Montag, 19. Dezember 2011

Fontane, Einstein, Nazis, Stasi, Betrug, Suizid, Mord oder Unfall - das pralle Leben und der Pate vom Schwielowsee, Rama dama

Fontane-Denkmal am Resort Schwielowseee
'Der Schwielow ist gutmütig, so sagten wir; aber wie alle gutmütigen Naturen kann er heftig werden, plötzlich, beinahe unmotiviert, und dann ist er unberechenbar.' 
(Theodor Fontane, 'Wanderungen durch die Mark Brandenburg')

Kähne 

Du dämlicher Hund liegst blutend im Wald.
Ein preußischer Adliger machte dich kalt.
Zitternd stand dein Junge dabei –
Mensch, du warst Nummer 103!
Wälz dich im Dreck – aber mach keine Szene.
Auf dich schoß nicht schlecht
waidgerecht
Kähne.
(1. Strophe des Gedichts von 'Theobald Tiger', 1922)


Der Bericht unserer Wanderung um den Schwielowsee vom 19.12.2011 deutet an, dass wir im Kontext der Wanderung auf wüste Plots stoßen. Wir steigen hinab in den Sumpf aus menschlicher Gier, Eitelkeiten, Makel, Peinlichkeiten und Obsessionen, um die angekündigte Aufklärung hier nachzuliefern. Link zum Post der Wanderung um den Schwielowsee

Theodor Fontane und die Lust an makaberen Horrorgeschichten
Theodor Fontane beschreibt in seinen 'Wanderungen durch die Mark Brandenburg' einige skurrile Szenen im Havelland, die sich auf Friedhöfen oder in Grüften abspielen. Hierzu merkt er im Kapitel über 'Zwei "heimlich Enthauptete" einleitend an:
'Geschichten von »Enthaupteten«, (...), am liebsten aber von »heimlich Enthaupteten«, haben hierzulande immer eine Rolle gespielt und sich neben den »weißen Frauen« und »vergifteten Apfelsinen« in unseren Volkssagen erhalten.'

Geschichten über 'Enthauptete' und 'heimlich Enthauptete' greift Fontane sehr interessiert und offenbar keineswegs ungerne auf, um sich ein eigenes Bild von Verstorbenen zu machen oder dubiosen Gerüchten nachzugehen. Ob das seine einzige Motivation ist, lässt sich im Nachhinein ohne zusätzliche Quellen nicht klären. Fontanes Interesse und seine hemdsärmelige Vorgehensweise belegen einige Beispiele, die hier aus dem Originaltext mit Kürzungen zitiert werden (Theodor Fontane, Wanderungen durch die Mark Brandenburg, München 2006, Band 2, Havelland). Vorsorglich sei angemerkt, dass diese Passagen durchaus makaber sind und ihr Unterhaltungswert nicht für jeden einsichtig sein mag.

1.  Groß-Glinicke (Seite 206f.) (Anmerkung: Schreibweise des Ortes lt. Fontane)

'Beide Hans Georg von Ribbeck finden wir auch in der Gruft der Kirche wieder. Wie sie im Schiff, in bildlicher Darstellung, nebeneinander stehen, so liegen sie hier nebeneinander. Wohlerhalten. Denn die Groß-Glienicker Gruft gehört zu den vielen in der Mark, in denen die beigesetzten Leichen zu Mumien werden. Wir steigen hinab. Der Sargdeckel des zuvorderst stehenden Hans Georg (des Domherrn) ließ sich ohne Mühe aufheben. Da lag er, in Roquelaure und roter Samtkappe, in allem Äußerlichen von beinahe gespenstischer Ähnlichkeit mit dem Hautreliefbilde, das ich eben im Schiff der Kirche gesehen hatte.' 






2. Falkenrehde (Seite 348 ff.) 
'Falkenrehde ist eines jener lachenden Dörfer, deren die Mark, ganz im Gegensatz zu ihrem Ruf, so viele zählt. Prächtige alte Linden ziehen sich zu beiden Seiten der Dorfstraße hin, saubere Häuser, von Kürbis- oder Pfeifenkraut umsponnen, blicken zwischen den Stämmen durch und in nur kurzen Pausen rollen Postwagen und Omnibusse auf und ab, die den Verkehr zwischen Potsdam und den kleinen, aber wohlhabenden Städten des Havellandes unterhalten. In den dreißiger Jahren war auch vornehmeres Gefährt auf dieser Straße heimisch: königliche Kutschen. Friedrich Wilhelm III. kam an schönen Sommerabenden von dem nahen Paretz herüber, (...).'

