Freitag, 20. September 2019

Basics der Antike: Zeitliste Griechenland und Athen - Architektur der Polis - Genealogie der griechischen Götterwelt - Kriegskultur

Stammbaum der Götter und Helden
Reiseroute der Studienreise
Im Zeitraum 20.-28.09.2019 unternehmen wir eine Griechenlandrundreise auf Spuren der Antike. Wir wollen nicht nur äußere Eindrücke auf uns einwirken lassen, sondern möchten verstehen, was wir sehen. Während der Reise versorgt uns die Reiseleitung großzügig mit Information, die ohne Untergrund nicht 'ankern' könnten. Basiswissen zur politischen Geschichte und zur Kulturgeschichte der besuchten Region muss im Rahmen der Vor- und Nachbereitung der Reise erarbeitet werden. Informationen strukturieren nachfolgende Übersichten:
1. Geschichte Athens und Griechenlands,
2. Architektur der griechischen Antike,
3. Mythen & Genealogie griechischer Götterwelt.(1) 
4. Menschen und Götter, Krieger und Helden

 
Im Ergebnis erkennen wir, dass Kulturen der Antike auf Kriege programmiert waren und ihre kulturellen Hochleistungen aufgrund von Konflikten, Wettbewerben und des kulturellen Austauschs entwickelten. Kontexte und Folgen dieser Ausrichtung betrachtet Kapitel 4.

1. Geschichte Griechenlands und Athens

1.1 Herkunft und Gründungsmythos
Griechen sind ein indogermanisches Volk, dessen sprachliche Wurzeln sich bis in das zweite vorchristliche Jahrtausend zurückverfolgen lassen. Griechen zählen zu den polyonymen Völkern, denen mehrere austauschbare Namen zugeordnet werden können. Griechen, die in Homers Epen gegen Troja kämpfen, werden als Achäer, Danaer und Argiver bezeichnet.

Der Begriff Hellenen wurde im klassischen Griechenland für die Gesamtheit aller Griechisch sprechenden Ethnien verwendet. Die 4 Ethnien der Achaier, Aioler, Dorer, Ionier führt die Mythologie auf den gemeinsamen Stammvater Hellen zurück. Hellen war Vater von Aiolos (Stammvater der Aioler), Doros (Stammvater der Dorer) und Xuthos (Stammvater der Achaier und der Ionier). Die Festlandkultur dieser Ethnien wird als Helladikum bezeichnet.
  • Dorer siedelten ursprünglich im Nodwesten Griechenlands und wahrscheinlich auch im dalmatinisch-albanischen Raum. Um das Jahr 1000 v. Chr. drangen Dorer im Rahmen der Dorischen Wanderung in mehreren Wellen nach Süden vor und siedelten auf Peloponnes, Kreta, Rhodos und in Südwestkleinasien. Die historisch bedeutendste dorische Polis war Sparta auf der Peloponnes.
  • Ionier siedelten in Mittelgriechenland in Attika (Hauptort Athen) und auf der Insel Euboia. Im Zuge der Ionischen Kolonisation besiedelten Ionier die Küsten Kleinasiens und des Schwarzmeerraums. 
  • Achaier siedelten ursprünglich im nördlichen Griechenland in der Landschaft des heutigen Theassalien. Im Kontext der Dorischen Wanderung wurden Achaier nach  Achaia im Nordwesten der Peloponnes verdrängt.
  • Aioler siedelten ebenfalls in Thessalien und gründeten während der Dunklen Jahrhunderte Siedlungen in Kleinasien und auf vorgelagerten Inseln.

