|
Wiederaufbau des Stadtschlosses am 'Alten Markt' mit Fortunaportal |
Potsdam entwickelt sich seit der Wende zu einer der attraktivsten Städte Deutschlands, wenn nicht gar Europas. Potsdam besinnt sich nämlich auf sein reiches kulturelles Erbe, das zur Zeit der DDR im günstigen Fall nur unter Vernachlässigung litt, oft aber auch seelenlosen Neubauten oder, schlimmer noch, Grenzanlagen und militärischen Einrichtungen weichen musste. Bereits 1990 wurde die Kulturlandschaft Potsdams zum UNESCO-Welterbe erklärt. Mit diesem Signal startete ein Aufbruch, der nicht nur Verfall und Vernichtung stoppte, sondern diesen Prozeß umkehrte.
Link zum Masterplan Preußischer Schlösser und Gärten
Den großen Anstrengungen der Sanierung, Restaurierung und Rekonstruktion sind inzwischen äußerst sehenswerte Erfolge zu verdanken. Nicht unerhebliche Anteile stammen aus privaten Mitteln und Initiativen. Der außerordentlich hohe Wohnwert Potsdams ist offensichtlich auch für etliche wohlhabende Menschen so attraktiv, dass sie ihren Wohnsitz nach Potsdam verlegt haben und mit eigenen Anstrengungen zur Beschleunigung der Entwicklung beitragen.
Mit Angie und Richard waren wir noch im Herbst diesen Jahres in Potsdam. Der Post unseres Besuchs geht vor allem auf Schloß und Park Sanssouci sowie auf die Frühgeschichte Potsdams ein, weshalb wir bezüglich dieser Themen auf den Post vom 23.10.2011 verweisen.
Link zum Post über den Potsdam-Besuch vom 23.10.2011
Über interessante kulturelle Objekte in der Peripherie Potsdams und in der Umgebung der Altstadt berichtet dieser Blog mit den Posts vom 20.12.2011 und 21.12.2011. Heute konzentrieren wir uns auf bisher von uns vernachlässigte Objekte im historischen Stadtkern.
|
Neues Rathaus Potsdam in der Nauener Vorstadt |
Unser Auto parken wir kostenlos in der Alexandrowka, von der wir die Altstadt auf einem kurzen Fußweg durch die Nauener Vorstadt erreichen. Auffälligstes Gebäude auf unserem Weg ist das mit Sandstein verkleidete Rathaus, auch 'Neues Rathaus' genannt, was auf ein 'Altes Rathaus' verweist, zu dem wir noch kommen werden. Hoher Grundwasserspiegel und ungünstige Bodenverhältnisse bereiteten dem 1902 begonnen Bau einige Schwierigkeiten, so dass sich die Fertigstellung des Komplexes bis 1907 hinzog. (Wir erinnern uns daran, dass mehr als 100 Jahre später trotz aller vermeintlichen technischen Fortschritte in Köln unter ähnlichen Baubedingungen historische Stadtarchive einstürzen.)
|
Nauener Tor |
Den historischen Stadtkern betreten wir über das 'Nauener Tor', eines von drei noch erhaltenen Stadttoren Potsdams. Das Tor wurde 1754/55 in einem von England beeeinflussten neugotischen Stil erbaut und hatte bereits mehrere Vorgänger. Potsdam wuchs als Residenzstadt im 18. Jahrhundert sehr schnell, weshalb zwei große Stadterweiterungen vorgenommen wurden. Die 'Erste Neustadt' entstand 1721-1730 unter Friedrich Wilhelm I. Diese Erweiterung erwies sich schon bald als zu klein, weshalb 1733 gleich der Bau der 'Zweiten Neustadt' anschloss. Die Bauphase zog sich bis 1742 hin. In der Zwischenzeit ging 1740 die Regentschaft auf Friedrich II. über, der 1752/53 nochmals eine kleinere Erweiterung veranlasste. Gemäß dieser Baugeschichte befinden wir uns vorerst in der
historischen 'Neustadt' von Potsdam.
|
Holländisches Viertel |
Da eine kasernierte Unterbringung von Soldaten damals noch nicht üblich war, ließ Friedrich Wilhelm I. das mittelalterliche Potsdam abreißen und neue Bürgerhäuser aufbauen. Abhängig von ihrem Vermögen mussten alle Hausbesitzer zwei,
vier oder sechs Soldaten einquartieren. Der
König brachte im Stadtschloss sechs Grenadiere unter.
