Donnerstag, 29. Dezember 2011

Berliner Streifzüge über Friedhöfe im Dezember 2011

Grab der am 1.12.2011 verstorbenen Schriftstellerin Christa Wolf
Theodor Fontanes Grab auf dem Friedhof II der französisch reformierten Gemeinde

















Friedhöfe sind ein sehr spezielles und hoch interessantes kulturelles Biotop, das viele und oft versteckte Botschaften bereithält und darum ein weites Feld für Entdeckung bietet. Im Ostteil Berlins kennen wir den Dorotheenstädtischen Friedhof bereits seit den frühen 80er Jahren als eine Ruhestätte vieler Geistesgrößen unserer Kultur. Unmittelbar hinter dem Friedhof teilte damals die Mauer nicht nur die Stadt, sondern auch das soziale Leben und Sterben ihrer Menschen. Die beklemmende Atmosphäre verspüren wir noch immer.
Heute wollen wir jedoch zunächst das Grab Theodor Fontanes aufsuchen, dem wir viele wertvolle Anregungen und Einsichten über die Mark Brandenburg verdanken, und auf dessen Spuren wir 10 Tage in Brandenburg unterwegs waren.




Neubau der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes
Auf dem Weg zu Fontanes Grab beeindruckt uns ein gigantisches Bauprojekt an der Chausseestraße. Ein Baustellenschild klärt uns auf. Hier entsteht die neue Zentrale des Bundesnachrichtendiestes. Nach der bedrückenden Konfrontation mit monströsen Einrichtungen der GESTAPO und STASI am Vortag schauen wir heute schon wieder auf ein wachsendes Monster. Der für die Auslandsaufklärung zuständige Geheimdienst des BND wird hier auf Kosten der Allgemeinheit demnächst einen eigenen neuen Stadtteil beziehen, dessen Dimension die Menge der Beschäftigten ahnen lässt. Für uns ist das schier unglaublich, zumal mit dem Verfassungsschutz und dem militärischen Abschirmdienst zwei weitere Geheimdienste von Steuermitteln unterhalten werden. Aufklärung tut in der Tat Not gegenüber einer Politik, die uns zu repräsentieren vorgibt! Spontan stellen sich eine Reihe von Fragen ein, mit denen üblicherweise jeder konfrontiert ist, der über fremde Mittel verfügt:
Für welche Zwecke bzw. Ziele bezahlen wir mit unserem Beitrag (Steuermitteln) Projekte dieser Größenordnungen sowie die laufenden Kosten für den Betrieb und die beschäftigen Personen, von denen hier viele Tausend im Geheimen wirken? Welche Risiken rechtfertigen einen Mitteleinsatz in diesen Dimensionen? Wer wird von diesen Risiken bedroht? Wer bewertet diese Risiken? (Doch hoffentlich nicht diejenigen, die hier ihre berufliche Existenz rechtfertigen!) In welchem Verhältnis stehen Aufwand und Ergebnis? Wer steuert die Aktivitäten? Gegenüber wem und in welcher Form sind die Verantwortlichen zur Rechenschaft verpflichtet?
Da Transparenz als ein natürlicher Feind gilt, sind konkrete Informationen zu Etats und Personalstärken kaum zu finden. Immerhin findet mittlerweile eine öffentliche Diskussion über explodierende Projektkosten statt. Nach jüngsten Meldung werden anstatt der ehemals mit 500 Millionen Euro veranschlagten Projektkosten inzwschen Kosten in Höhe von 2.000 Millionen Euro erwartet. Der Versuch einer Aufarbeitung der Gechichte des BND zeigt seit etlichen Jahren nur wenig Fortschritte und wird immer wieder neu boykottiert. In einem Artikel der FAZ vom 16.01.2011 heißt es:
'Bei allen drei Behörden (eigene Anmerkung: gemeint sind BND, BfV und BKA) war bereits durch leichtes Kratzen an der Oberfläche sichtbar geworden, dass man sich von den Aufbaujahren an bis in die siebziger Jahre hinein nicht nur der üblichen NSDAP-Opportunisten bedient hatte, die vom Auswärtigen Amt über das Finanzministerium bis hin zum Bund der Vertriebenen viele Behörden und Verbände nach 1945 mitbestimmten. Vielmehr und viel schlimmer hatten sich sowohl beim BKA als auch bei BND und BfV haufenweise Leute eingenistet, die als Gestapo-Männer, geheime Feldpolizisten, SD-Agenten oder Angehörige von Massenmordkommandos der SS und der Polizei an den Verbrechen der Nazizeit unmittelbar beteiligt waren. Sie stellten einen Teil des Personals und sie prägten in mancher Hinsicht auch den Geist der Nachkriegsbehörden.'

