1.2 Historische Zeitleiste
  • Funde in Sedimentschichten einer Höhle der Kalksteinformation Theopetra in Thessalien zeigen, dass die Theopetra-Höhle seit dem  Mittelpaläolithikum von Menschen und Tieren genutzt wird. Eine 2010 in der Höhle entdeckte Steinmauer datieren Wissenschaftler auf ein Alter von ca. 23.000 Jahren und identifizieren die Mauer als das bislang älteste Bauwerk in Griechenland.
  • Im Raum des heutigen Griechenlands werden 3 prähistorische Kulturen der Bronzezeit identifiziert, zwischen denen Handelsbeziehungen bestanden:
    • Die Minoische Kultur auf Kreta gilt als früheste Hochkultur Europas. Ihre Palastphase setzt um das Jahr 2000 v. Chr. ein. 
    • Die Palastkultur des Späthelladikums (1600-1050 v. Chr.) ist identisch mit der Mykenischen Kultur. (Michael Siebert trägt auf seinem privaten Portal "Homers Heimat" zahlreiche Informationen zur mykenischen Kultur strukturiert zusammen.)
    • Von der Kykladenkultur auf der Inselgruppe der Kykladen in der Ägäis sind insbsondere bemerkenswerte figürliche Darstellungen sog. Kykladenidole mit typischen Mustern erhalten. Zur Interpretation der sorgfältig und meistens aus Marmor hergestellten Artefakte bestehen verschiedene Deutungen. Vermutlich handelt es sich um Kultobjekte. Die ursprünglich mit der Minoischen Kultur verwandte Kykladenkultur verschmolz über Jahrhunderte allmählich mit der Festlandkultur des Späthelladikums. (Michael Siebert beschreibt auf seinem privaten Portal "Homers Heimat" Deutungsmuster der Kykladenidole.)
      Wertschätzung genießen Kykladenidole in der Neuzeit erst, seitdem Künstler der Moderne (Picasso, Moore, Brancusi, Arp etc.) die Kykladenkultur als prähistorische Entdecker der Moderne feiern. In der Gegenwart erzielen die Idole auf dem Kunstmarkt Preise in Millionenhöhe.
  • Funde zur Geschichte Athens reichen bis zur Jungsteinzeit zurück. 
  • In der Bronzezeit breitete sich im heutigen südlichen Griechenland die mykenische Kultur aus, die als erste Hochkultur des europäischen Festlandes gilt. 
  • Ihre Blütezeit erlebte die mykenische Kultur in der späten Bronzezeit, als sich mehrere Siedlungen des Festlands zu Palastzentren entwickelten, die ein größeres Territorium beherrschten und organisierten. Paläste der mykenischen Palastzeit waren Fürstensitze und bürokratische Verwaltungszentren. 
  • Um 1600 v. Chr. wurde in der späten Bronzezeit auf der Athener Akropolis ein mykenischer Palast errichtet, um den sich eine Stadt entwickelte. Ob ein Königtum bestand, ist strittig. Ungeklärt ist, ob die Stadt nach ihrer Schutzgöttin Athene oder umgekehrt Athene nach der Stadt benannt ist.
  • Ab ca. 1200 v. Chr. werden die meisten mykenischen Palastzentren zerstört. Ursachen und Abläufe sind weitgehend ungeklärt bzw. strittig. Vermutlich führte das Zusammenwirken mehrerer Faktoren in eine Krise.
  • Der Zeitraum von ca. 1200 - 750 v. Chr. gilt als dunkles Zeitalter, in dem der Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit stattfand. Über diese Periode ist relativ wenig bekannt. 
  • Ein Aufschwung setzte erst in der archaischen Zeit ab ca. 800 v. Chr. bis ca. 500 v. Chr. ein, der mit aufblühendem Außenhandel und der Gründung griechischer Kolonien im gesamten Mittelmeerraum und am Schwarzen Meer einherging. In dieser Zeit etablierte sich die Polis als Staatsform. In diese Zeit fallen die solonischen Reformen einer gerechten Ordnung (Eunomie), aus deren Prinzipien sich im 5. Jh. v. Chr. die attische Demokratie entwickelte.(2)
  • In der antiken griechischen Welt bestand trotz gemeinsamer Herkunft, Sprache und Mythologien kein über die Polis hinausreichendes Gemeinschaftsgefühl. Permanenter Krieg war Normalzustand. Ein temporärer heiliger Frieden (Ekecheiria) wurde lediglich dann ausgerufen, wenn Panhellenischen Spiele zu Ehren der Hauptgottheit überregional bedeutender Orte stattfanden. Die Ekecheiria gewährleistete (prinzipiell, aber nicht immer) die Sicherheit von Teilnehmern aus unterschiedlichen Poleis. Die bedeutendsten Panhellenischen Spiele fanden zu Ehren von Zeus über mehr als 1100 Jahre von 776 v. Chr. bis 393 n. Chr. im heiligen Hain von Olympia als Olympische Spiele statt.
    Der Wettkampfcharakter der Spiele verweist einerseits auf ihren kriegerischen Kern und andererseits auf sozial verträgliche Funktionen, die u.a. Heldentum ohne gegenseitige Vernichtung ermöglichte.
  • Erst die militärische Bedrohung durch das übermächtige Persische Achämenidenreich unter den Königen Dareios I. und Xerxes I. motivierte im frühen 5. Jh. v. Chr. 31 Poleis unter der Führung von Athen und Sparta zur Kooperation in 2 Perserkriegen. Die griechische Koalition stoppte die militärische persische Invasion in der Schlacht bei Marathon (490 v. Chr.), der Seeschlacht von Salamis (480 v. Chr.) sowie in der Schlacht von Plataiai (479 v. Chr.). Aufgrund der Perserkriege entwickelte sich Athen von einer Landmacht zur Seemacht und schloss zu Sparta als zuvor unangefochtene Hegemonialmacht auf.
  • Als nun führende Seemacht im östlichen Mittelmeerraum gründete Athen 487/77 v. Chr. den Attischen Seebund, der Bündnispartnern gegen Tribut Schutz bot und den Aufstieg Athens zur Hegemonialmacht ermöglichte. Das 5. Jh. v. Chr. gilt als Blütezeit Athens. Die Akropolis verlor ihre Verteidigungsfunktion und wurde unter Perikles zum Tempelbezirk umgestaltet. Zur Finanzierung des ehrgeizigen Bauprogramm plünderte Athen die Bundeskasse des Attischen Seebunds, was die Bündnispartner empörte.
    Skizze des Bauprogramms auf der Akropolis:
    • Am Ende der Zugangsrampe schritten Besucher durch die Propyläen in das Heiligtum.
    • Das Zentrum des Heiligtums bildete der Parthenon als Athena-Tempel, in dem eine kolossale Statue der Göttin Athene aus Gold und Elfenbein stand.
    • An der Nordseite des Bezirks entstand der mehreren Gottheiten gewidmete Tempel Erechtheion, benannt nach dem mythischen König Erichthonios, dessen Grab sich in diesem Tempel befand.
    • An der Westseite befindet sich ein der Siegesgöttin Nike gewidmeter Niketempel.
  • Bereits seit dem 6. Jh. existierte der Peloponnesische Bund zu dem sich Poleis des Peloponnes und teilweise auch aus anderen Regionen unter Spartas Führung zusammengeschlossen haben. 
  • Interessen- und Machtkonflikte zwischen den Hegemonialmächten Sparta und Athen bzw. deren Bündnissystemen führten in den fast 30 Jahre dauernden Peloponnesischen Krieg (431-404 v. Chr.), aus dem letztlich Sparta mit persischer Unterstützung siegreich hervorging, Athen aber nicht zerstörte.(3) Athens Entwicklung mündete in eine Epoche des Niedergangs. Das durch den Krieg geschwächte Sparta verlor ebenfalls seine Hegemonialstellung, nachdem Sparta 371 v. Chr. in der Schlacht von Leuktra einem thebanischen Heer vernichtend unterlag und seinen Nimbus der Unbesiegbarkeit verlor.(4)
  • Das entstandene Machtvakuum wussten Philipp II. und Alexander der Große auszunutzen und führten Makedonien vorübergehend zur führenden Militärmacht Griechenlands.
  • Im Zweiten Makedonisch-Römischen Krieg (200–197 v. Chr.) wurde Makedonien vernichtend vom Römischen Reich geschlagen. Griechenland wurde 196 als frei unter römischem Protektorat erklärt. 
  • 146 v. Chr. wurden griechische Regionen in das Römische Reich eingegliedert. Unter römischer Herrschaft blieb Athen ein kulturelles Zentrum. Römische Kaiser entfalteten in Griechenland umfangreiche Bautätigkeiten. Auf der Akropolis wurden in römischer Zeit weitere Tempel hinzugefügt.
  • 380 wurde unter Theodosius I. das Christentum zur römischen Staatsreligion. 391 wurden alle heidnischen Kulthandlungen verboten. Bei der Teilung des römischen Reichs im Jahr 395 wurde Griechenland dem Byzantinischen Reich (Ostrom) und der Diözese Macedonia zugeteilt. Im Rahmen der Christianisierung wurden zahlreiche Tempel und Skulpturen als heidnische Objekte zerstört. Kaiser Justinian I. schloss 529 die Philosophenschulen, die als Hort des Heidentums galt.
  • Nach der Eroberung Konstantinopels durch Osmanen im Jahr 1453 gehörte der größte Teil des griechischen Sprachraums über 400 Jahre zum Osmanischen Reich, das griechische Kultur unterdrückte. Osmanen bauten 1456 den Parthenon zur Moschee um. Das seit dem Übergang zum Christentum als Kirche genutzte Erechtheion diente als Harem.
  • Im Dauerkrieg Venedigs gegen das Osmanische Reich wurde 1687 Athen von Venezianischen Truppen belagert. Deren Beschuss zerstörte die noch weitgehend intakten Gebäude der Akropolis, als dort das türkische Pulvermagazin explodierte.
  • Die Zerstörung der Akropolis vollendete Lord Elgin, britischer Botschafter in Konstantinopel, der ab 1801 einen Großteil des Skulpturenschmucks des Parthenon sowie Friese, Metopen, Skulpturen und andere Fragmente der Akropolis unter zweifelhaften Umständen nach London verfrachten ließ und an das British Museum in London verkaufte. Die Diskussion um die Restitution der sog. Elgin Marbles ist nicht abgeschlossen.(5,6)  
  • 1821 begann die Griechische Revolution gegen das Osmanische Reich. 
  • 1827 erreichte Griechenland seine Unabhängigkeit. Mit der Unabhängigkeit Griechenlands wurde die Athener Akropolis zur archäologischen Stätte erklärt und alle nicht aus der Antike stammenden Bauten entfernt. Einsetzende Restaurierungsarbeiten waren von zahlreichen Fehlern begleitet.
  • Das erste gewählte Staatsoberhaupt war Ioannis Kapodistrias, der Griechenland mit einem straffen Regiment reformieren wollte, was Widerstände innerhalb des Landes auslöste. Kapodistras russlandfreundliche Politik störte Eigeninteressen Großbritanniens, das Griechenlands Unabhängigkeit zusammen mit Frankreich und Russland garantierte. 
  • Nach der Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich war Ägina die erste Hauptstadt (1827–1829) und Nauplia (Nafplio) (1829-1834) die zweite Hauptstadt Griechenlands. 
  • 1831 zettelte Petros Mavromichalis Aufruhr gegen Kapodistras an, der Petros verhaften und einkerkern ließ. Darauf ermorderte Petros Mavromichalis Sohn Georgios am 27.09.1831 Kapodistras auf dem Weg zur Kirche. Großbritannien, Frankreich, Russland, intervenierten als Garantiemächte der Unabhängigkeit Griechenlands. Sie wollten Griechenland nur als Monarchie anerkennen und bestimmten mit dem Londoner Protokoll vom 7. Mai 1832 den bayerischen Prinzen Otto von Bayern aus dem Haus Wittelsbach zum König von Griechenland
  • König Otto I. wählte zunächst Nauplia als Residenz. 1834 zog der Hof nach Athen. Die Stadt war damals stark zerstört und musste neu aufgebaut werden. Die Planung war für 20.000 Einwohner ausgelegt. (Heute leben in Athen mindestens 4 Millionen Einwohner.)
  • Gegen König Otto I. Regierungsstil wuchsen Widerstände. Otto fehlten Erfahrungen und Fähigkeiten zur Orchestrierung unterschiedlicher Interessen und zur Harmonisierung von Konflikten. Aufstände brachen aus. 1862 wurde König Otto I. durch einen Militärputsch vertrieben. Die Großmächte entzogen Otto ihre Unterstützung und bestimmten Prinz Wilhelm von Dänemark aus dem Haus Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg zum König, der 1863 als Georg I. die Regentschaft antrat. 
  • Ab 1870 begann der Privat-Archäologe Heinrich Schliemann mit aus eigenen Mitteln finanzierten Grabungen zunächst in Kleinasien und später auf dem Peloponnes. Schliemann entwickelte sich zur einem Pionier der Feldarchäologie. In Kleinasien stieß Schliemann auf Reste des bronzezeitlichen Trojas. Auf den Peloponnes führte Schliemann erfolgreiche Grabungen in der frühhistorischen Ruinenstadt Mykene durch (ab 1876) sowie 1876 und 1885 in Tiryns, wo er einen mykenischen Palast freilegte.
  • Nach zahlreichen Konflikten, Putschen und einem Bürgerkrieg im Zeitraum 1946-1949 wurde am 1. Januar 1973 die Monarchie in Griechenland abgeschafft.
  • In den 1980er Jahren wurde ein ehrgeiziges neues Restaurierungsprogramm der Athener Akropolis aufgesetzt. Im Unterschied zu phantasievollen Rekonstruktionen auf Kreta lehnen griechische Archäologen eine vollständige Wiederherstellung ursprünglicher Zustände als 'unauthentisch' ab, zumal die Objekte auch in der Antike durch Umbauten verschiedene Gestalten zeigten. Soweit neue Teile eingesetzt werden, sind diese durch abweichende Farbgebungen kenntlich gemacht. Fertiggestellt sind bisher Propyläen, Erechtheion und Niketemple. Der ursprünglich in 12 Jahren erbaute Parthenon ist seit 20 Jahren eine Baustelle, ohne dass ein Ende abzusehen ist. 
  • Anlässlich der Olympischen Sommerspiele 2004 wurde die Umgebung der Akropolis in attraktive Fußgängerzonen umgestaltet, auf denen an lauen Sommerabenden viel Publikum flaniert.   
  • Grundlegende Konflikte einer mindestens 4000-jährigen Konfliktkultur bestehen in Griechenland bis heute weiter und spalten Famillien sowie die Bevölkerung.