In der Gegenwart vermittelt das 'Holländische Viertel' einen Eindruck von dem Bild des bürgerlichen Potsdams, wie es sich Mitte des 18. Jahrhunderts dargestellt haben mag. Positiv vermittelt sich dieses Bild jedoch erst seit wenigen Jahren. Zur Zeit der DDR war dieses Viertel dem Verfall überlassen. Wir erinnern uns noch heute an den Kulturschock, den der traurige Zustand des Viertels im Jahr 1990 bei unserem ersten Besuch nach der Wende ausgelöst hat.
|
Holländisches Viertel |
Ob die Bewohner des 1733-1740 erbauten 'Holländischen Viertels' von der Verpflichtung zur Aufnahme von Soldaten betroffen oder befreit waren, ist uns nicht bekannt. Hier wohnten nämlich holländische Handwerker, die als Experten für Landentwässerung angeworben worden sind, um mit der Entwässerung des Sumpflandes um Potsdam Raum für die Stadterweiterung zu schaffen. Die Stadtentwicklung zeigt, dass die Experten offensichtlich insgesamt gute Arbeit geleistet haben, obwohl die ungünstigen Bedingungen auch unerwünschte Effekte provozierten. Um das Gebiet trocken zu legen, wurde für die Aufnahme des Wassers 1737-1739 ein Becken ('Bassin') ausgegraben, aus dem das Wasser über den 'Alten Kanal' in den 'Heiligen See' abgeleitet wurde. Wegen des geringen Gefälles floss das Wasser nicht wie gewünscht ab, was das Bassin im
Sommer zu einem übel riechenden Ärgernis machte. (Das Problem erinnert uns an den Kölner Grüngürtel!) 1835 wurde das Becken verkleinert und zwischen 1871 bis 1876 endgültig zugeschüttet.
|
Abfallcontainer mit Murales am Bassinplatz |
Der Bassinplatz ist damals wie heute kein positives Beispiel für gelungene Stadtplanung und erinnert uns unangenehmerweise an den völlig mißlungen Ebertplatz in Köln. Solche Ergebnisse gehören entsorgt, scheinen die Abfallcontainer symbolisch zu rufen.
Der Bassinplatz ist trotzdem und nicht nur wegen seiner Planungsirrtümer einen Besuch wert, sondern wegen zwei bemerkenswerter Kirchen. Obwohl sich Preußen zum Protestantsmus bekannte, war im Geiste des brandenburger Toleranzediktes der Katholizismus ebenso geduldet wie der vom Calvinismus geprägte französisch-reformierte Glaube der Hugenotten, weshalb ihnen auch Kirchengebäude zustanden. Für orthodoxe Lutheraner war soviel Toleranz nicht akzeptabel. Sie bekämpften den 'Synkretismus', blieben aber erfolglos. Lutherische Theologen, die eine Unterzeichnung
des Toleranzediktes verweigerten, verloren ihre Anstellung,
wie auch der bedeutende Theologe und Kirchenliederdichter Paul Gerhardt, dessen Entlassung 1666 einige Irritationen und Konflikte auslöste.
|
St. Peter und Paul am Bassinplatz |
Die katholische Kirche St. Peter und Paul entstand 1867/70 nach Plänen von Wilhelm Salzenburg und August Stüler mit Außenmaßen von 65 m x 38 m auf einem Grundriss in Form eines griechischen Kreuzes. Der eklektizistische Bau verwendet byzantinische, romanische und klassizistische Stilelemente. Der 64 Meter hohe Glockenturm ist dem Campanile von San Zeno in Verona nachgebildet. Nach starken Zerstörungen im 2. Weltkrieg wurde die Kirche von 1945 bis 1950 wieder originalgetreu aufgebaut.
