Sonntag, 18. Dezember 2011

'Connecting the dots' auf Fontanes Spuren in Marquardt und Uetz an der Wublitz

'Schloss' Marquardt
Theodor Fontane liebte die Havellandschaft, die er mehrfach durchwandert ist. In der Jetztzeit war Wandern über Jahrzehnte 'mega-out', zählt aber seit einigen Jahren zu den Trendsportarten und provoziert beim Ausbau touristischer Infrastrukturen zahlreiche neue Fernwanderwege. Daher wundern wir uns nicht, sondern stellen erfreut fest, dass insgesamt sechs Fontanewege (F1 bis F6) durch die Mark Brandenburg leiten. Prinzipiell folgt die Wegführung den literarischen Beschreibungen. Authentisch ist sie jedoch nicht und kann sie auch nicht sein. Zu viel hat sich seit Fontanes Zeit verändert.
In der Nähe unseres Feriendomizils führt der Fontaneweg F3 von Groß Glienicke nach Marquardt an der Wublitz bzw. dem Schlanitzsee. Fontane beschreibt in den 'Wanderungen durch die Mark Brandenburg' auch den vor unserer Tür liegenden Anschluß von Marquardt über Uetz nach Paretz. Dieser Abschnitt zählt jedoch nicht mehr zu den neuen Fontanewegen. Wir wollen uns selbst ein Bild machen. In der sumpfigen Landschaft treffen wir in einem eher bescheidenen Dorf auf Spuren historischer Gülle, die aus den Residenzen preußischer Machteliten angeschwemmt wurde. 

Geschichte von Marquardt 

'Schloss' Marquardt
Fontane bezeichnete das imposante 'Herrenhaus Marquardt' als 'Schloss' und hat damit die Bezeichnung 'Schloss' für dieses Anwesen durchgesetzt. Moritz Andreas von Wartenberg kauft 1660 den Besitz 'Schorin' (ein eingedeutschter wendischer Name) und baut ihn zum Rittergut aus. Nachdem 1704 das letzte Famlienmitglied ohne Nachfolger verstorben ist, gibt Friedrich I. (der 'Soldatenkönig') seinem geheimen Staats- und Kriegsrat sowie Direktor des Lehnswesens, Ludwig von Printzen, den Besitz Marquard als Lehen. Friedrich I. erlaubt die Umbenennung des Dorfes 'Schorin' zum 'Gut Marquardt'. Bereits 1708 verkauft der Freiherr das 'Gut Marquardt' an die vom Niederrhein zugezogene Familie von Wyckersloot, die auf dem Besitz ab 1763 eine Seidenraupenzucht betreibt und sich derart verschuldet, dass sie 1781 Marquardt verkaufen muss.
Nach mehreren Besitzwechseln wird 1795 General Hans Rudolf von Bischoffwerder Eigentümer von Marquard. Die Affinität des Generals zu okkulten Phänomenen lässt ihn 1779 in die mystisch-alchemistische Geheimgesellschaft des Rosenkreuzer-Ordens eintreten. Als enger Vertrauter und Berater des Kronprinzens Friedrich Wilhelm und späteren Königs Wilhelm II. (Vater von Wilhlem III., dem wir Paretz vedanken) kann Bischoffwerder seinen König als Mitglied des Ordens gewinnen. Auf Marquardt halten die Rosenkreuzer in einem speziellen Gebäude, der 'Blauen Grotte', spiritistische Sitzungen ab. Mit Trickeffekten werden übersinnliche Erscheinungen vorgetäuscht, mit denen Einfluß auf den im Volk als 'Lüderjahn' verspotteten und ebenso leichtgläubigen wie auch leichtlebigen König ausgeübt wird. Wilhelm III. wird sich später von seinem Vater deutlich distanzieren. Guter Junge!

verwilderte Parklandschaft am Schlanitzsee
Bischoffwerder erweitert das Herrenhaus und lässt das Gelände am Seeufer nach dem Vorbild englischer Landsitze gestalten. Sein Sohn, Wilhelm Hans Rudolph Ferdinand von Bischoffwerder, perfektioniert die Gestaltung des Geländes auf Rat des genialen preußischen Garten- und Landschaftsarchitekten Peter Joseph Lenné. Fontane war von dem Ergebnis offensichtlich so sehr beeindruckt, dass er von dem Herrensitz als 'Schloss' sprach.










Kirche von Marquardt
Ab 1860 geht Marquardt in bürgerlichen Besitz über. Nach mehreren weiteren Besitzwechseln und weiteren baulichen Veränderungen ist von 1892 bis 1942 Louis Auguste Ravené Eigentümer von Marquardt. Seinen Reichtum erzielt Ravené, ein Nachkomme hugenottischer Flüchtlinge aus Frankreich, im Großhandel mit Stahl und Eisen. Ravené veranlasst umfangreiche Veränderungen des Gebäudes und des Parks. 1900 stiftet Ravené den Neubau der evangelischen Dorfkirche, in der er begraben ist. 