Fontane fährt mit einem Gefährten nach Falkenrehde, um in der Kirchengruft der Geschichte einer Enthauptung nachzugehen. Es entspannt sich folgender Dialog:
'»Es wird heute nichts«, brummte mein Gefährte, ein havelländischer Herr, aus seiner Kapuze heraus. »Um diese Stunde steigt keiner in die Gruft, am wenigsten zu dem Enthaupteten.«
»Wir müssen's versuchen. Tot ist tot, enthauptet oder nicht.« Mit diesen Worten hielten wir vor der Küsterwohnung, (...).'

Dialog mit dem Küster:
'»Nun sagen Sie, Herr Kantor, wie steht es damit, ist er wirklich enthauptet?«
»Das ist er. Darüber kann kein Zweifel sein. Sie werden es sehen.«
»Wer ist es?«
»Ich weiß es nicht. Ich kann nur sagen, was sich die Leute hier erzählen. Sie sagen, es sei der Oberst von Weiler, der um 1680 Falkenrehde besaß. Sie sagen, daß er Unterschleife machte, daß er heimlich hingerichtet wurde und daß die Frau des Obersten die Leiche freibat, um sie hier beisetzen zu können.«
»Das ist alles?«
»Ja!«
»Glauben Sie es?«
»Ich darf wenigstens nicht sagen: ich glaub' es nicht. Ein Enthaupteter ist da. Irgend etwas muß passiert sein.«'

Zur Handlung schreibt Fontane:
'So weit war unsere Unterhaltung gediehen, als die Frau die brennende Laterne brachte, was man so brennen heißt, vier angeblakte Scheiben mit einem Lichtstumpfe drin. Der Küster nahm den Vortritt und so schritten wir auf die Straße hinaus, wo inzwischen die Falkenrehder, bis zu dem benachbarten Kirchhofe hin, Spalier gebildet hatten. Das Gerücht von unserm Vorhaben war durchs Dorf gelaufen wie ein Feuer übers Strohdach. Alles sah uns nach, mit einem andächtigen Ernst, als ob wir auszögen den Lindwurm zu töten.'
(...)
'Sie (die Kirche) machte einen spukhaften Eindruck, weil sie überall da, wo das Mondlicht durch die Scheiben fiel, so hell war wie bei Tage. Daneben lagen breite Schattenstreifen. An den Wänden und Pfeilern hingen Totenkränze und Brautkronen mit ihren langen bunten Bändern. Es war, als bewegten sie sich bei unserem Eintreten. Wir schritten nun zunächst auf den Altar zu, wo ich im Halbdunkel ein großes Bild zu bemerken glaubte. Wirklich, es war eine Kreuzigung, alles in Rokokomanier, und die Magdalene mit hohem Toupet und Adlernase sah aus wie die Frau von Pompadour. Ich darf sagen, daß das Unheimliche des Ortes durch diese Anklänge nur noch gesteigert wurde.'
(...)
'Die Stiege, die hinabführte, war weniger eine Treppe als eine aus aufrechtstehenden Ziegeln gebaute Leiter; jede Stufe so hoch und so schmal wie möglich. Alles voll Staub und Spinnweb. Ohne Fährde indes kamen wir unten an; nur das Licht in der Laterne begann in bedenklicher Weise zu flackern, erholte sich aber wieder und die Musterung konnte beginnen. Wir zählten vier Särge, zwei wohlerhalten und mit Metall beschlagen, die beiden anderen schon etwas schadhaft. Einer davon, von rechts her gerechnet der dritte, hatte eine Öffnung am Kopfende: das verschließende Brettchen fehlte. Es sah aus wie die offenstehende Tür eines kleinen Hauses.
»Das ist er«, sagte der Küster.
»Der Enthauptete?«
»Ja.«
Dabei fuhr er mit Totengräbergleichmut in die Öffnung des Sarges hinein, suchte einen Augenblick wie in einem Kasten, in dem man Bescheid weiß, und kam dann mit einem Schädel wieder zum Vorschein. Und nun hielt er ihn mir wie zur Begutachtung hin.
Ich nahm ihn in die Hand und sagte: »Das ist ein Schädel, nicht mehr und nicht weniger. Wo aber steckt der Beweis, daß es der Schädel eines Enthaupteten ist?«
Der Küster, statt aller Antwort, wies einfach auf einen fingerbreiten Halslappen hin, der sich unter dem Kiefer hinzog. Dieser aufgetrocknete Streifen war an seinem Rande so scharf, wie wenn man ein hartes Stück Leder mit einem scharfen Messer durchschneidet.
Dies mochte in der Tat als Beweis gelten. Es war ganz unverkennbar eine Schnittfläche. Irgend etwas Scharfes hatte hier Kopf und Rumpf getrennt. »Sie haben recht«, – damit schoben wir den Schädel wieder in seine Behausung, kletterten hinauf und deckten die Bohlen darüber.'