2. Architektur der Polis in der griechischen Antike(7)

2.1 Politische Architektur der Polis
Typischer Staatsverband der Antike ist die Polis, die nicht als 'Stadt' zu verstehen ist, sondern als ein kleinräumiger, politisch eigenständiger, unabhängiger Siedlungsverband, der sich um einen urbanen Kern entwickelte und einen Stadtstaat bildete. Bewohner einer Polis waren
  • Personen mit Rechten als Vollbürger (auschließlich volljährige Männer konnten Vollbürger sein), 
  • abhängige Personen - Frauen, Kinder und Metöken (dauerhaft als Handwerker oder Händler in der Polis lebende Fremde, die kein Land erwerben durften, steuerpflichtig waren und keine Bürgerrechte besaßen),
  • Sklaven, die für die Wirtschaft der Polis unabdingbar waren und deren Einsatz erst Vollbürgern die Wahrnehmung von Bürgerrechten und schöpferische Muße ermöglichte. 
Die Polis definierte sich primär nicht über ihr Territorium, sondern über ihre Mitglieder. In der Antike lebte die Mehrheit der Menschen auf dem Land. Mitglieder der Polis waren nur vollberechtigte, volljährige männliche Bürger (Politen), unabhängig davon, ob sie auf dem Land oder in der Stadt wohnten. Nur 'Politen' nahmen an der Selbstverwaltung teil und waren Teilhaber von 'Herrschaft'. Das Muster der attischen Demokratie prägte sich jedoch nur in Athen im 5. Jh. v. Chr. vollständig aus (im Zeitraum zwischen den Perserkriegen und dem Peloponnesischen Krieg). 


2.2 Bauarchitektur der Polis 
Von ca. 1000 bekannten und insgesamt ca. 1500 vermuteten antiken Poleis sind die meisten mehr oder weniger vollständig durch Kriege oder Erdbeben zerstört. Wo keine mächtigen Sediment- oder Geröllablagerungen Reste antike Poleis schützen, haben nachfolgende Kulturen antike Plätze als Steinbrüche für neue Bauwerke genutzt und mit neuen Kulturschichten überbaut. Viele antike Poleis sind bis heute noch nicht gefunden, identifiziert, erforscht oder, soweit sie identifiziert werden konnten, erst teilweise erforscht. In Zeiten knapper Finanzmittel wird diese Aufgabe noch zahlreiche Archäologen-Generationen beschäftigen.

Forschungen lassen erkennen, dass die Architektur der griechischen Antike auf Basis einheitlicher Prinzipien und Technik eine gemeinsame Formensprache herausgebildet hat. Über längere Zeiräume gereifte funktionelle und ästhetische Formen wurden in Kontexten von Vorstellungen eines Gesamtzusammenhangs an verschiedenen Orten immer wieder neu verwendet. Baustile, Bauformen, Bautechniken und genutzte Arten von Baumaterialen wiederholen sich, werden aber in diesem Post nicht im Detail betrachtet. Der Fokus liegt stattdessen auf funktionalen Strukturen, die sich ebenfalls wiederholen und aus denen sich Aussagen über religiöse und politische Vorstellungen und Praktiken sowie über soziale Organisationsformen ableiten lassen.

Jede Polis verfügte über einen urbanen Kern mit Wohngebäuden, sakralen Gebäuden (Heiligtum), profanen öffentlichen Gebäuden, zentralem Versammlungsplatz (Agora) sowie über eigene Feste, eigene Münzen, ein eigenes Heer und teilweise eine eigene Flotte.(8) Zu ihrem Schutz war die antike Polis von einer Stadtmauer umgeben.(9)
  • Wohnhäuser
    Bürgerliche Wohnhäuser waren in der frühen und klassischen Antike schmucklos-schlichte Gebäude vom Typ Pastashaus und Prostashaus, die beide über einen Innenhof verfügten, um den sich Räume des Hauses gruppierten. Da der Platz in der Polis beschränkt war, blieben Privathäuser eher einfach.
  • Öffentliche Sakralbauten (Heiligtümer)(7,10)
    Jede Polis verfügte über ein ummauertes Heiligtum. Im Zentrum des Heiligtums befand sich der Tempel der Schutzgottheit einer Polis, neben dem oft Ensemble kleinerer Tempel für weitere Götter platziert waren. Im Hauptraum des Tempels war eine Götterstatue aufgestellt. Vor dem Tempel befand sich auf einem Versammlungsplatz für Bürger der Polis der Altartisch für Kulthandlungen.
    Von kleinen Lehmziegelbauten und schlichten Altartischen des 9. und 8. Jh. v. Chr. entwickelte Poleis ab der Archaik ihre Tempel zu aufwendig gestalteten und ästhetisch raffinierten Monumentalbauten und ihre Altäre zu mächtigen Plattformen. Zugänge zu Heiligtümern führten anfangs noch durch schlichte Maueröffnungen, die mit dem Ausbau der Heiligtümer als Toranlagen (Propylons) mit z.T. komplexen, aufwendigen Architekturen gestaltet wurden, wie etwa bei den den Propyläen der Athener Akropolis.
    In großen Heiligtümern mit überregionaler Bedeutung dienten Thesauroi (Schatzhäuser) in Form von Antentempeln der Aufbewahrung kostbarer Weihgeschenke. Hallenbauten (Stoa) am Rand der Heiligtümer boten Besuchern Wetterschutz und dienten als Speisesäle.
  • Öffentliche Profanbauten
    Agora