Gutshof von Marquardt
1932 verpachtet Ravené das Schloss an das Hotelunternehmen Kempinski. Die nationalsozialistische Machtergreifung gibt dem Konkurrenten 'Aschinger' die Gelegenheit, im Zuge der 'Arisierung' die Kempinski-Gruppe 1937 zu übernehmen. Ravené verkauft Marquardt 1942. 1945 besetzt zunächst die Rote Armee das Schloss. Zur Zeit der DDR dienen Gebäude und Gelände unterschiedlichen und wechselnden Zweckbestimmungen.
Nach der Wende liegt der Besitz in der Hand der Treuhandanstalt. Der Versuch einer Wiederbelebung als Hotel ist seitdem ebenso gescheitert wie eine Verwertung als luxeriöse private Wohnimmobilie. Neuerdings werden wieder Nutzer oder Käufer gesucht, allerdings unterliegen Schloss und Nebengebäude Auflagen des Denkmalschutzes. Aber unter Freunden lassen sich schließlich auch schwierige Fälle im beiderseitigen Nutzen lösen, solange ein Dummer die Rechnung zahlt.



Wublitz

Die Wublitz (slawisch 'Voblica' für 'Kleine Havel') ist ein Nebenfluss der Havel, der aufgrund großer Ausbuchtungen eine zusammenhängende Kette von Seen bildet. Zu Fontanes Zeit begann die Wublitz südlich von Wustermark und mündete in den Großen Zernsee bei Werder an der Havel.

Wublitz bei Uetz in Richtung Marquardt
Um die Erreichbarkeit von Paretz aus Berlin oder Potsdam zu gewährleisten, finanziert Wilhelm III. die Errichtung eines Fährhauses und den Betrieb einer Fähre. Parallel veranlasst Wilhlem III. die Anlage eines Damms durch das Gebiet, um Paretz auf dem Landweg erreichen zu können. In dem sumpfigen Gelände behält jedoch die Natur die Oberhand und löst den Damm bald wieder auf.
Fontane wandert 1881 von Marquardt über Uetz nach Paretz und beschreibt die Überquerung der Wublitz per Fähre. Von einem Damm erfahren wir nichts. Dass Fontanes Beschreibungen von Uetz und Paretz sowie der Dialog mit dem mürrischen Fährmann über die Wublitz sehr lesenswert sind, soll hier nur angemerkt sein.






Besuch von Uetz

Kopfweide am Übergang der Wublitz zur Wublitzrinne bei Uetz
Durch das Gebiet der Wublitz existiert inzwischen ein Damm mit einer Straße. Im Unterschied zum König und zu Fontane sind wir auf diesem Weg nach Paretz angereist. Auf beiden Seiten des Damms erkennen wir nur noch die sumpfigen Wälder einer Bruchlandschaft. Seit Anlage des Damms ist der nördliche Teil der Wublitz zwischen Uetz und Wustermark versumpft und wird als 'Wublitzrinne' bezeichnet.









Dorfkirche von Uetz, erbaut 1901
Die auf einem Hügel errichtete Kirche von Uetz ist nicht zu übersehen. Wir finden auch Hinweise auf ein 'Fährhaus' und einen als 'Fährweg' bezeichneten Wirtschaftsweg. Da die Wublitz nicht mehr an Uetz vorbei fließt und weitere Hinweise fehlen, offenbart sich uns das Fährhaus zunächst nicht.










Historisches Fährhaus von Uetz
Wir gehen mehrere Weg ab, die wir für aussichtsreich halten, können jedoch kein Objekt als 'Fährhaus' ausmachen. Auf dem Rückweg nach Uetz fällt uns ein verlassenes Haus am Dorfrand auf, das mit einer Plakette als Baudenkmal ausgewiesen ist. Konkrete Hinweise auf die Bedeutung dieses Hauses sind nicht zu finden. Das offensichtliche Alter des Hauses, die aufwändige Bauweise und seine Lage an einer abschüssigen Straße lassen uns annehmen, vor dem Fährhaus zu stehen. Recherchen im Internet bestätigen unsere Vermutung, was uns einerseits freut, andererseits aber auch traurig stimmt. Dieses Objekt verdient mehr Fürsorge und größere Aufmerksamkeit.






Nachtrag

Einschränkend sei angemerkt, dass der Ausbau der Fontanewege bisher mehr Absicht als Realität ist. Markierungen und Beschilderungen sind unvollständig. Durchgehende Beschreibungen und Kartenmaterial konnten wir nicht finden und auf der Strecke sind Infrastruktureinrichtungen für Wanderer noch Mangelware. 

Aufmerksame und offenichtlich gut informierte Leser dieses Posts machen am 24.08.2012 in einem Kommentar darauf aufmerksam, dass inzwischen eine Restaurierung des Fährhauses und eine Webseite über das Objekt und den Stand der Restaurierung  informiert: Link: Webseite zum Fähr- und Fischerhaus in Uetz

1 Kommentar:

  1. Kleiner Nachtrag zum Fähr- und Fischerhaus.....das Kleinod befindet sich seit 2012 in der Restaurierung und wird liebevoll bis ins Detail restauriert. Auf der Internetseite www.fähr-fischerhaus-uetz.de kann man sich darüber informieren. Mit freundlichen Grüßen aus Uetz Sabine Swientek & Henry Sawade

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