Vogelzug über Paretz in der Morgendämmerung |
Angewidert vom höfischen Leben suchen der Preußenkönig Wilhelm III. und seine im Volk äußerst beliebte Frau Luise für ihr Privatleben ein naturnahes Rückzugsgebiet, in dem sie abseits vom politischen Alltag ihren Frieden finden. Sie machen das Dorf Paretz zum lokalen Zentrum ihres privaten Glücks und beziehen die slawischen Einwohner des Dorfes in ihr Glück ein.
Aufstieg der Ortschaft Paretz
Schloß Paretz, Rückseite |
Schloß Paretz, Front |
Weihnachten 1793 heiraten Kronprinz Friedrich Wilhelm und Prinzessin Luise von Mecklenburg-Strelitz. Die Sommeraufenthalte auf der Pfaueninsel liebt Luise nicht. 1797 erwirbt Friedrich Wilhelm das Gut Paretz samt Dorf und Ländereien für 85.000 Taler, um Paretz zum Sommersitz zu machen. Sie beauftragen den königlichen Baumeister David Gilly zum Bau eines prunklosen Schlosses und beziehen 1798 ihr 'Schloss Still-im-Land'. Gilly gestaltet das Dorf nach königlichen Vorstellungen und zum Wohl der Bewohner als Musterdorf im neoklassizistischen Stil neu. Mit seiner Vision einer Verbindung des Schönen mit dem Nützlichen nimmt Gilly moderne Designprinzipien vorweg, die erst mehr als 100 Jahre später das Bauhaus aufgreifen sollte. Gillys Schüler, Karl Friedrich Schinkel, sollte als 'der preußische Architekt' in die Geschichte eingehen, der das Stadtbild Berlins wie kein anderer geprägt hat.
Dorfkirche von Paretz |
'Gotisches Haus', ehemals Schmiede, heute Gaststätte |
In Paretz erhalten die Bewohner auf Kosten des Königs neue Häuser. Alle Kinder werden jährlich neu eingekleidet. Zu Erntedank feiern Slawen und 'Russen', so nennen die Einwohner die Preußen, ein ausgelassenes Fest, bei dem die ständischen Grenzen vorübergehend aufgehoben sind. Dorfmusikanten und höfische Musikanten spielen im Wechsel zum Tanz auf, an dem sich ungeachtet ihrer ständischen Zugehörigkeit alle beteiligen.
Impressionen in Paretz und seiner Landschaft
Bei kleinen Erkundungsspaziergängen machen wir uns mit dem Dorf bekannt. Am Ortsrand treffen wir auf 'Wasserlöcher'. Die lehmhaltigen Böden sind im Raum Ketzin im großen Stil für die Herstellung von Ziegeln genutzt worden. Die Senken haben sich nach dem Lehmabbau mit Wasser gefüllt und bilden nun Tümpel oder kleinere Seen. Diese Landschaft der Wasserlöcher ist inzwischen unter Naturschutz gestellt. Die Feuchtgebiete sind ein Refuguim für viele Wasservögel.
Spätestens am Wochenende, wenn das Schloß für Besichtigungen geöffnet ist, werden wir uns ein genaueres Bild von der Schloßanlage machen können. Für Sonntag ist ein Weihnachtsmarkt mit Musikgruppen und Chören angekündigt. Als Höhepunkt wird eine 'lebende Krippe' durch das Dorf ziehen. Da simmer dabei! Dat es prima!
Werderdammstraße im Dorf Paretz |
Bockwindmühle |
Wasserlöcher bei Paretz |
Wasserlöcher bei Paretz |
Wasserlöcher bei Paretz |
Wasserlöcher bei Paretz |
Unsere Ferienwohnung im 'Landhaus Luise'
Das Wohnhaus des kaiserlichen Hofgärtners, David Garmatter, liegt natürlich vis-à-vis dem Schloß. Die Familie Garmatter ist eine von vielen Schweizer Familien, die aus religiösen Gründen ihre Heimat verließen. Religionsflüchtlinge mit nachgefragten Fähigkeiten nahmen die Preußen im aufstrebenden Brandenburg gerne auf.
In David Garmatters Wohnhaus wurde später eine Gastwirtschaft betrieben. Heute gehört das Haus einem Ehepaar, das in Potsdam ein renommiertes Architekturbüro betreibt. In mehrjähriger Renovierungsarbeit haben sie das Haus zu ihrem eigenen Wohnhaus umgestaltet und im Erdgeschoß zwei Ferienwohnungen eingerichtet, die sie als 'Ferienwohnungen im Landhaus Luise' vermieten. Unsere Ferienwohnung verfügt nicht nur mit 80 qm über großzügigen Raum, sondern ist auch sehr hochwertig ausgestattet und überzeugt mit ihrem Design der Inneneinrichtung. Die kurzen Tage und das oft schwierige Wetter bereiten uns hier keine Probleme.