3. Wust und die Untersuchung des Leichnams von Hans Hermann von Katte (Seite 362 ff.)
Verständlich wird die Beschreibung erst in ihrem Kontext, bei dem es verdichtet um eine tragische Begebenheit geht, in die der 'Alte Fritz' als Kronprinz verwickelt ist. Friedrichs intellektuelle und künstlerisch-musische Vorlieben stehen im harten Kontrast zu den militärischen Idealen seines Vaters, Friedrich Wilhelm I., der auch als 'Soldatenkönig' bekannt ist. Friedrich will nach Frankreich fliehen und sichert sich die Unterstützung seines Freundes Hans Herrmann von Katte, Sohn des hohen preußischen Offiziers Hans Heinrich Graf von Katte. Die Flucht scheitert. Beide kommen in Festungshaft. Sein Freund Katte wird in der Festung von Küstrin in Friedrichs Anwesenheit wegen Hochverrats hingerichtet. Friedrich überlebt nur, weil er absoluten Gehorsam schwört. Der Leichnam des jungen Katte wird in der Gruft deren von Katte in Wust beigesetzt. Die hoch-emotional aufgeladene Begebenheit beschäftigt die Menschen über mehrere Generationen hinweg. Für Fontane ist es eine Selbstverständlichkeit, den Spuren dieser Geschichte nachzugehen.

Einleitend erklärt Fontane in dem Kapitel über Wust:
'Die märkischen Sagen von »heimlich Enthaupteten«: vom General von Weiler in Falkenrehde, vom Grafen Adam von Schwarzenberg in Spandau, vom General von Einsiedel in Potsdam, sind, wie wir es in den beiden voraufgehenden Kapiteln gezeigt haben, von der Geschichte widerlegt worden. Aber Blut, wie überall, floß auch bei uns. Es wurde von Zeit zu Zeit (und nicht eben allzuselten) auch wirklich enthauptet, und das Dorf, dessen Namen dieses Kapitel trägt, erinnert, wie kein anderes, an solche Wirklichkeiten. Wust ist ein alter Sitz der Familie von Katte.'

Fontane erhält Zugang zu der Familiengruft. Ein Diener führt und begleitet ihn.
'Wir standen jetzt so, daß wir durch Heben und Senken unserer zwei Kerzen die prächtigsten Sarkophage: den Steinsarg des Feldmarschalls und rechts und links daneben die Särge seiner beiden Gemahlinnen ohne Mühe sehen und ihre Ausschmückung bewundern konnten. Aber wo stand Hans Hermann? Wir taten scheu die Frage, die der Diener seinerseits ohne jegliches Bedenken aufnahm und abermals voranschritt. Wir folgten ihm, nach links hin, bis in die Ecke des Raums. Die Särge standen hier minder dicht. Einer unter ihnen war ein schlichter, langer Holzsarg, dessen Farbe teils abgegriffen, teils abgesprungen war. Das war er. Der Diener gab mir den Leuchter, faßte den Deckel und schob ihn beiseite. Noch verbarg sich uns sein Inhalt. In dem äußeren Sarge stand ein zweiter, der eigentliche, vielleicht der, in dem man ihn zu Küstrin gelegt hatte, eine bloß zugeschrägte Kiste mit einem flachen Deckel. Nun hoben wir auch diesen und blickten auf alles Irdische, was von dem unglücklichen Katte noch übrig ist.
Ein hellblauer Seidenmantel umhüllt den Körper. Da wo dieser Mantel nach oben hin aufhört, liegt ein Schädel, neben dem Schädel eine blaue, kunstvoll zurechtgemachte, mit Spitzenüberresten geschmückte Schleife, die früher das schöne Haar des Toten zusammenhielt. Noch in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts war der Schädel wohl erhalten, seitdem aber, weil niemand lebte, der die Gruft und speziell diesen Sarg vor Unbill geschützt hätte, trat der Verfall ein, der sich jetzt zeigt. Es erging in Wust den Überresten des jungen Katte genau ebenso, wie es in Gusow den Überresten des alten Derfflinger erging; frivole Neugier, renommistischer Hang und Kuriositätenkrämerei führten zu offenbarer Entweihung.'