Vermutlich ist es der hugenottischen Abstammung Fontanes geschuldet, dass der Dichter des poetischen Realismus auf dem Friedhof II der französisch reformierten Gemeinde bestattet ist. Das Friedhofsareal liegt außerhalb des Zentrums im Ortsteil Wedding in einem Areal an der Liesenstraße, in dem vier der bedeutendsten Berliner Friedhöfe unmittelbar aneinander grenzen. Die Liesenstraße verläuft längs der Grenze zwischen dem Ostteil und dem Westteil Berlins. In diesem 'Niemandsland' verliefen die Grenzanlagen, auf deren deprimierende Reste wir schauen. In diesem trostlosen Viertel ist unser Eindruck, dass man sich hier besser bei Tageslicht und möglichst nicht allein aufhält. Teile der Friedhöfe wurden für den Bau der Grenzanlagen zerstört. Machtpolitik kennt keinen Respekt vor der Ruhe von Verstorbenen. Der Zugang zu den Friedhöfen war im Ostteil der Stadt nur mit einem Passierschein möglich.





In Anbetracht des kühlen Wetters und der frostigen Kulisse auf dem Weg erreichen wir frierend Fontanes Grab. Diesen Besuch glauben wir ihm zu schulden, obwohl es nicht das Originalgrab ist, vor dem wir stehen, sondern eine Replik. Das ursprüngliche Grab ist nämlich angeblich im 2. Weltkrieg zerstört worden. Ob der Mauerbau zur Zerstörung beigetragen hat, ist nicht zu ermitteln. Wie auch immer, wir ehren Fontane mit unserem Besuch und reihen uns unter viele weitere Besucher ein, die vor uns hier waren und auf dem Grabstein eine Kastanie oder einen Kiesel zurückgelassen haben.

In unmittlelbarer Nähe des Grabes befindet sich ein kapellenartiges Gebäude, in dem eine kleine Fontaneausstellung kostenlos zugänglich ist. Die Ausstellung ist Fontanes Biographie gewidmet und umfasst selbstverständlich auch die Wanderungen durch die Mark Brandenburg, mit deren Beschreibungen Fontane seinen Lebensunterhalt überwiegend bestritten hat. Die historische Karte Brandenburgs interessiert uns ganz besonders. Sie zeigt Brandenburg zu der Zeit, in der Fontanes Berichte entstanden sind. In dem hier wiedergegebenen Ausschnitt haben wir uns zuletzt aufgehalten und können darum feststellen, dass sich Landschaft und Ortschaften heue deutlich anders darstellen.





Besuch des Dorotheenstädtischen Friedhofs
Auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof, dessen Anlage vollständig unter Denkmalschutz steht, haben zahlreiche bedeutende und prominente Persönlichkeiten ihre letzte Ruhestätte. Das nach dem Namen der zweiten Frau des Großen Kurfürsten benannte Friedhofsgelände wurde von Friedrich II. zugewiesen. Bestattungen gibt es auf diesem Gelände seit 1770.

Heinrich Mann
Karl Friedrich Schinkel
Friedrich August Stüler

Herbert Marcuse
Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Johann Gottlieb Fichte

John Heartfield
Günter Gaus
Wieland Herzfeld


Bertold Brecht und Helene Weigel
Hanns Eisler

















Paul Dessau
Hans Meyer
Anna Seghers

Fritz Teufel
Fritz Teufel

















Christa Wolf
Christa Wolf

















Christa Wolf

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