    Im Zentrum einer Polis befand als Mittelpunkt des sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebens die Agora als zentraler Platz. Ab dem 6. Jh. v. Chr. wurde die Agora mit multifunktionalen Hallenbauten (Stoa) und repräsentativen Verwaltungsgebäuden umgeben, wie dem Buleuterion (Haus der Ratsversammlang) und dem Prytaneion (Haus der Amtsträger). Volksversammlungen (Ekklesia) fanden anfangs noch auf der Agora statt und wurden ab dem 6. Jh. v. Chr. in Theater oder eigens errichteten Ekklesiasterien verlegt.
    Gymnasion
    • Die Erziehung der männlichen Jugend fand im Gymnasion statt (antiker Vorläufer des Gymnasiums). Im Hinblick auf die militärische Ausbildung wurde großer Wert auf sportliche Ertüchtigung gelegt. Darum zählten zum Gymnasion Einrichtungen wie Dromos (Rennbahn) und Palästra (Ringplatz), zu dem Umkleideräume (Apodyterion) und Baderäume gehörten. Athleten trainierten nackt. Aus dem Begriff gymnós für „nackt“ ist der Begriff Gymnasion abgeleitet.
    • Bis zum 6. Jh. v. Chr. diente das Gymnasion der militärisch-sportlichen Ausbildung. Ab dem 5. Jh. v. Chr. entwickelte sich das Gymnasion zur humanistischen Bildungsstätte, die körperliche und geistige Erziehung gleichrangig förderte. Palästren wurden zu architektonisch anspruchsvollen Anlage vom Typ Peristyl ausgebaut. Höfe waren von einer Säulenhalle (Stoa) umgeben, an die Umkleide- und Baderäume sowie verschiedene Aufenthalts- und Übungsräume grenzten. (Römer bauten diesen Typ der Palästra zur Therme aus.) Während der antiken Blütezeit rückte das Gymnasion vom Stadtrand in das Zentrum der Polis.
    Stadion
    Öffentliche Wettkämpfe (Spiele) wurden im Stadion ausgetragen, über das jede Polis und auch jene Heiligtümer verfügten, die nicht in einer Polis lagen, wie Epidauros, Olympia, Delphi. Sportliche Wettkämpfe hatten kultischen Charakter im Sinne von Weihhandlungen zu Ehren von Göttern. Sieger von Wettkämpfen wurden mit einem Stirnband, einem Ölzweig, einem Palmzweig, einem Lorbeerkranz oder einem Kranz aus Zweigen eines wilden Olivenbaums geehrt. In ihren Heimatstädten wurden Sieger als Helden gefeiert und mit lebenslangen Privilegien ausgestattet.
    Theater
    • Wettstreits (Agon) wurden nicht nur sportlich, sondern auch musisch in verschiedenen Disziplinen ausgetragen. Zu diesem Zweck verfügte jede Polis und teilweise auch Heiligtümer über ein Theater. In Theatern ausgetragene musische Wettstreits hatten ebenfalls kultischen Charakter im Sinne von Weihhandlungen zu Ehren von Göttern. Musische Disziplinen der Wettbewerbe waren das Singen von Liedern, Hymnen, Dithyramben ohne oder mit musikalischer Begleitung, Flöten- und Kithara-Spiel, Dichtkunst (Epik und Lyrik), Redekunst, Tanz, Malwettbewerbe. Sieger musischer Wettbewerbe wurden mit einem Trípous (Dreifuß) belohnt, der in zahlreichen antiken Abbildungen zu finden ist.
    • Aischylos führte den zweiten Schausspieler in die Tragödie ein, Sophokles den dritten. Der Zusammenhang zwischen Dionysien und Tragödien wurde bald aufgelöst. In der Blütezeit kamen jeweils vier Stücke an einem Tag zur Aufführung, die gegeneinander als Wettstreit konkurrierten. Auf drei Tragödien folgte ein Satyrspiel als heiteres, befreiendes Nachspiel. Ein Stück wurde anfangs nur ein Mal für einen bestimmten Anlass konzipiert und aufgeführt.
    Soziale Funktionen von WettstreitsDer große Aufwand, der erforderlich war, um Spiele bzw. Wettstreits auszurichten und um aktiv an ihnen teilzunehmen, macht auf deren sozial-funktionale Bedeutung aufmerksam:
    • In einer auf Krieg als permanentem Normalzustand programmierten Kultur hatten Spiele nicht nur eine entlastende Ventilfunktion, sondern waren von hoher Bedeutung für Selbstvergewisserung, Repräsentation, Machtdemonstration der Polis und ihrer Gemeinschaft sowie für die Loyalität ihrer Mitglieder. Vermutlich war aus diesem Grund der Besuch des antiken griechischen Theaters gesellschaftlich verpflichtend (ähnlich wie noch heute der Kirchgang in Dörfern). Der Besuch der Aufführungen war gleichzeitig demokratisches Recht und religiös-moralische sowie politische Pflicht. Als in Athen Zuschauerzahlen im 4. Jh. v. Chr. sanken, führte der athenische Staat eine Ersatzzahlung für den Verdienstausfall während des Besuchs der Aufführungen ein.
    • Spiele dienten als politisches Forum, da Volk, politische Vertreter und Gesandte aus weiten Teilen der griechischen Welt zusammenkamen.
    • Spiele dienten als gesellschaftliches Forum, in dem sich Menschen aus unterschiedlichen Regionen, Berufsgruppen und Schichten trafen, um gegenseitiges Vertrauen und Loyalität zu stärken, um ihre Geschäfte zu besprechen oder anzubahnen, um Streits beizulegen.
    • Wohlhabende Bürger, die mittels Leiturgie (Sponsorenschaft) die Ausrichtung von Spielen unterstützten, steigerten ihr Ansehen und verbesserten so ihre Stellung in einer Polis.
    • Für passiv teilnehmende Bürger waren Spiele Höhepunkte im Jahresablauf. Da Sorgen und Lasten des Alltags zugunsten von Vergnügungen temporär suspendiert waren, hatten Spiele eine dem Karneval vergleichbare soziale Ventilfunktion, die zugleich die normativen Werte stärkte.   
    • Aktive Teilnehmer konnten ihre Heldenhaftigkeit und Nützlichkeit für die Gemeinschaft unter Beweis stellen, wodurch sie die Gemeinschaft festigten und gleichzeitig persönlich lebenslang profitierten.
 
3. Mythen und Genealogie der griechischen Götterwelt
 
Besucher antiker Plätze treffen unvermeidbar auf eine unübersichtlich-komplexe antike Götterwelt, in der Materie und Geist, Realität und Dichtung, Normen und Werte, materielle und immaterielle Kultur zu einem untrennbaren Amalgam verschmelzen. Ohne Kenntnis  griechischer Mythologie bleiben überlieferte Historie und kulturelle Artefakte der antiken Welt unverständlich. Wer als Besucher dieser fremden Welt nicht nur auf Oberflächen erhaltener Reste schauen möchte (die allerdings oft äußerst sehenswert sind), sondern Interesse an deren Sinngehalt hat, muss sich mit griechischer Mythologie befassen. (Warum dieser Weg zielführend ist, begründet ein am Ende dieses Posts angefügter Exkurs über Mythen, Mythologien, Religionen.) Michael Siebert dokumentiert als Exkurs seines privaten Portals "Homers Heimat" einen Abriss zum mythologischen Hintergrund der späten Bronzezeit in Griechenland (PDF).

Menschliche Wahrnehmung ist zugunsten von Entscheidungssicherheit instinktiv und entgegen eigener Einsicht bipolar programmiert. Wir unterscheiden zwischen Wahrheit und Lüge, Realität und Fiktion, Gutem und Bösem, Freund und Feind. Im Fall von Unsicherheit verhelfen Mythen zur Entscheidung, jedoch nicht im Stil von FAQ's. Mythen sind Dichtungen, die das Chaos sortieren. Indem Mythen die historische Zeit bis zur vorhistorischen Zeit ausdehnen, verweisen sie auf Helden, die auf vorausgegangen Wegen Bedingungen von Erfolg und Scheitern demonstrieren und damit nachfolgenden Generationen Handlungsorientierung ermöglichen.

In Dichtungen trifft Realität auf Poesie. Mythen erklären Poesie zur Realität. Dieser Nebel ist nicht undurchdringlich. Dichtung bzw. Mythen sind prinzipiell mit analytischem Besteck von Literatur-, Geschichts-, Religionswissenschaft, Soziologie, Ethnologie, Psychologie etc. sezierbar. Griechische Mythologie erweist sich jedoch als sperrig.

Über viele Generationen werden Mythen mündlich tradiert und verändert bzw. wechselnden Kontexten angepasst. Handlungsstränge, Randbedingungen, Akteure und ihre Rollen werden verkürzt, ergänzt und variiert hinsichtlich Ausschmückungen und Wertungen. Mit identischem Namen bezeichnete mythische Figuren können in unterschiedlichen Narrativen unterschiedliche Eigenschaften haben und in unterschiedlichen Räumen lokalisiert sein. Umgekehrt können unterschiedlich benamte mythsche Figuren sich auf weitgehend identische mythische Figuren beziehen.

