchstreifen die absolut sehenswerte Altstadt, in der sich zahlreiche Sakralbauten und Museen und auch einige Institute der Universität befinden.
Parador Reyes Católicos
Wenn wir schon in dieses Zentrum vorstoßen, wollen wir keine kleinlichen Kompromisse eingehen und wählen darum als unsere Unterkunft den Parador de Santiago de Compostela. Unter allen Paradores ist der Preis einer Übernachtungen im Parador Reyes Católicos ein besonders stattlicher und wird nur noch vom Parador de Granada überboten. Bei geschickter Ausnutzung von Sonderkonditionen lässt sich der Preis jedoch erträglicher gestalten. Geboten wird ein Komplex, der als eines der prächtigsten und ältesten Hotels der Welt gilt. Das Hotel ist 1499 urspünglich als Pilgerhospiz neben der Kathedrale entstanden und wurde von den katholischen Königen eingeweiht. Dieses historische Monument liegt mitten in einer der weltweit meistbesuchten Weltkulturerbe-Städte direkt an der Plaza do Obradorio unmittelbar neben der Kathedrale von Santiago de Compostela. Vier Kreuzgänge, gotische Innenhöfe, gediegene Aufenthaltsräume und viele Kunstgegenstände der Einrichtung vermitteln ein königliches Wohngefühl. Die Standardräume sind eher klein, aber durchaus komfortabel eingerichtet.
Das Dinner im eindrucksvollem Ambiente ist eines der besten auf unserer Reise und bietet in Verbindung mit dem guten Service ein attraktives Preis-Leistung-Verhältnis. Vor und nach dem Essen fotografieren wir die Front der Kathedrale.
Die Anreise nach Santiago de Compostela
Auf dem Weg nach Santiago interessiert uns nord-westlich von Pontevedra ein Ausgrabungsgelände bei A Lanzada, über das wir gestern im Tourist Office von Pontevedra Informationen gefunden haben. Archeologische Untersuchungen weisen einen bedeutenden Handelsplatz nach, an dem bis zum 5. Jahrhundert v. Chr. ein reger Austausch zwischen Kelten und Phöniziern bzw. Karthagern stattgefunden hat. Später haben Römer, frühchristliche Kulturen, Sarazenen und auch Wikinger Spuren hinterlassen. Das Gelände ist ohne Einschränkungen frei zugänglich. Die spärlichen Informationen vor Ort wenden sich leider ausschließlich an spanisch sprechende Besucher. Vor Ort winkt uns eine Frau in ein Gebäude. Ob sie uns vielleicht Informationen über diesen Ort schenken möchte? Wir folgen ihr und erkennen, dass sie lediglich ihren Nippes verkaufen möchte. Danke, kein Bedarf!
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