|
Französische Kirche am Bassinplatz |
Mit dem 'Edikt von Potsdam' von 1685 bietet der Kurfürst Friedrich Wilhelm verfolgten Hugenotten eine neue Heimat und fördert die Immigration mit Privilegien wie Befreiung vom Militärdienst und mehrjährige Steuerfreiheit. Mit dieser Strategie beschafft der Kurfürst wirtschaftliches und technisches Know-how von etwa 20.000 Flüchtlingen für die Entwicklung des eigenen Landes. 1753 stiftet Friedrich II. den Franzosen eine eigene Kirche. Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, der Architekt von Sanssouci, verstirbt 1753 und kann seine an das Pantheon in Rom angelehnten Pläne nicht mehr selbst umsetzen. Der von Karl Friedrich Schinkel gestaltete Innenraum kann nur im Rahmen von Führungen besichtigt werden.
Ein Bombenangriff zerstörte im 2. Weltkrieg am 14. April 1945 das Französische Viertel, nur die Französische
Kirche blieb fast unversehrt. Da die kriegsbedingten Folgeschäden nicht saniert wurden, musste die Kirche 1968 wegen Baufälligkeit geschlossen werden. Nach der Wende konnte die Kirche mit öffentlichen Fördermitteln und privaten Spenden wiederhergestellt und der Gemeinde übergeben werden.
|
Rekonstruierter Abschnitt des Potsdamer Stadtkanals |
Der Stadtkanal markiert ungefähr die Grenze zwischen der Altstadt und der Neustadt von Potsdam. Der Kanal beruht auf alten Entwässerungsanlagen, die ab dem 12. Jahrhundert entstanden sind und mehrfach umgebaut wurden. Beim Bau des Schlosses Sanssouci wurde der Kanal auch für den Materialtransport genutzt. Im 19. und 20. Jahrhundert verfiel der Kanal immer stärker und wurde 1965 endgültig zugeschüttet.
Seit 1999 wird der Stadtkanal wieder rekonstruiert, wobei das Geländer von Spenden finanziert wird. Mehrere Abschnitte sind bereits fertiggstellt, und bis 2016 ist die Wiederherstellung des gesamten Kanals vorgesehen.
Am Tag unseres Besuchs führt der Kanal kein Wasser. Somit bleibt unser Eindruck von den fertiggestellten Abschnitten heute leider unvollständig.
|
Wilhelm-Staab-Straße |
Ein Blick in die Wilhelm-Staab-Straße, die in der Altstadt die Yorkstraße mit der Charlottenstraße verbindet, vermittelt einen guten Eindruck von dem ehemaligen barocken Stadtbild in einem vornehmen Wohnviertel.
|
Neuer Markt mit der ehemaligen Ratswaage (Nord- und Westseite) |
Auf einem kurzen Fußweg gelangen wir vom Stadtkanal zum Neuen Markt, der als einer der schönsten erhaltenen Barockplätze überhaupt gilt. Auch uns gefallen die intime Atmosphäre und die harmonische Architektur dieses Platzes.
Bei dem kleinen Haus im Vordergrund handelt es sich um die ehemalige Ratswaage, in der aktuell ein Restaurant betrieben wird. Das Kabinetthaus 'Am Neuen Markt 1' nutzte Friedrich Wilhelm II. (der 'dicke Lüderjahn') während
seiner Kronprinzenzeit als Stadtpalais. Hier wurde auch der spätere König
Friedrich Wilhelm III. 1770 geboren, der in Paretz viele Spuren hinterlassen hat. Drei Jahre früher kam hier 1767 Wilhelm
von Humboldt zur Welt.
|
ehemaliger Kutschstall am Neuen Markt |
An der Westseite des Neuen Marktes befindet sich der ehemalige
Kutschstall mit einer frühklassizistischen Fassade. Das Gebäude wurde 1787 bis 1790 als Stall für die königlichen
Kutschpferde errichtet. In dem Kutschstall
befindet sich heute das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte.
|
Ehemaligee Marstall (aus Richtung Breite Straße) |
Nach Süden grenzt der ehemalige Marstall des ehemaligen Stadtschlosses an den Neuen Markt. Der Reitpferdestall des Stadtschlosses wurde ursprünglich 1685 als Orangerie gebaut und gilt heute als das älteste Haus Potsdams. Das aktuelle Aussehen gab im 18. Jahrhundert der Sanssouci-Baumeister Knobelsdorff dem Gebäude.