Zusätzlich können sich Namen von Orten über Zeit verändert haben, sodass räumliche Identifizierungen heute nicht mehr existenter Orte oftmals vage bleiben und mitunter unmöglich sind. Im Vergleich können Mythen mit übereinstimmenden oder ähnlichen Mustern an unterschiedlichen Orten zu unterschiedlichen Zeiten inhaltlich unterschiedlich und widersprüchlich ausgestaltet sein. Diese Variabilität beruht nicht auf fehlender Wahrheitsliebe oder mangelnder Sorgfalt. Sie macht deutlich, dass Mythen einen räumlich und zeitlich eingehegten Geltungsbereich adressieren, aber ihre Kontexte oftmals nicht mehr rekonstruierbar sind.


3.1 Das Universum der antiken Götterwelt - Dieter Macek(11,12)

Der Privatgelehrte Dieter Macek arbeitet seit 1975 an der Erstellung einer Gesamtgenealogie der griechisch-mediterranen Genealogie. Eine Schautaufel seiner Genealogie umfasst 5.771 mythologische Götter- und Heldengestalten (inkl. altitalische, etruskische und keltische Gottheiten), die er auf einer 55 m langen und 1,7 m hohen Grafik darstellt. (Inkl. Bilder hat die Schautafel eine Länge von 73 m.) Weitere 2.049 Götter- und Heldengestalten der antiken Literatur lassen sich nicht einordnen. Textbeschreibungen umfassen 11.000 Seiten. In der antiken Welt sind ca. 1000 Poleis bekannt (ca. 1500 werden vermutet), von denen jede ihre eigenen Schutzgötter oder auch eine eigene Götterwelt hatte. Zwischen Götterwelten gab es Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Eine vollständige, konsistente, allgemeingültige Gesamtgenealogie der griechischen Götterwelt hat es daher nie gegeben und wird es wegen vieler Widersprüche nie geben. Daher bezeichnet Macek seine Genealogie explizit nicht als wissenschaftliches Werk im engeren Sinn, sondern als Kunstwerk.

3.2 Die griechische Götterwelt in Hesiods Theogonie(13,14,15)

Ein Entkommen aus dem zuvor beschriebenen Labyrinth ist aussichtslos. In diesem Post geht es jedoch nicht um die Frage, ob und ggf. wie eine vollständige Genealogie der antiken Götterwelt unter Berücksichtigung aller verfügbaren Quellen möglich ist, sondern primär um das Verständnis von Kontexten. Im Dienst dieses Verständnisses ist die Beschränkung auf eine verlässliche, in der Literatur tradierten Quelle ausreichend. Ordnung in den Stammbaum griechischer Götter und Helden bringt vermutlich erstmals der griechische Dichter Hesiod in seinem Werk Theogonie. Mit der Theogonie unternimmt Hesiod den ältesten bekannten Versuch, aus verschiedenen Mythen eine umfassende Genealogie der griechischen Götterwelt zu erstellen, indem er die Entstehung der Welt und der Götter miteinander verknüpft. In der Theogonie vollzieht sich die Entstehung der Götter über 3 Generationen, zwischen denen ein Machtwechsel stattfindet. (Andere Quellen identifizieren bis zu 6 Generationen.) Der Machtwechsel zwischen den Generationen verläuft keineswegs schmerzfrei. Die Generationen bekämpfen sich ohne Rücksicht auf ethische Prinzipien mit großer Brutalität.
Da wir an besuchten antiken Plätzen und insbesondere in Museen der griechischen Antike auf Abbildungen zum Kampf der Götter-Generationen treffen, ist ein (verkürzter!) Überblick zu diesem Teil der Mythologie lohnenswert.

Stammbaum der vorolympischen Götter nach Hesiods Theogonie
  1. Urgottheiten der 1. Göttergeneration entstehen bei Hesiod aus dem Urzustand Chaos: Gaia (die Erde) Tartaros (die Unterwelt), Eros (die Liebe), Erebos (die Finsternis), Nyx (die Nacht). Gaia bringt aus sich selbst Pontos (das Meer), Ourea (die Berge), Uranos (den Himmel) hervor, die ebenfalls zur 1. Generation zählen. Nach der Genese der Welt und der Götter herrscht Uranos als Erstgeborener der 1. Generation über die Welt.
    Mit ihrem Sohn Uranos zeugt Gaia etliche Nachkommen der 2. Generation: 3 Hekatoncheiren (Hundertarmige), 3 Kyklopen (Kreisäugige), 12 Titanen (Riesen). Weitere Nachkommen gehen aus anderen Verbindungen Gaias hervor oder Gaia bringt sie aus sich selbst ohne Zeugungsakt heraus. Uranos hasst seine Hekatoncheiren- und Kyklopen-Kinder und sperrt sie in den Tartaros (Strafort der Unterwelt).
  2. Anführer der Titanen-Kinder ist Kronos, der mit seiner Schwester Rhea 6 Kinder zeugt, darunter Zeus und Hera, aus denen die 3. Generation der Götter hervorgehen wird. Noch liegt die Macht bei der 1. Generation. Den Machtwechsel betreibt Gaia, die ihre Titanen-Söhne dazu anstiftet, den Vater mit einer gewaltigen Sichel zu bekämpfen. Alle schrecken zurück, bis auf Kronos, der sich zur Übernahme der Aufgabe bereiterklärt. Er entmannt Uranos mit der Sichel. Aus Uranos’ Blut, das nach der Entmannung auf Gaia fällt, wachsen die Giganten (ein Geschlecht mit furchterregender Erscheinung und ungeheuren Kräften), die Erinnyen (Rachegöttinnen, Rasende bzw. römisch Furien) und die Meliaden (Eschennymphen). Kronos schwingt sich dank der Tat zum Anführer der Titanen sowie zum Herrscher der Welt auf und begründet das Goldene Zeitalter.
  3. Vom Gebirge Olymp kämpft Zeus als Anführer seiner Geschwister einen langen, zähen Kampf gegen die 2. Götter-Generation der Eltern-Generationen der Titanen auf dem Othrys. (Die Titanomachie ist vielen Darstellungen erhalten.) Erneut betreibt Gaia einen Machtwechsel. Eine Wende tritt ein, als Zeus und seine Geschwister auf Rat Gaias die von Uranos im Tartaros gefangen gesetzten Hekatoncheiren und Kyklopen (Geschwister der Titanen) befreien und diese den Kampf der Olympier gegen die Titanen unterstützen. Nach 11-jährigem Kampf sind die Titanen besiegt und werden in den Tartaros verbannt. Seit dieser Zeit beherrschen Zeus und die Olympischen Götter die Welt. Gaia rät den Olympiern, Zeus zu ihrem Herrscher zu ernennen. Zeus teilt die Welt unter den männlichen Geschwistern in drei Reiche auf. Er selbst herrscht über den Himmel, Poseidon über das Meer, Hades über die Unterwelt.
In Hesiods Theogonie endet hier der Machtkampf der Göttergenerationen. In anderen Narrativen geht er weiter und entzündet sich im Kampf gegen die Giganten (die sog. Gigantomachie), an dem erneut Gaia beteiligt ist. Gaia ist mit der Verbannung der Titanen nicht einverstanden und stiftet die Giganten zum Kampf gegen die Olympier an. Weil Giganten sterblich sind, versucht Gaia, sie mit einem Wunderkraut unsterblich werden zu lassen. Zeus erfährt von dieser List und weiß sie zu verhindern. Allerdings sagt das Orakel voraus, dass die Giganten nicht durch Götterhand sterben können. Mit Hilfe seiner sterblichen Söhne, Herakles und Dionysos, die Zeus mit sterblichen Müttern gezeugt hat, besiegen die Olympier schließlich in einem erbarmunglosen Kampf die Giganten. Während Götter mit Giganten ringen, tötet Herakles die Giganten mit giftigen Pfeilen, die er zuvor im Blut der von ihm erschlagenen Hydra getränkt hat.(16) Nach schrecklichem Tod auf der Erde wurde Herakles lt. Mythologie schließlich zum Olymp entrückt und erhielt dort Unsterblichkeit. (Ein ähnliches Narrativ kennen wir aus christlicher Mythologie.)

