Die byzantinische Ruinenstadt Mystras geht zurück auf die über der Stadt thronende fränkische Festung Mistra, die Wilhelm II. von Villehardouin, Fürst von Achaia, 1248/49 erbauen ließ.(2,3) Von 1262-1460 gehörte Lakonien zum byzantinischen Despotat Morea mit Mystras als Hauptstadt. Unterhalb der Burg entwickelte sich Mystras zum kulturellen Zentrum der Region mit 45.000 Einwohnern und zahlreichen Klöstern. Die Stadt wuchs an Hängen des Taygetos-Gebirges auf 3 Terrassen. In der von einer eigenen Befestigung umgebenen Oberstadt befindet sich der Despotenpalast, in dessen Umgebung die Oberschicht der Bevölkerung lebte. Die darunter liegende Mittelstadt war von einer weiteren Befestigung umgeben. Die Unterstadt blieb unbefestigt. Osmanen nahmen unter Sultan Mehmed II. Fatih 1460 Morea ein. Kirchen wurden zu Moscheen umgebaut. 1687 fiel Mystras an Venedig und 1715 erneut an Osmanen. Während der Russisch-Osmanischen Kriege setzte Mystras Verfall ein. Nach der griechischen Befreiung von osmanischer Herrschaft war Mystras so stark zerstört, dass ein Wiederaufbau nicht in Betracht kam und stattdessen ab 1836 das neuzeitliche Sparta gebaut wurde.(4)
Unser Rundgang in Mystras beginnt bei Bewölkung in der Oberstadt, in der wir die beiden Kreuzkuppelkirchen St. Sophia (um 1360 gebaut) und St. Nicolas (17. Jh.) besichtigen. In St. Sophia, ältere der beiden Kirchen, sind nur noch wenige Fresken-Reste im schlechten Zustand erhalten.
Auf der Besichtigungsrunde setzen wir uns auf die Begrenzungsmauer einer Aussichtsterrasse, während Marina eine Passage aus Goethes Faust II rezitiert.(5,6) Goethe kannte Mystras nur aus Berichten und war nie in Griechenland. Im Drama ist Faust von der schönen Helena betört und lädt sie auf seine Burg ein. Inspiriert von Mystras siedelte Goethe die Burg an den Berghängen bei Sparta an. Im 3. Akt des Dramas trifft Geist (Faust) auf Posie (Helena). Die Rückbesinnung auf die Antike führt zur Vermählung von Geist und Poesie. Faust und Helena werden zum Paar und heiraten. Die Verbindung von Faust und Helena erzeugt einen gemeinsamen Sohn, Euphorion, der sogleich zu einem jungen Mann heranwächst und bald verstirbt, worauf auch Helena verschwindet. Schönheit und Poesie sind wie ihr Kind nicht von Dauer und haben darum nur wenig Einfluss auf die Welt.
Der Rundgang in der Oberstadt endet im aktiven Frauenkloster Pantanassa. Nach Besichtigung der Klosterkirche empfängt uns Schwester Agnes in ihrer Klosterzelle und berichtet bei Saft und Gebäck auf Griechisch über das Klosterleben. Reiseleiterin Marina übersetzt. Vom Kloster Pantenassa wandern wir auf einem von Ruinen gesäumten holprigen Bergpfad hinunter zu Unterstadt, wo uns der Bus erwartet und nach kurzer Fahrt zur Mittagspause an einem Restaurant im neuzeitlichen Dorf Mystras absetzt.
Archäologisches Gelände des antiken Messene - Fotoserie: Messene
Die 2-stündige Busreise von Mystras über das Taygetos-Gebirge nach Messene begleiten heftige Regenschauer. Reiseleiterin Marina steht in Kontakt zu Kolleginnen und erfährt: Olympia (unser nächstes Ziel) versinkt im Schlamm. Bei Sonnenschein erreichen wir Messene am monumentalen Arkadischen Tor der 9 km langen antiken Stadtmauer, von der noch etliche Abschnitte inklusive Wehrtürme erhalten sind. Am Stadttor stoppen wir für eine Besichtigung. Große Pfützen zeugen von kürzlich niedergegangenen Regenfällen. 5 fitte Teilnehmer der Gruppe steigen auf die Mauer am Stadttor und genießen ein unvergessliches Panorama.