Link zur Webseite 'Landhaus Luise'
Paretzer Schloß am frühen Morgen aus Richtung 'Landhaus Luise' |
Niedergang und Wiederentdeckung der Ortschaft Paretz
Das von Wilhelm III. und Luise vorangetriebene Projekt endet 1806 abrupt. Napoléon zieht als Sieger der Schlacht von Jena und Auerstedt mit seinem Heer im Oktober 1806 in Berlin ein. Wilhlem III. und Luise fliehen nach Ostpreußen. In dem von Napoléon diktierten Friedensvertrag von Tilsit akzeptiert Wilhelm III. die Reduzierung preußischen Machtgebiets um etwa die Hälfte. Preußen muß die französische Besetzung dulden und versorgen sowie hohe Kontributionszahlungen leisten. Königin Luise versucht zuvor noch bei Napoléon maßvolle Friedensbedingungen zu bewirken. Dem wirkungslosen Bittgang verdanken wir eine Anekdote. Auf Napoléons Frage, was die Preußen zum Angriff Napoléons verleitet habe, soll Luise geantwortet haben: „Der Ruhm Friedrichs des Großen hat uns über unsere Mittel getäuscht.“
Napoléon gestattet erst Ende 1809 die Rückkehr des Königspaares nach Berlin. 1810 besuchen Wilhelm III. und Luise noch einmal Paretz. Wenig später stirbt Luise im Alter von 34 Jahren an Lungenkrebs. Zur Erinnerung an Luise lässt Wilhelm III. an ihrem Lieblingsplatz im königlichen Garten eine eiserne Pforte aufstellen und an einem als 'Tempelchen' bezeichneten Gartengebäude eine Tafel mit dem schlichten Spruch anbringen 'Gedenke der Abgeschiedenen'. Wilhelm III. möchte Paretz im Zustand glücklicher Jahre erhalten. Ein von den Dorfbewohnern unterschriebenes Dekret Wilhelms III. untersagt Änderungen an Häusern und Straßen. Kurz vor seinem Tod verfasst Wilhelm III. sein Testament und appelliert darin an seine Kinder mit der Mahnung 'Gedenke der Abgeschiedenen'.
Das Ende absolutistischer preußischer Macht gibt den Weg frei für einen neuen Beginn, mit dem umfassende gesellschaftliche und politische Reformen eingeleitet werden. Unter anderem wird die Leibeigenschaft 1807 aufgehoben. In der Schlacht von Waterloo, an der preußische Truppen maßgeblichen Anteil haben, muß Napoléons 1815 die endgültige Niederlage hinnehmen. Preußen erhält auf dem Wiener Kongress von 1815 den größten Teil der im Frieden von Tilsit entzogenen Gebiete zurück. Die überfälligen Reformentwicklungen sind jedoch in Preußen nicht aufzuhalten. Das Versprechen einer Verfassung, das Wilhelm III. 1813 seinem Volk in einem Aufruf zu Befreiungskämpfen gibt, löst der König nicht ein. Auch Wilhelm IV. beruft sich noch auf sein Gottgnadentum und lehnt eine Verfassung ab. Erst die Märzrevolution von 1848 in Berlin ringt Wilhelm IV. im Dezember 1848 die erste gültige preußische Verfassung ab, die zwar die königliche Macht einschränkt, aber auch einige demokratische Mängel enthält. Das 1849/50 eingeführte Dreiklassenwahlrecht bleibt bis zum Ende der Monarchie 1918 in Kraft.
Theodor Fontane berichtet in seinen 'Wanderungen durch die Mark Brandenburg' ausführlich und persönlich angerührt über das Königspaar und über das Dorf Paretz. Fontane hat sich dreimal in der Gegend aufgehalten. Seine anschaulichen Reisebeschreibungen halten die Erinnerungen an Paretz lebendig und ziehen noch einige Jahrzehnte Besucher an. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts setzt jedoch in Paretz ein Verfall ein, der sich nach dem Ende des 2. Weltkrieges beschleunigt. Von der ursprünglichen königlichen Oase sind nur noch wenige Relikte im schlechten Zustand vorhanden. Die zum Gedenken an Luise aufgestellte Gartenpforte und das Tempelchen sind schon lange verschwunden.
In Zeiten der Wende, die mit großen privaten Unsicherheiten einhergehen, vermag die Erinnerung an das kulturelle Erbe über Grenzen von Ost und West hinweg Erstaunliches zu bewirken. Paretz erwacht, besinnt sich seines Erbes und beginnt ein neues großes Projekt des Wiederaufbaus, das die Abgeschiedenen würdigt und das Engagement der Lebenden inzwischen mit bemerkenswerten Früchten belohnt. Auf den Fundamenten seines historischen Erbes befindet sich Paretz auf dem Weg zu einer neuen Zukunft. Im Jahr 2011 zieht die Ausstellung '200 Jahre Einweihung der Luisenpforte' 70.000 Besucher in das Paretzer Schloß. Der Ansturm der Besucher strapaziert die Grenzen der Belastbarkeit der kleinen Ortschaft Paretz und ihrer 400 Bewohner.
Frühgeschichte des Dorfes Paretz
Siedlungsspuren lassen sich in den Havelniederungen bis zur Steinzeit nachweisen. Gegen Ende der Völkerwanderung besiedeln Slawen in mehreren Wellen das Havelgebiet und werden mit dem aus dem Germanischen abgeleiteten Namen 'Heveller' belegt. Die Eigenbezeichnung des Stammes war 'Stodorjane'. Der Ortsname 'Paretz' leitet sich aus der slawischen Bezeichnung 'pro-reka' (am Fluss) ab und verweist auf die Havellandschaft, ein eiszeitliches Urstromtal, in dem die Havel viele kleine Flüsse und Seen bildet.
Die erste urkundliche Erwähnung des Dorfs ist auf das Jahr 1197 datiert. Zunächst existierten zwei Dörfer dieses Namens. Obwohl sich Landwirtschaft aufgrund ausgedehnter Feuchtgebiete, Sümpfe und Torflandschaften nur eingeschränkt betreiben lässt, siedeln sich neben den slawischen Fischern und Jägern nämlich später auch deutschstämmige Bauern an und gewinnen mit aufwändigen Maßnahmen der Entwässerung Boden für die Landwirtschaft. Ab 1297 erwähnen die kirchlichen Archive nur noch ein Dorf. Die kulturellen Grenzen zwischen Slawen und Deutschen sind überwunden.
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