Montag, 20. Januar 2014

La Palma 2014: Spuren der ‚Benahoaritas’ auf ‚San Miguel de La Palma’

Archäologisches Mueum Benahoarita in Los Llanos
Ein Besuch des sehenswerten achäologischen Museums ‚Museo Arqueológico Benahoarita (MAB)’ in Los 'Llanos de Aridane' inspiriert uns, Ausschau nach kulturellen Spuren indigener Urbevölkerung der Insel zu halten.1)
Der Niedergang des spanischen Weltreiches, Verlust von Fortschrittsgläubigkeit und erhebliche Zweifel an politische, ökonomische und religöse Ansprüche auf Deutungshoheit von 'Welt' stärken politisch-kulturelle Entwicklungen, in deren Licht Kultur indigener Urbevölkerung Beachtung und Wertschätzung erfährt. Die wenigen erhaltenen Reste vorspanischer Kultur liegen jedoch nicht für jeden sichtbar an der Oberfläche, wie etwa Pyramiden oder Tempelbauten, sondern werden nur bei gezielter Suche und dann oft auch nur auf dem zweiten Blick sichtbar. Eine Ausnahme bildet das der Geschichte der Urbevölkerung gewidmet ‚Museo Arqueológico Benahoarita (MAB)’. Das öffentliche Interesse ist jedoch gering. Trotz freien Eintritts konnten wir die Zahl der Besucher an einer Hand abzählen.

Puerto de Tazacorte
Als letzte der großen Kanareninseln wurde die nur schwer zugängliche Insel ‚San Migual de La Palma’ nach mehreren vergeblichen Versuchen erst 1492/3 von Spaniern bei dem heutigen Ort ‚Tazacorte’ (ein Name der indigenen Urbevölkerung) am Eingang zum ‚Barranco del Angustias’ erobert, kolonialisiert und als Vorposten der Seewege nach Amerika ausgebaut. Obwohl sich die Ureinwohner christianisieren ließen, wurden die meisten von ihnen als Sklaven verkauft. Ca. 1.500 Personen der Urbevölkerung verblieben auf der Insel und fristeten ein Leben als Sklaven auf Zuckerrohrplantagen. Mit Zuckerrohrplantagen begann die unsägliche Geschichte von Monokulturen auf ‚La Palma’.2)





Petroglyph der Fundstelle El Cementerio bei El Paso
Auf ‚La Palma’ verbliebene Ureinwohner assimilierten sich mit der immigrierten Inselbevölkerung. Ihre indigene Kultur wurde nahezu vollständig ausgelöscht. Relikte der ursprünglichen Kultur leben im Brauchtum des Alltagslebens sowie in Orts- und Eigennamen fort. Erhalten, aber nicht immer leicht zu finden, sind über die gesamte Insel verstreute Petroglyphen (in den Fels geritzte Zeichnungen oder Muster) sowie Reste von Wohn- und Versammlungsplätzen der Ureinwohner. Kulturarchäologische Hobby-Detektive finden ein reiches Betätigungsfeld.







Hirtensprung eines Viehhirten mit Regatón
Die Inselgeschichte der jungsteinzeitlichen indigenen Hirten- und Gartenbaukultur reicht bis zu 4.000 Jahre zurück. Um Ackerfläche zu gewinnen, begannen bereits die Ureinwohner mit dem Ausbau künstlich bewässerter Terrassen. Ergänzt wurde die landwirtschaftliche Produktion mit gesammelten Früchten und Meeresfrüchten. Schifffahrt betrieben die Ureinwohner jedoch nicht.

Aufgrund vergleichbarer kultureller Muster wird vermutet, dass die kanarischen Inseln aus Richtung Nordafrika in zwei Hauptwellen vor ca. 2.500 Jahren sowie vor ca. 1.000 Jahren besiedelt wurden und ihre Ureinwohner mit Berbern verwandt sind. Tonwaren, Schmuckstücke, Bestattungsformen, Petroglyphen und Schalensteine ermöglichen Rückschlüsse auf die Kultur und kulturelle Kontexte.