Albert Einsteins Vetternehe
Die 1919 zwischen Albert Einstein und Elsa Löwenthal geschlossene Ehe war für beide die zweite Ehe. Beide haben jeweils zwei Kinder aus der ersten Ehe. Dass Ehe zerbrechen oder Menschen mehrmals heiraten kommt häufig vor. Dieser Fall ist jedoch ungewöhnlicher. Elsa Löwenstein ist nämlich Alberts Cousine und hieß mit Mädchennamen ebenfalls Einstein. Die zweite Heirat gibt ihr somit den Mädchennamen zurück.
Die Bewertung von Verwandtschaftsgraden hinichtlich der Legalität von Eheverhätnissen ist kulturabhängig und kann innerhalb von Kulturen über soziale Positionen und über Zeit variieren. Nach deutschem Recht ist eine Ehe zwischen Cousin und Cousine 1. Grades jedenfalls legal.  


Familie Kaehne in Petzow
Um 1638 immigriert die protestantische Familie Kaehne aus Böhmen und erwirbt in Petzow das Dorfschulzenlehen. Die Kaehnes engagieren sich in der Ziegelindustrie und erlangen dank des preußischen Bau-Booms in Potsdam und Berlin über mehrere Generationen erheblichen Reichtum. 

'Schloss' Petzow
Die Kaenes beauftragen ab 1820 die besten Baumeister des Landes, die sonst nur für den Hochadel tätig sind, mit der Umgestaltung ihrer Wohnumgebung im Stil herrschaftlicher Anwesen. Nach Plänen Karl Friedrich Schinkels wird bis 1825 ein schloßartiges Herrenhaus errichtet. In der Umgebung des Wohnsitzes entsteht eine Parkanlage nach Plänen von Peter Joseph Lenné. In Anbetracht der beeindruckenden Ergebnisse und des hier sichtbar gemachten Reichtums der Familie Kaehne ist der gesellschaftliche Aufstieg programmiert. Bereits 1827 verleiht der König den Status eines 'Ritterguts' und 1840 erhebt Friedrich Wilhelm IV. die Kaehnes in den erblichen Adelsstand als 'Ritter des Königlichen Hausordens'. Die Kaenes sind nicht kleinlich und können sich offensichtlich Großzügigkeit leisten. Sie finanzieren eine neue Dorfkirche auf dem Grelleberg, die Karl Friedrich Schinkel entwirft und deren Bau Schinkels Schüler, Friedrich August Stüler, umsetzt. 1842 wird die Kirche im Beisein von König Wilhelm IV. eingeweiht. 


Aufstieg kommt bekanntlich vor dem Fall. 1847 und 1849 verwüsten arbeitslose Tageslöhner Jagd und Holzung. Den Besitz von 1.635 ha sichert Karl III. von Kaehne unter Einsatz von Schußwaffen. Gerichtsverfahren wegen Schießerei sind die Folge. Ein Anstellungsvertrag eines Försters aus dem Jahr 1920 soll die Kaehne'sche Bemerkung enthalten: 'Gott regiert die Welt und der Knüppel die Leute'. Kurt Tucholsky greift unter seinem Pseudonym 'Theobald Tiger' die Ereignisse in der 'Weltbühne' vom 09.03.1922 mit seinem Gedicht 'Kähne' auf (siehe oben).