Konflikte der antiken Götterwelt sind keine Fantasy. Die antike Mythologie thematisiert universale (Ur-)Konflikte zwischen Geschlechtern und Generationen sowie um Macht. Erzähler der Antike erkennen diese Konflikte als vermeintlich universale Gegebenheiten menschlicher Kultur und verstehen sie als Kräfte, die die Welt verändern. Die Deutung von Konflikten zwischen Geschlechtern und Generationen als Universalien mag auf tiefen Einsichten beruhen. Dass politische Macht männlich definiert ist, wirft jedoch Fragen nach der Deutungshoheit solcher Definitionen auf. Diskussionen über diese Fragen haben gerade erst begonnen und sind längst noch nicht abgeschlossen. 


4. Menschen und Götter, Krieger und Helden in antiken Kulturen

4.1 Anmerkungen zur antiken Ethik und Sinnlichkeit
In einer vom neutestamentarisch-christlichen Ethos beeinflussten Kultur unterscheiden sich Vorstellungen vom Charakter göttlicher Figuren erheblich von Vorstellungen in der Antike, wie der exemplarische Blick auf die Figur des Zeus deutlich macht. Im von Zeus angeführten Kampf um Macht bremst kein Prinzip der Seniorität die Revolte gegen die Vätergeneration. Warum auch? Macht gehört dem Stärkeren. Vater Kronos hat bereits seinen Vater Uranus entmannt und damit entmachtet. Zeus gelingt es, Macht auf sich zu konzentrieren. Machtfülle stimmt ihn weder gütig noch weise. Zeus nutzt seine Macht ungehemmt. In einer Kultur permanenter Kriegsführung legitimiert Zeus' Machtanspruch und Machtausübung das Recht des Stärkeren.

Als Liebhaber lässt Zeus nichts anbrennen. Um sich Subjekten seiner Begierde zu nähern, verwandelt Zeus sich notfalls auch zum Stier, Schwan, Kuckuck, Adler oder als Schlange. Seine Affären zeugen zahlreiche Kinder (Wikipedia: Kinder des Zeus). Ehefrau Hera ist Wächterin über die eheliche Sexualität. Eskapaden ihres Ehemanns beobachtet sie eifersüchtig und reagiert mit Schmollen oder Gezänk. Zu Widerstand fehlt ihr Mut. Stattdessen rächt sie sich an Kindern aus Affären ihres Gatten. Antik sind diese Themen keineswegs. In der Bewegung #MeToo hätte Zeus Chancen auf eine Top-Platzierung als 'most hated man'.(17)

Den Unterschied zwischen Göttern und Menschen macht primär Sterblichkeit aus. Unsterblich sind nur Götter, die ansonsten hinsichtlich ihreres Charakters den Menschen mit allen ihren Schwächen ähnlich sind. Anders als monotheistische Weltreligionen betrachtet die Antike charakterliche Schwächen nicht als Merkmal des Menschentums, sondern als Universalien aller Geschöpfe. Geduldete Fehlbarkeit von Menschen erstreckt sich jedoch nicht auf Ansprüche an Verlässlichkeit von Kampfgefährten und an Gastfreudschaften. Verlässliche Kampfgefährten und verlässliche Gastfreundschaften sichern das Überleben unter Lebensbedingungen einer prekären Welt. Wer diese Normen verletzt, hat sein Schicksal verwirkt.

Die Antike kennt selbstverständlich soziale Normen des richtigen und falschen Verhaltens und sie kennt ebenfalls mahnende und strafende Götter. Soweit sich soziale Normen der Antike jedoch auf sinnliche Bedürfnisse und das Triebleben beziehen, sind diese Normen nicht mit 'harten' Sanktionsrisiken besetzt und erlauben darum Übertretungen, die keine ernsten Konsequenzen nachsichziehen. Leben ist zahllosen Risiken und Gefahren ausgesetzt. Warum sollten Menschen zusätzlich Lebensfreude spendende triebhafte Ausschweifungen mittels strengen Normen unterdrücken? Die antike Götterwelt legitimiert menschliche Freiräume des sinnlichen Lebens, während abrahamitischen Religionen diese Freiräume mittels Androhung göttlicher Strafen verweigern.


4.2 Anmerkungen zu antiken Helden und zur antiken Kriegskultur
In einer Sphäre, die zwischen Göttern und Menschen angesiedelt ist, bilden Helden eine besondere Spezies. Helden stammen von Göttern ab. Als Nachkommen des Geschlechtsverkehrs von Göttern mit Menschen sind Helden weder das Eine noch das Andere, sondern 'Halbgötter'. Dank göttlicher Gene sind Halbgötter mit Fähigkeiten ausgestattet, die über menschliche Fähigkeiten weit hinausgehen und Halbgötter zu Helden machen. Wie heldenhaft Halbgötter auch immer sein mögen, aufgrund ihrer menschlichen Gene sind Halbgötter sterblich. In der Antike vermitteln nicht Götter den Menschen Beispiele vorbildlichen Verhaltens, sondern es sind Helden und ihre Taten.(18) Dass nur Männer zu Helden werden können, gibt jedoch zu denken.

Niemand ist frei von Schwächen und Fehlern, auch nicht Helden, aber Helden sind die 'Stars' der Antike, die viel mehr leisten, als 'normale' Menschen zu leisten imstande sind und die darum mit Ruhm und Ehre bedacht werden. Allerdings erfahren wir durch Narrative der Mythologie, dass im antiken Heldentum zugleich auch das Scheitern der Helden angelegt ist.(19) Das Eine ist ohne das Andere nicht zu haben. Diese Botschaft transportieren ebenfalls antike Dramen, deren Helden Übermenschliches leisten und dabei durch Verstrickungen der Götterwelt ohne eigene Schuld ihren eigenen tragischen Untergang herbeiführen. Der Ruhm dieser Helden lebt über den Tod hinaus in der Erinnerung von Menschen weiter.   

Das Streben nach Ruhm ist die pädagogische Botschaft des Heldentums antiker Kriegskulturen. Antike Kulturen lebten im permanenten Krieg, weshalb das Leben der Gemeinschaft auf Kriegsführung ausgerichtet war. Städte waren befestigt. Männliche wehrfähige Bürger wurden in Gymnasien zu Kriegern ausgebildet. Sinnstiftende Bedeutung des Militarismus förderten und bestätigten in Heiligtümern ausgetragene Wettkämpfe zu Ehren der Götter. Wettkämpfe waren 'Kriegsspiele' außerhalb des Schlachtfeldes, die Krieg als kulturelle Konstante bestätigten und auf den nächsten Krieg einstimmten. Sieger von Wettkämpfen feierte die Gemeinschaft als potentielle Kriegshelden, von denen sie zugunsten der Gemeinschaft Heldentaten im nächsten Krieg erwartete.

Die Antike beschränkte jedoch Ruhm nicht auf heldenhafte Kriegshandlungen und auf Sieger sportlicher Wettbewerbe. Weil Chancen auf Ruhm und Ehre offenkundig zur Entwicklung individuell herausragender Fähigkeiten motivieren, von der nicht nur Einzelne, sondern die Gemeinschaft insgesamt profitiert, dehnte sich ein ursprünglich auf militärische Fähigkeiten beschränktes Heldentum über Zeit durch Einführung von Dionysien in mehreren Disziplinen der Kunst auf musische Wettbewerbe aus und darüber hinaus auf Wissenschaften sowie auf Architektur, die materielle und immaterielle Kultur verbindet. 

Dass Krieg als kulturell verankerter Mechanismus der Konfliktlösung zwischen Machtzentren eine besondere Kultur fördert, ist keine überraschende Erkenntnis. Weniger bewusst scheint zu sein, dass Krieg eine männliche Strategie von Konfliktlösungen war und noch immer ist. Dominante Männlichkeit bedeutet potentiellen Krieg. Andererseits sind es vermutlich Kriegskultur und Heldentum, die über den militärischen Anwendungsbereich hinaus auch in der zivilen Kultur imponierende kulturelle Leistungen künstlerischer, wissenschaftlicher, architektonischer Art hervorbringen. Konflikte motivieren Kreatitivtät und beschleunigen die Dynamik von Kulturen. Eine Legitimierung dominanter männlicher Kultur ist damit nicht gerechtfertigt. Derartige Rechtfertigungen benötigen zusätzliche Annahmen über eine biologische und rassistische Determinierung menschlicher Natur, wie sie im Nationalsozialismus propagiert wurden.