Die fruchtbare Landschaft am Messenischen Golf ist rundum von Gebirgen geschützt und erlebte im Zeitraum mykenischer Kultur eine Blütezeit. Mythologische Wurzeln aus messenischer Zeit verweisen auf Nestor und den mykenischen Palast von Pylos.(7,8) Nach glorioser Frühgeschichte war das Schicksal des antiken Messeniens insbesondere von Sparta beeinflusst bzw. dominiert und endete nach dem 3. Messenischen Krieg gegen Sparta 455 v. Chr. mit dem Exil in Nafpaktos.(9,10,11) Theben fügte in der Schlacht bei Leuktra (371 v. Chr.) Sparta eine schwere Niederlage zu und bot Messeniern die Möglichkeit zur Rückkehr aus dem Exil. 369 v. Chr. wurde Messenien mit Messene als Hauptstadt neu gegründet. Konflikte mit Nachbarstaaten setzten sich fort. Ab 146 v. Chr. fiel Messenien unter römische Herrschaft. Die Geschichte des antiken Messeniens endet mit Zerstörungen durch Westgoten (395 n. Chr.) und Slawen (7. Jh. n. Chr.). Messenes Bewässungskanäle verfielen, sodass über Zeit von den Bergen herabströmendes Wasser die antiken Ruinen mit einer dicken Sedimentschicht zudeckte.
Seit 1987 finden im Schwemmland von Messenien intensive Ausgrabungen von Ruinen aus der zweiten antiken Siedlungsperiode statt. Aktuell ist das archäologische Feld von Messene das größte und bedeutendste archäologische Ausgrabungsfeld Griechenlands, in dem laufend Überraschungen des antiken Messene freigelegt werden. Beschreibungen des antiken Reiseschriftstellers Pausanias (115-180 n. Chr.) sind für die Identifizierungen von Ruinen wertvoll. Das Grabungsfeld von Messene ist unser zweiter Besichtigungsschwerpunkt des heutigen Tages.(12)
Anmerkungen:
- Reisebericht von Andreas Kilb in der FAZ: Den Göttern so nah im Südosten der Peloponnes
- WikiVoyage: Mystras
- Das Fürstentum Aicha wurde während des 4. Kreuzzugs (1202-1204) nach der Eroberung Konstantinopels 1204 errichtet. Wilhelm II. von Villehardouin, Ritter, Dichter, Troubadour und Fürst von Aicha, schloss sich 1248 König Ludwig IX. von Frankreich mit 400 Rittern und 28 Schiffen dem 6. Kreuzzug (1248-1254) an und beendete seine Teilnahme 1249. 1259 führte Wilhelm II. einen Krieg gegen das im 4. Kreuzzug errichtete byzantinische Kaiserreich Nikaia und geriet in der Schlacht von Pelagonien in Gefangenschaft. 1262 wurde Wilhelm II. gegen Herausgabe seiner Besitztümer freigelassen. Wilhelm II. erkannte 1267 Karl von Anjou (König von Sizilien) als Oberherrn an und kämpfte 1268 als dessen Vasall in der Schlacht bei Tagliacozzo gegen Konradin (letzter legitimer männlicher Erbe aus der Dynastie der Staufer).
- Unseren Aufenthalt in Sparta beschreibt der Post: Reise nach Sparta, Peloponnes
- Text Faust II im Projekt Gutenberg
- Wikipedia: Faust. Der Tragödie zweiter Teil
- Einen Abriss zu Fundamenten und Meilensteinen griechischer Antike und ihrer Vorgeschichte bietet der Post: Athen und Griechenland im Zeitraster - Architektur der Polis - Genealogie der griechischen Götterwelt - Kriegskultur
- Nestor, mythologischer Herrscher von Pylos in Messenien, war in der griechischen Mythologie Begleiter Iasons auf der Fahrt der Argo. In Homers Ilias ist Nestor im trojanischen Krieg als ebenso trinkfreudiger wie altersweiser, redlicher und heiterer Ratgeber Agamemnons und als Schlichter im Streit zwischen Agamemnon und Achilleus beschrieben, der den Nestorbecher nach Troja brachte. Mit 90 Schiffen stellte Nestor laut Schiffskatalog der Ilias die zweitgrößte Flotte des trojanischen Kriegs. Mit dem Niedergang mykenischer Kultur wird um 1200 v. Chr. auch Pylos zerstört.