Karl IV. von Kaehne, als 'Schiess-Kaehne' geschmäht, wird 1927 wegen Körperverletzung verurteilt. Karl IV. wird zunächst von seinem Vater enterbt und ist 1937 schließlich doch Alleinerbe der umfangreichen Besitztümer. Kaehne wird Anhänger der Nationalsozialisten.
Nach Hitlers Machtergreifung begibt sich der Berliner Flugzeugingenieur Alfred Mehlhemmer in den Widerstand. Mehlhemmer wird 1942 verhaftet und im KZ Sachsenhausen bei Oranienburg interniert. Vermutlich auf Grund der Beziehungen seiner Ehefrau zur deutschen Filmindustrie wird Mehlhemmer nach mehr als einjähriger Haft im KZ Sachsenhausen entlassen. 
Im Kontext einer bizarren Aktion, deren genaue Umstände nie abschließend geklärt werden konnten, kommt es am 10.05.1943 in der Dämmerung zu einem polizeilichen Lokaltermin im Park, bei dem Alfred Mehlhemmer von Kaehne erschossen wird. Im Prozess des Landgerichts Potsdam erhält Kaehne einen Freispruch aus Mangel an Beweisen. 
Mit Kriegsende wird die politische Landschaft umgepflügt. 1945 begeht der Verwalter der Gutes Neuendorf, Onkel von Kaehne, mit seiner Frau Selbstmord. Die russischen Besetzer verhaften Karl IV. von Kaehne und seinen Gutssekretär Carl Schönbein und internieren die beiden im russischen Speziallager in Sachsenhausen (Oranienburg). 1946 stirbt von Kaehne an Hunger, Krankheit und Entkräftung. Die Kaehnes werden enteignet. Petzow ist das erste Dorf im Kreis Potsdam, das die Vergenossenschaftlichung des landwirtschaftlichen Bereichs erreicht.

Alfred Mehlhemmers Frau wird nach dem Krieg zum 'Opfer des Faschismus' ernannt, was ihr einige Privilegien, gute Kontakte und einen gewissen Wohlstand sichert. Den Petzower Bauern gefällt das nicht. Sie bespitzeln Frau Mehlhemmer und denunzieren sie bei der Stasi. Frau Mehlhemmer wird 1951 verhaftet, im Potsdamer Stasi-Gefängnis an der Lindenstraße gefoltert und später zu 15 Jahren Lager in Sibirien verurteilt. Nach Stalins Tod und 5 Jahren Haft wird sie entlassen und reist nach Westdeutschland aus. 1971 begeht Frau Mehlhemmer Selbstmord.

Nach der Wende erheben die Erben der Familie Kaehne Besitzanspruch. Klaus Wiesern vom Yachthotel Chiemsee übernimmt das Anwesen für 8 Mio. Euro und geht Pleite. Der Besitz geht zurück an die Treuhandanstalt. Diese veräußert das Anwesen für 3 Mio. Euro an Axel Hilpert, den Paten vom Schwielowsee, der das Schloss zu sanieren verspricht, um ein Luxushotel zu etablieren. Den Kauf finanziert die Deutsche Kreditbank (DKB). Das Geld für die Sanierung bekam Hilpert nie zusammen und die Zukunft sieht noch düsterer aus.


Axel Hilpert, der Pate vom Schwielowsee
Resort Schwielowsee
Axel Hilpert eröffnet gemeinsam mit dem ehemaligen Bild-Chefredakteur, Hans-Hermann Tiedje, 2005 ein luxuriöses Gästeresort am Schwielowsee bei Potsdam im 'Key West Stil'. Link zur Webseite des Resort Schwielowsee
Das Hotel wirbt mit einer illustren Referenzliste und richtet im Haus Veranstaltungen mit den Spitzen aller relevanten deutschen Parteien aus. Im Vorfeld des G8-Gipfels in Heiligendamm beherbergt das Hotel 2007 die Arbeitsgruppe der G8-Finanzminister.
Um ein so großes Rad drehen zu können, bedarf es ausgezeichneter Netzwerke. Fraglos weiß Hilpert um die Bedeutung von Netzwerken und offensichtlich verfügt er über ein stabiles Netzwerk, das Politik, Wirtschaft und Finanzen zum allseitigen Vorteil der im Netzwerk Aktiven miteinander verknüpft. In den Dimensionen von Hilperts Aktivitäten benötigt ein Aufbau belastbarer Netzwerke viele Jahre. Das ist in der Vergangenheit geleistet worden. In der Gegenwart scheint Hilpert die Früchte dieser Arbeit ernten zu wollen und webt für die Zukunft die Maschen seines Netzwerks noch enger. Aber diese Erfolgsgeschichte scheint nicht aufzugehen.