Die Epoche der europäischen Renaissance greift Ideen der Antike nicht nur in Architektur, Kunst und Wissenschaft auf, sondern auch in der Politik. Niccolò Machiavelli betrachtet die Frage, wie sich politische Macht unabhängig von Recht und Moral entfalten kann und durchsetzen lässt. Auf Machiavellis Überlegungen zurückgehender Macchiavellismus ist längst zu einer politischen Realität geworden, die Donald Trump als exemplarisches Beispiel praktiziert.

Von europäischen Kulturen perfektionierte Strukturen der sozialen Ungleichheit, der Geschlechtsdiskriminierung, des Rassismus, der Sklavenhaltung, der Kolonialisierungen, der Unterdrückung von Minderheiten oder machtloser Mehrheiten basieren auf Überzeugungen und Machtstrukturen, die in außer-europäischen prähistorischen Hochkulturen entwickelt wurden, in antike europäische Kulturen einflossen und sich in Europa ausbreiteten, wo sie nach Durchsetzung des Christentums qua Segen der Kirche als 'göttliche Ordnung' Rechtfertigung finden.


Lessons Learned?
Was bleibt von der Antike, neben Mythen über Kriege, Helden, Götter, großartigen Kunstwerken, beindruckenden wissenschaftlichen Leistungen und vielen Ruinen? Zustandegekommen sind diese Leistungen unter Bedingungen, die von heutigen Vorstellungen über Menschenrechte weit entfernt sind. Trotzdem entfalten sie Einflüsse bis zur Gegenwart. Ohne ständige Wartung zerfallen Bauwerke. Sie werden als Steinbruch genutzt oder überbaut und verschwinden auf verschiedenen Wegen von der Oberfläche. Immaterielle Kultur der Antike verschwindet dagegen nicht spurlos.
  • Dichtkunst, Poetik, Dramatik gehen auf die Antike zurück. 
  • Den Heldenkult antiker Mythologie löst christlicher Heiligenkult ab. Aus Helden werden Heilige. Gaia, die Kinder aus sich selbst hervorbrachte und in allen Generationen ihrer Nachkommen mitmischte, lebt in der christlichen Mytholgie als Maria weiter.
  • Wenn in der Gegenwart herausragende Persönlichkeiten mit Kunst-, Architektur- und Wissenschaftspreisen geehrt werden, durch die sterbliche Menschen unsterblichen Ruhm erlangen, knüpft die Preisverleihung an antike Traditionen des Heldentums an. Keiner der Geehrten vergisst zu erwähnen, dass er auf den Schultern von Helden steht, denen er eigene Leistungen verdankt.
  • Heldentum ist eine männliche Domäne. Antike Mythen legitimieren dominante männliche Macht des Patriarchats, das sich in europäischen Kulturen nahtlos bis zur Gegenwart fortschreibt und dabei lediglich einige Mythen austauscht.
  • Im politischen Raum hinterlässt die Antike nicht nur Macchiavellismus, sondern auch Ideen der attischen Demokratie, die sich in der Blütezeit der klassischen Antike im 5. Jh. v. Chr. im Zeitraum zwischen den Perserkriegen und dem Peloponnesischen Krieg ausbreiteten und ein Niveau erreichte, das wir in der Gegenwart vermissen. 
Im Alltag ahnen wir nicht einmal, wir stark europäische Kultur von antiker Kultur durchdrungen ist. Für die praktische Lebensbewältigung ist dieser Sachverhalt eher unbedeutend. Für  das Alltagleben benötigen wir gewöhnlich kein Wissen über die Antike. Wenn wir jedoch verstehen möchten, aus welchen Wurzeln europäische Kultur gewachsen ist, warum sie so ausgestaltet ist, wie wir sie erfahren und wie gegenüber großen kulturellen Herausforderungen angemessenes von unangemessenem Verhalten zu unterscheiden ist, können wir auch noch in der Gegenwart von Ideen, Leistungen, Irrtümern der Antike lernen. Jenseits spezifischer Fragen lernen wir, dass immaterielle Kultur (Mythen, Ideen, Werte) langlebiger ist als matierelle Kultur, die sich in Bauwerken manifestiert und dass europäische Kultur aus immaterieller Kultur der Antike entsteht. 


Anmerkungen
  1. Statements zum Begriff 'Struktur'
    • Komplexität der realen Welt kann beschränkte menschliche Wahrnehmung nicht vollständig erfassen und beschreiben. Wahrnehmung isoliert prinzipiell aus einem sich permanent verändernden Universum von Objekten, Zuständen, Ereignissen, Prozessen jene Phänomene, deren Berücksichtigung sich für das Überleben einer Spezies evolutionär bewährt haben.
    • Mit dem Homo Sapiens hat sich evolutionär ein im Vergleich zu anderen Lebensformen höher komplexes biologisches System entwickelt, das über 'Verstand' hinaus (Fähigkeit zum Erkennen von Sachverhalten und zum Treffen geeigneter Entscheidungen) über 'Vernunft' verfügt (Fähigkeit zur Reflexion von Entscheidungsoptionen), die zur Bewertungen befähigt.
    • Annahmen über Strukturen (Gesamtheit der Elemente und der Wechselwirkungen zwischen Elementen eines Systems) beruhen auf willkürlichen oder unwillkürlichen Entscheidungen, die auf Basis individueller, nicht verallgemeinerungsfähiger Kognitionen zustande kommen und darum prinzipiell variabel bleiben. 
    • Aussagen über Strukturen können nicht beanspruchen, Realität zu beschreiben. Strukturannahmen beruhen auf expliziten oder impliziten Modellen vermeintlicher Sinngefüge, mit deren Hilfe wir Komplexität von Realität zu erfassen versuchen. 
    • Wenn Modelle zu gleichen oder ähnlichen Gegenstandsbereichen miteinander konkurrieren und Konkurrenz zugelassen ist, verbessert sich die Qualität von Aussagen über Strukturen. Ob damit eine Annäherung an Realität gelingt, bleibt spekulativ.
    • Kurz & knapp:
      Die für diesen Post gewählte Struktur ist nicht zwingend, aber für den Autor vernünftig.
  2. In der Forschung ist strittig, wann und aus welchen Wurzeln Poleis entstanden sind und wann sie untergingen. Die überwiegende Mehrheit der Forscher datiert die Entstehung von Polis in der Archaik ab dem 8. Jh. v. Chr. und die Existenz von Poleis in der 'klassischen' Form bis zum Ende der Spätantike. Für die klassische Zeit werden im griechischen Mutterland 700 Poleis mit durchschnittlich 50 - 100 km² Ausdehungen und 2000 - 4000 Bewohnern angenommen. In griechischen Kolonien werden weitere mindestens 800 Poleis vermutet.
    In dünn besiedelten Regionen bildete das Éthnos als antiker griechischer 'Stammesstaat' die Alternativ zur Polis.
  3. Die Geschichte des Peloponnesischen Kriegs des antiken griechischen Historikers  Thukydides (454-399/396 v. Chr.) gilt als Meilenstein einer objektiv-wissenschaftlichen Ansprüchen verpflichteten Geschichtsschreibung.
  4. Die exzellente private Webseite Lakedaimon.de enthält eine umfangreiche Informationssammlung inkl. Fotos zum antiken Sparta und vielfältige Facetten seiner Geschichte und Kultur 
  5. Zeit: Ein diebischer Lord gegen schlampige Griechen
  6. Deutschlandfunk: Streit im griechische Skulpturen im britischen Museum
  7. Wikipedia: Griechische Architektur
  8. Wikipedia: Die Merkmale der Polis 
  9. Eine Ausnahme bildete Sparta. Bis ca. 200 v. Chr. hatte die Stadt keine durchgehende Stadtmauer. Die militärische Kampfkraft der Spartiaten und der Mythos ihrer Unbesiegabarkeit reichte aus, um Feinde vom Angriff auf Sparta abzuhalten.
  10. Wikipedia: Griechische Tempel
  11. Artikel (PDF) von Dieter Macek: Eine Gesamtgenealogie der Götter und Heroen der griechisch-mediterranen Mythologie
  12. Webseite Dieter Macek: https://www.myth-gen.eu/
  13. Wikipedia: Hesiod
  14. Wikipedia: Theogonie
  15. Wikipedia: Griechische Mythologie
  16. Dieser Kampf ist im Gigantenfries des Pergamonaltars dargestellt, dessen Rekonstruktion mit originalen Friesen im Berliner Pergamonmuseum zu sehen ist.
  17. Heute und gestern sind unterschiedliche Paar Schuhe, die man über mehrtausendjährige Zeiträume zwar vergleichen, aber nicht gegeneinander ausspielen kann. Im Zeitraum zwischen Antike und Gegenwart haben sich über mehr als 3000 Jahre nicht nur Wissenschaften, Technologien, Ideologien und individuelle Bewusstseinslagen verändert, sondern auch Normen und Werte, die wir fälschlich als allgemeingültige Größen annehmen.
  18. Der antike Heroenkult wird als Erweiterung des privaten Ahnenkultes im öffentlichen Raum aufgefasst. - Wikipedia: Heros
  19. Eine Ausnahme von dieser Regel verbindet sich mit Herakles, der lt. Gigantomachie den olympischen Göttern zum Machterhalt verhalf. Auch Herakles scheiterte (wie üblich in griechischer Mythologie durch 'Frauengeschichten') und stirbt einen schrecklichen Tod. Aus Dankbarkeit nahmen die olympischen Götter Herakles in den Olymp auf und machten ihn unsterblich.