Anmerkungen zu Homers Schiffskatalog von Michael Siebert: Homers Schiffskatalog: Flottenschau vor dem "Seevölkersturm" (PDF) - Messenien und Lakonien trennt das Taygetos-Gebirge. Beide Regionen erlebten im Zeitraum der mykenischer Kultur eine Blütezeit. Mit der Entwicklung Spartas zur Hegemonialmacht des Peloponnes eskalierten ab dem 8./7. Jahrhundert v. Chr. Rivalitäten zwischen Siedlungen in Messenien und Sparta in Lakonien, die sich als Messenische Kriege über Jahrhunderte erstreckten.
- Als Folge des 1. Messenischen Kriegs (735-715 v. Chr.) unterwirft Sparta Messenien und macht es tributpflichtig. Der Kriegserfolg trägt maßgeblich zu Spartas Reichtum und politischer Macht bei.
- Messenien nutzt eine Schwächeperiode Spartas ab 669 v. Chr. zum 2. Messenischen Krieg, den Sparta erneut für sich entscheidet. Sparta begnügt sich nicht mit Beute und Tributzahlungen, sonderen entrechtet die messenische Bevölkerung durch Helotisierung. Messenische Heloten waren schlechter gestellt als lakonische Heloten und befanden sich in der Überzahl gegenüber Spartiaten (Spartas Vollbürger). Sparta reagierte auf diese Verteilung der Kräfteverhältnisse mit massiver Mlilitarisierung seiner Kultur und Terrorisierung versklavter messenischer Heloten. Die Institution der Krypteia wird von antiken Autoren als ein typisches spartanisches Terrorinstrument beschrieben. Heranwachsende junge Spartiaten mussten sich als zukünftige Krieger beweisen, indem sie nachts den stärksten und tüchtigsten Heloten auflauerten, um diese zu erschlagen.
Laut dem antiken griechischen Reiseschriftsteller Pausanias (115-180 n. Chr.) flüchteten als Folge des 2. Messenischen Kriegs zahlreiche Messenier nach Sizilien, nahmen dort die Stadt Zankle ein und benannten sie in Messina um.
- Aus einem schweren Erdbeben im Jahr 464 v. Chr. resultierten starke Schäden der Polis von Sparta. Die Konfusion nutzten messenische Heloten zu Helotenaufständen bzw. zum 3. Messenischen Krieg. Aufständische Messenier verschanzten sich auf dem Berg Ithome, den Sparta 10 Jahre belagerte. Auf Vermittlung Athens endete dieser Austand mit der Umsiedlung aufständischer Messenier nach Nafpaktos. Im Kontext dieser Konflikte steuerte die Beziehung zwischen den Machtblöcken Sparta und Athen auf Konfrontationen zu, aus denen der Peloponnesische Krieg (431-404 v. Chr.) resultierte, in dem Sparta zwar siegreich blieb, der aber den Niedergang beider Hegemonialmächte zur Folge hatte.
- Konflikte zwischen Sparta und Messenien fasst die exzellente private Webseite Lakedaimon.de im Kapitel Spartas Außenpolitik: Messenien zusammen.
- Julia Hiller von Gaertringen zeigt in einem Ausschnitt ihrer Dissertation, dass der spartanische Staat nationalsozialistischer Erziehungspolitik als Vorbild diente: Sparta und Olympia im Nationalsozialismus (PDF)
- Offizielle Homepage der Ausgrabungen von Messene (engl.): Ancient Messene
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