Ehe die öffentlich bekannten Sachverhalte noch einmal ausgebreitet werden, ist es hilfreich, einen Blick auf Prinzipien netzförmiger sozialer Strukturen zu werfen. Diese sind im Alltagsdenken selten bewußt, weil sie zum Fundus gemeinsamer Regeln i.S. des 'kollektiv Unbewussten' zählen, die, bildlich gesprochen, nicht sichtbare Wurzeln unserer Kultur bilden.
Skizze einiger Überlegungen im Blog 'Soziologenkram' zur netzförmigen Organisation

Hilperts Netz scheint nicht wetterfest zu sein. Möglicherweise haben sich Taktiken verändert, vielleicht ist auch jemand übersehen worden. Eventuell hat er sein Netz überdehnt oder auch die strukturellen Prinzipien von Netzen nicht ausreichend berücksichtigt oder falsch verstanden. Konkretes wissen wir nicht, aber es ist bekannt, dass der Landesrechnungshof des Landes Brandenburg 2008 Vorwürfe des Subventionsbetrugs prüft. Demnach sollen sich Grundstückskosten im Vergleich zur ursprünglich als förderfähig anerkannten Summe um 35 Prozent erhöht haben. Dazu hat Hilpert dem Bericht zufolge seiner Hotelgesellschaft ein eigenes Grundstück zu einem überhöhten Preis verkauft. Die ILB wertet damals den Sachverhalt als nachvollziehbar und bewilligt die Fördersumme. Für Hilpert ist es noch einmal gut gelaufen. Ob und in welchem Umfang sein Netzwerk hilfreich war, bleibt im Dunklen.

Die Schlacht ist gewonnen, aber noch nicht der Krieg! Seit Mitte 2010 ermittelt die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität in Potsdam gegen Axel Hilpert wegen des Verdachts des Betrugs in besonders schwerem Fall. Gegenüber der Investitionsbank des Landes (ILB) soll Hilpert überhöhte Projektkosten für den Bau des 2005 eröffneten Nobelhotels „Resort Schwielowsee“ in Petzow (Potsdam-Mittelmark) angegeben haben. Hilpert soll förderfähige Investitionen von 36 Millionen Euro ausgewiesen und 9,2 Millionen Euro erhalten haben. Gerüchte besagen zudem, dass der Eigenanteil von 50 Millionen Euro zur Finanzierung des Bau- und Hotelprojektes aus verschwundenen SED-Geldern stammt.

Jetzt entsteht Bewegung! Am 9. Juni 2011 wird Hilpert verhaftet wegen des Verdachts auf Subventionsbetrug in Bezug auf staatliche Fördergelder für das Resort Schwielowsee. Hilpert sitzt seit diesem Zeitpunkt in Untersuchungshaft. Für den 8. Januar 2012 ist die Eröffnung des Strafprozesses angekündigt. Nun bedaf es keiner Wahrsagerei, um vorauszusagen, dass der Zerfall von Hilperts Netz unvermeidbar ist, wieviel er auch immer in sein Netz investiert haben mag. Soweit geht nämlich 'Freundschaft' in Netzwerkern nicht. Die Folgen idealisierter Freundschaft haben wir bei Hans Hermann von Katte gelernt, sie kosteten sein Leben. Diese Geschichte kennt in Brandenburg jeder und so dumm wird doch wohl niemand sein.

Axel Hilpert ist eine schillernde Persönlichkeit, wie es immer so schön heißt, wenn jemand viele Gesichter hat. In der DDR war er Antiquitäten-Chefeinkäufer im 'Bereich für Kommerzielle Koordinierung (KoKo)' und Mitarbeiter des Devisenbeschaffers Schalck-Golodkowski. Als 'IM Monika' stand Hilpert 18 Jahre im Dienst der Stasi-Hauptabteilung II/1 (Spionageabwehr), die für die Überwachung eigener Mitarbeiter zuständig zeichnete. In der Stasi bekleidete Hilpert zuletzt den Dienstgrad eines Obersts. Hilperts Stasi-Akte ist verschwunden, was nicht wirklich überrascht. Ein erhaltener MfS-Bericht beschreibt im November 1987 Gespräche Hilperts u.a. über Waffenhandel mit dem kubanischen Staatssicherheitsdienst und über die persönliche Unterrichtung des Stasi-Ministers, Erich Mielke, für die Spionageabwehr.

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