Wegen der relativ isolierten Lage der Kanareninseln standen ihre Ureinwohner untereinander nicht in Kontakt und bildeten eine jeweils eigene Identität heraus. Mit der Bezeichnung ‚Benahoaritas’ für die Ureinwohner von ‚La Palma’ soll bewusst von der Bezeichnung Guanchen für die Ureinwohner Teneriffas abgegrenzt werden. Der Begriff Guanchen findet aber auch häufig als Sammelbegriff für alle Ureinwohner der kanarischen Inseln Verwendung, was relevante Unterschiede verwischt.



Hüttenmodelle im archäologischen Museum Los Llanos
‚Benahoaritas’ wohnten in verwandtschaftlichen Sippen bevorzugt  in natürlichen Lavahöhlen. Daneben nutzten sie auch strohbedeckte Hütten aus aufgeschichteten Steinblöcken zum Wohnen. Soziale Ordnung stellten hierarchisch gegliederte Clans oder Stämme unter Führung herausgehobener Persönlichkeit her, sogenannter 'Lords'. Die vorspanischen Clans verteilten sich über die Insel in 7 Segmente oder Kantone.

Deutungen religiöser Vorstellungen der Ureinwohner sind strittig. Als sicher gilt jedoch, dass religiöse Vorstellungen bestanden. Aus Bestattungsformen, in den Fels geritzte ungegenständliche Petroglyphen und Schmuckstücke lassen sich keine eindeutigen Rückschlüsse auf die Art ihrer Religion ziehen.
Mumienfunde verweisen auf zwei Sachverhalte:

  • Nur wenige Verstorbene wurden als Mumien konserviert, bei denen es sich wahrscheinlich um herausgehobene Persönlichkeiten handelte. Offenbar war die soziale Struktur der Bewohner hierarchisch geschichtet und sicherte den Mitgliedern oberer Schichten besondere Privilegien. (Schau an!)
  • Mumienkulte sind im Kontext religiöser Überzeugungen zu verstehen, die nach dem Tod ein Weiterleben in übernatürlichen Welten annehmen. (Auch das kommt uns bekannt vor!)

Petroglyphen auf ‚La Palma’

Übersicht typischer Muster
Auf unseren Besuchen mehrerer archäologischer Fundstätten treffen wir immer wieder Petroglyphen. Unstrittig ist, dass die Felsgravuren kein primitives Gekritzel sind, sondern ihre abstrakten Formen eine Symbolsprache darstellen, über deren Bedeutung kein gesichertes Wissen besteht.

Vermutet werden religiöse Zwecke. Gemäß dieser Lesart dienen die ungegenständlichen Abbildungen der Verehrung von Sonne, Mond, Wasser oder bestimmter Götter, wie etwa ‚Abora’, dem Hauptgott der Ureinwohner. Eine andere Lesart deutet die Felsgravuren im Kontext religiöser und magischer Praktiken, wie Fruchtbarkeitsrituale oder Regenzauber.Möglicherweise handelt es sich aber auch um abstrahierte Darstellungen von Wasser, insbesondere Quellen, Flüsse, Bäche und/oder um Symbole für natürliche Phänomene, z.B. Sonne, Mond, Sterne.

Formal lassen sich vier unterschiedliche Musterarten identifizieren (Spirale, Mäander, Kreise, Linien), die je nach Phantasie auf unterschiedliche Naturphänomene verweisen.





‚Buracas’ bei ‚Las Tricias’3)

Höhlen bei Buracas
Wenige Kilometer nördlich von Puntagorda befindet sich oberhalb der Westküste das kleine Dorf ‚Las Tricias’, das aus einer Besiedlung der Ureinwohner hervorgeht. Auf diesen Sachverhalt verweist bereits der Ortsname aus der Sprache der Ureinwohner. Eine weitere Gemeinde der Ureinwohner bildete ‚Buracas’ ca. 3 km nord-westlich von ‚Las Tricias’ in einem nicht leicht zugänglichen Barranco in Richtung Westküste.
'Buracas’ ist eine archäologisch und kulturhistorisch bedeutende Fundstelle vorspanischer Lava-Wohnhöhlen der Ureinwohner. Einige der relativ gut erhaltenen und archäologisch untersuchten Höhlen werden auch noch in der Gegenwart als Ställe, Geräteschuppen und Vorratsspeicher genutzt. Ein Ensemble von Lavahöhlen, an denen Petroglyphen angebracht sind, unterliegt dem Schutz und kann in Verbindung mit einer Wanderung kostenlos und uneingeschränkt besichtigt werden.


Archäologischer Park 'Belmaco' bei 'Villa de Mazo'4)

La Chicharra im archäologischen Park Belmaco
10 ehemals von Ureinwohnern ‚La Palmas’ als Häuser genutzte Lavahöhlen gelten als wichtigster und meistbesuchter Fundort prähistorischer Kultur der Insel. Ein kleines Museum präsentiert Fundstücke archäologischer Untersuchungen und vermittelt Lebensweise, Handwerkstechniken, Bestattungskultur etc. der Ureinwohner.
Höhlen und Felsgravuren von Belmaco wurden 1752 entdeckt und als einer der ersten vorspanischen kulturellen Fundorte ‚La Palmas’ wissenschaftlich erforscht. Wie auch in anderen Teilen der Insel dienten die Höhlen bis zu ihrer wissenschaftlichen Entdeckung einer Nutzung als Ställe und Lagerraum. Petroglyphen wurde keine Beachtung geschenkt, weil man sie als primitives Gekritzel wertete. Der bedeutendste Teil dieses archäologischen Komplexes ist ‚La Chicharra’. Die größte aller auf ‚La Palma’ von Ureinwohnern genutzte Lavahöhle erstreckt sich über eine Breite von 48 m und ist bis zu 8 m tief. Ob die Höhle bewohnt wurde, als Grabhöhle oder als Kultstätte benutzt wurde, ist nicht bekannt. Grabungsfunde lassen alle Deutungen zu.

Petroglyphen bei ‚El Paso’5)

Die Felsgravuren von El Cementerio befinden sich bei ‚El Paso’ im ‚Barranco de las Canales’ unterhalb des großen Friedhofs, der namensgebend für die Fundstätte war. Diese Felsgravuren zählen mit Spiralen von bis zu einem Meter Durchmesser zu den größten der Insel. Weitere Muster wie Kreise, Mäander und parallele Linien sind ebenfalls zu erkennen.



 



Die Felsgravuren von La Fajana befinden sich ebenfalls bei ‚El Paso’ im ‚Barranco de las Canales’ und sind am Fuße einer drei Meter breiten und vier Meter hohen Felswand aus Basaltgestein angebracht, dem ‚Lomo de La Fajana’6). Der Fels mit den Gravuren befindet sich auf einer Anhöhe, von der aus die Umgebung, insbesondere das Tal gut zu überschauen ist. Die Gravuren dieser Fundstelle sind kleiner, aber komplexer als die Gravuren von El Cementerio. An beiden Fundstellen sind Informationstafeln angebracht, die u.a. auch auf deutsch über die Fundstellen informieren.



Anmerkungen

1) Unseren Besuch des achäoligischen Museums beschreibt der Post: Spaziergänge mit Besichtigungen in 'Los Llanos de Aridane'
2) Aspekte von Monokulturen auf ‚La Palma’ betrachtet ein separater Post: Monokulturen auf 'San Miguel de La Palma'
3) Siehe Post vom 15.01.2014: Küstenwanderung von ‚Las Tricias’ nach ‚Buracas’
4) Siehe Post vom 18.01.2014: Rundfahrt im Südosten von ‚La Palma’
5) Siehe Post vom 19.01.2014: Spaziergänge mit Besichtigungen in der Umgebung von ‚El Paso’. In dem Post ist beschrieben, wie die Petroglyphen zu finden sind.
6) ‚Fajana’ ist ein kanarischer Begriff für eine am Fuß eines Abhangs oder Felsens gelegene Ebene, die von Felsbrocken gebildet wird, die sich aus der Höhe gelöst haben. ‚Lomo’ verweist auf eine Felswand.

1 Kommentar:

  1. Sehr interessant, hervorragende Recherchen - thank you for sharing and for all that work that goes into producing this

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