Exkurs über Mythen, Mythologien, Religionen 
Menschliches Denken ist beeinflusst von Mechanismen, die sich unserer bewussten Kontrolle entziehen und die unsere Wahrnehmung verzerren. Eine dieser kognitiven Verzerrungen beruht auf der impliziten Erwartung von Kausalität zwischen beobachteten Phänomenen. Wenn unmittelbare Kausalität nicht zu erkennen ist, konstruieren wir sie und spekulieren über mögliche Ursache-Wirkungs-Beziehungen. Dieser Mechanismus ist keine Fehlschaltung, sondern lebenswichtig. In gefährlichen, höchst unübersichtlichen Situationen müssen wir auch unter Unsicherheit schnelle Entscheidungen treffen, die ein Überleben ermöglichen. Dies gelingt nur (und längst nicht immer), indem wir Annahmen über Kausalitäten treffen. Die Entwicklung von Mythen beruht vermutlich auf dieser Art von kognitiver Verzerrung. Mythen erklären, was sich aus der empirischen Beobachtung nicht erklären lässt: Die Entstehung der Welt, der Berge, der Meere, der biologischen Arten, der gesetzmäßigen Kreisläufe der Natur, das Eintreten außerordentlicher Katastrophen der Natur sowie nicht zuletzt Klima, Wetter, Jahreszeiten und Vieles mehr.

Nicht nur in der Antike, sondern generell ermöglichen mythische Narrative das Navigieren in komplexen, sinnlich nur unvollständig erfahrbaren Lebenswelten. An Schnittstellen zwischen Götterwelt und Menschenwelt andockende Mythen machen rätselhafte Pänomene erklärbar, regeln das Miteinander sozialer Gemeinschaften, legitimieren Machtansprüche, demarkieren Binnen- und Außenstrukturen, markieren Freunde und Feinde, Gutes und Böses, Richtiges und Falsches. Mythen stiften Sinn und spenden Entscheidungs- bzw. Handlungssicherheit.

Was unterscheidet Mythen von Religion? Die Antwort ist einfach: Substanziell nichts! Beide vermitteln unvierselle Erfahrungsmuster, die Sinn stiften, Orientierung ermöglichen, Herrschaft legitimieren sowie sozialen Zusammenhalt durch Identifikation und Abgrenzung stärken. Erst die Perpektive erzeugt Unterschiede zwischen Mythos und Religion. Mythos ist „die Religion anderer Leute“, erklärt der amerikanische Literaturwissenschaftler Joseph Campbell (1904 - 1987) und weist darauf hin, dass Religion „missverstandene Mythologie“ sei, weil in Religion „mythische Metaphern als Hinweise auf unumstößliche Tatsachen interpretiert werden“. (Wikipedia: Mythologie).

Religionen beanspruchen für sich 'Wahrheit'. 'Heiden' sind die jeweils anderen, nicht zur Gemeinschaft gehörenden Menschen. Dass diese Wertung wechselseitig gilt, verweist auf die Absurdität solcher Behauptungen, verhindert aber nicht deren fortgesetzte Verwendung. Normative Verhaltensregeln gelten nur innerhalb einer Religion, jedoch nicht für Ungläubige. Diese dürfen betrogen, bestraft, verfolgt, versklavt und getötet werden. Schutz genießen sie erst dann, wenn sie ihr Heidentum bereuen und ablegen, d.h. die Religion verlassen, in der sie sozialisiert wurden und die dominante Religion annehmen. Nicht nur, aber auch Lessing hat in der Ringparabel Nathan der Weise die Fragwürdigkeit dieses Denkens thematisiert.  

Ein feiner und nicht unerheblicher Unterschied besteht durchaus zwischen Mythen und insbesondere monotheistischen, abrahamitischen Religionen. Während Mythen lokal gelten, Menschen einer Mythen-Kultur die räumliche Begrenztheit ihrer Mythologie bewusst ist und Mythen Gemeinschaft und Kultur stiften, beanspruchen abrahamitische Religionen universelle räumliche und zeitliche Geltung, weil 'Wahrheit' absolut ist. So betrachtet sind Mythen deutlich sympathischer als Religionen. Wer religiöse Fesseln ablegt, gewinnt Bewegungsfreiheit. Ob und wie diese genutzt wird und ob sie persönliche Gewinne ermöglicht, haben Akteure (abgesehen von Ausnahmen) selbst in der Hand. Allerdings ist diese Freiheit nicht kostenlos zu haben. Sie hat einen doppelten Preis. Wir verlieren Gewissheiten und zahlen mit Eigenverantwortung.

Neutestamentarischer Ethos vermag sich jedoch in der Breite nicht durchzusetzen. Offensichtlich ist er für die meisten Menschen zu unattraktiv. Daher verwundert nicht, wenn Religion in der europäischen Kultur einen Bedeutungsverlust und gleichzeitig einen Bedeutungswandel von einer öffentlichen zu einer privaten Institution erfährt. Da Menschen jedoch ungerne sinnstiftende Gewissheiten aufgeben, die von Eigenverantwortung entlasten, fällt es ihnen schwer, das von Religion freigeräumte Gelände als Freiraum für Selbstentfaltung zu nutzen. Die Konsumgüterindustrie hat diesen Sachverhalt verstanden und weiß das 'Religions-Vakuum' zum Nutzen ihrer Protagonisten zu füllen. Den Platz von Religion nimmt in der Gegenwart Konsum ein. Konsum löst nicht nur Religion ab, sondern ebenso humanistische Ideale der Vorgänger-Generationen. Konsum ist die neue Religion. Dieser Machtwechsel ist längst vollzogen.

Individuelle Wünsche und Bedürfnisse nach Glückserlebnissen, Entscheidungssicherheit und sozialem Ansehen nutzen Marketing und Werbung. Sie verpacken modische Produkte emotional und vermitteln Befriedigung elementarer individueller Bedürfnisse. Konsumenten verleiht die Orientierung an Mode Handlungssicherheit. Modischer Stil des individuellen Auftritts signalisiert Fremdwahrnehmungen die Botschaft einer zeitgemäß-modernen und stilsicheren Persönlichkeit mit finanzieller Potenz. Positive Fremdwahrnehmung stärkt die eigene Selbstwahrnehmung. Allgemeine Angebotsbreite und Shopping-Optionen sowie individuelle Konsumkraft und modische Stilsicherheit vermitteln Gefühle eigener Freiheit und Authentizität. Nie war Glück mit so wenig eigener Anstrengung zu erleben. Man kann es einfach kaufen. Allerdings gibt es auch einen Haken. Freiheit des Konsums erfordert Geld, das bei dieser Transaktion umverteit wird. Da Konsumeffekte kurzlebig sind, wird immer wieder neues Geld benötigt. Wer nur über wenig Geld verfügt, ist im Konsum eingeschränkt und erfährt nur kleines sowie seltenes Glück. Viel Geld erlaubt großes Glück mittels Luxuskonsum. Wer über kein Geld verfügt, ist zum Unglück verurteilt.

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