Heute ist im Marstall das 'Filmmuseum Potsdam' untergebracht.
|
Baustelle des Wiederaufbaus der ehemaligen Garnisonskirche |
Die lange, traurige Geschichte der einstmals bedeutendsten Barockkirche Potsdams soll hier nicht im Detail ausgebreitet werden. Bei Interesse sei auf einen ausführlichen Artikel in Wikipedia verwiesen:
Link zum Wikipedia-Artikel Garnisonskirche
Die stark kriegsbeschädigte Kirche wurde 1968 auf Beschluss der SED-Führung unter Walter Ulbricht gesprengt und abgetragen. Um den Wiederaufbau gab es lange Kontroversen, die auch heute noch nicht abgeschlossen sind. Wir konnten uns jedenfalls davon überzeugen, dass Erdarbeiten stattfinden. Wenn es wie geplant weitergeht, soll die wiederaufgebaute Garnisonkirche am 31. Oktober 2017 zum 500. Jahrestag der Reformation feierlich eingeweiht werden.
|
Nikolaikirche und Marmorobelisk, Alter Markt |
|
Altes Rathaus, Alter Markt |
Der von Karl Friedrich Schinkel nach römischem Vorbild gestaltete Alte Markt bildete ehemals den historischen Kern Potsdams. Nach starker Kriegszerstörung wurden die Nikolaikirche und das Alte Rathaus wieder aufgebaut, die Ruinen des Stadtschlosses und des Palast Barberini wurden hingegen abgetragen. Nach Süden blieb der Platz zur Havel hin offen und hat damit seinen ursprünglichen Charakter als geschlossener Platz verloren. Seit den 70er Jahren grenzt das als 'modern' missverstandene und inzwischen bereits verslumte Gebäude der Fachhochschule an den Alter Markt. Nach der Wende wurde entschieden, die Entwicklung des Stadtbildes wieder an die historische Gestalt anzupassen.
|
Baustelle des Stadtschlosses m Alten Markt |
Nach der Wende fehlte zunächst ein Konzept für den Wiederaufbau des Stadtschlosses. Den Stein ins Rollen brachte die Bundesgartenschau 2001 in Potsdam. Maßgeblichen Anteil daran hatten der Potsdamer Günther Jauch sowie weitere Sponsoren, die durch ihre Spenden das Fortunaportal
originalgetreu wiederherstellen ließen. Das 2002 fertiggestellte Portal
stellte eine wichtige Marke auf dem Weg zur kompletten Rekonstruktion
des Stadtschlosses dar – das erste sichtbare Zeichen, dass die
Wiederaufbaupläne nicht unrealistisch waren. Am 20. Mai 2005 fällt die Entscheidung, dass bis 2011 ein
neuer Landtag in den Um- und Aufrissen des historischen Potsdamer
Stadtschlosses errichtet wird. Das Projekt drohte mehrfach zu scheitern. Eine Bürgerbefragung spricht sich für den Wideraufbau am historischen Ort aus. Nach mehreren Anläufen hat das Projekt inzwischen wieder Fahrt aufgenommen. Im Februar 2011 fand die Grundsteinlegung statt. Voraussichtlich 2013 soll der brandenburgische Landtag in das neue Gebäude mit historischer Fassade einziehen.
|
Modell des Stadtschlosses |
|
Modell des Stadtschlosses |
In einem Informationszentrum können wir uns das Modell des zukünftigen Stadtschlosses anschauen. Vom Dach des Informationszentrum haben wir einen guten Überblicklick auf die Baustelle und den Platz des 'Alten Marktes'. Dieser Platz wird schon bald seine Auferstehung als ein städtebauliches Juwel feiern, dessen sind wir uns sehr sicher. Dass wir uns das Ergebnis vor Ort anschauen werden, ist für uns ebenso sicher.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen