Sonntag, 12. Januar 2014

La Palma 2014: Monokulturen auf ‚San Miguel de La Palma’

Bananenplantagen an der Westküste bei La Laguna
Trotz bitterer Erfahrungen bilden Monokulturen auf ‚La Palma’ eine jahrhunderte alte Tradition. Monokulturen sind auf der Insel keine Erfindung der Palmerer, sondern Spekulationsobjekte vermögender und einflussreicher Festlandspanier. Bei guter Absatzlage profitiert auch die palmerische Landbevölkerung geringfügig. Wenn der Absatz einbricht, zieht die Karawane weiter und hinterlässt nackte Not. Mit jedem Einbruch verlieren zahlreiche Familien ihre Existenzgrundlagen und müssen die Insel verlassen. Viele Familien siedelten nach Nord- und Mittelamerika um.
Auf ‚La Palma’ folgten ersatzweise nacheinander weitere Monokulturen und entfachten jeweils erneut den Zyklus von Boom, Einbruch und Verelendung. Bis im 19. Jahrhundert lebten die Einwohner in strohgedeckten Holzhütten oder bestenfalls in flachen Bruchsteinhäusern. Einwohner konnten aufgrund von Kleidermangel an Sonn- und Feiertagen nur abwechselnd die Messe besuchen, berichtete 1759 der Missionar Juan de Medinilla seinem Bischof.

Weinfelder Llanos Negros bei Los Quemados
Die Geschichte beginnt mit dem Anbau von Zuckerrohr. Nach spanischer Eroberung der Insel im Jahr 1492/3 wurden ihre Ureinwohner versklavt und für den Zuckerrohranbau eingesetzt.1)  Zuckerrohr erzielte zu dieser Zeit den höchsten Gewinn aller Ackerbauprodukte. Ab Mitte des 16. Jahrhunderts lohnte sich der Anbau von Zuckerrohr nicht mehr, weil Mittel- und Südamerika günstiger produzierte. Zuckerrohrplantagen wurden in Weinfelder umgewandelt. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts waren palmerische Weine ein Exportschlager und durften in Palästen europäischer Höfe niemals fehlen. Shakespeare stellte fest, dass Malvasia „die Sinne ergötzt und das Blut wohlriechend macht“. Der süße Malvasia war in England besonders stark nachgefragt. Mehltau, Rebläuse und nicht zuletzt auch veränderter Konsumentengeschmack ließen Produktion und Nachfrage einbrechen. Die Zeit des Weinbaus war abgelaufen und ruhte nahezu 100 Jahre. Inzwischen wird auf ‚La Palma’ wieder zunehmend Wein angebaut, jedoch überwiegend für den eigenen Bedarf. Nennenswerter Export findet nicht statt.2)

Museo del Puro Palmero in Breña Alta
Anfang des 18. Jahrhunderts brach zeitweilig die Versorgung aus kubanischer Tabakproduktion zusammen, wovon der Ausbau der Tabakproduktion auf den Kanaren profitieren konnte. Die spanische Krone entschied jedoch, kubanische Tabakproduktion für das spanische Weltreich zu monopolisieren. Der Anbau brach auf ‚La Palma’ zusammen und existiert heute nur noch im kleinen Rahmen für den Bedarf der Insel im Raum Breña Alta.








Feigenkaktus mit Kolonien von Cochenilleschildläusen
Schildlaus-Kolonien
Produktion und Verarbeitung von Seide sowie
insbesondere der hochpreisig gehandelte intensive rote Farbstoff Karmesin entfachten den nächsten Hype. Vor Erfindung synthetischer Farbenherstellung verdrängte nach Entdeckung Amerikas der aus Cochenilleschildläusen (Dactylopius coccus) gewonnene Farbstoff Cochenille alle anderen Methoden zur Herstellung von Karmesin. Cochenilleschildläuse leben ausschließlich auf dem in Mittelamerika beheimateten Feigenkaktus (Opuntia ficus-indica) als Wirtspflanze. Für die Zucht von Schildläusen wurde der Feigenkaktus aus Mexiko nach ‚La Palma’ eingeführt. Das Geschäft mit Cochenille lief prächtig, bis Chemiker billigere synthetische Produktionsmethoden entdeckten.
Um 1880 brach die Karmesinherstellung auf ‚La Palma’ zusammen und löste eine neue Elendswelle aus. Die Produktion hat sich auf ‚La Palma’ bis heute nicht erholt, obwohl aus Cochenilleschildläusen gewonnene Karminsäure als Lebensmittelfarbstoff E 120 verwendet wird (er ist z.B. in Campari oder in Lippenstiften enthalten). Der Feigenkaktus ist auf ‚La Palma’ heimisch geworden und hat sich über die ganze Insel ausgebreitet.

Bananenplantage an der Westküste
Terrassenfelder, auf die zuvor Zuckerrohr und später Wein angebaut wurde, werden seit 1880 für Bananenplantagen genutzt, die sich mittlerweile über die gesamte Insel ausbreiten. Die vergleichsweise kleinen palmerischen Bananen sind von guter sensorischer Qualität, aber optisch und preislich gegenüber amerikanischen Produkten im Markt nicht konkurrenzfähig. Nur dank protektionistischer Maßnahmen lässt sich ihr Absatz sichern.








‚La Palma’ möchte sich auch ein Stück vom Kuchen der Tourismusindustrie abschneiden. Die Bemühungen bleiben bisher (glücklicherweise für uns!) ohne durchschlagenden Erfolg und zeigen in den letzten Jahren sogar rückläufige Tendenz. Auf dem für mindestens 3 Millionen Fluggäste ausgelegten Inselflughafen wurden im Jahr 2013 etwas mehr 104.953 Urlauber registriert (wie auch immer diese identifiziert werden), was einen Rückgang von 14 % gegenüber dem Vorjahr bedeutet und ca. 3,3 % des gesamten Urlauberaufkommens der Kanaren ausmacht.3)


Kreuzfahrtschiff der Aida-Flotte vor Santa Cru
Mit Kreuzfahrttouristen, die regelmäßig die Altstadt von ‚Santa Cruz de La Palma’ fluten, lassen sich kaum Umsätze erzielen. Aufgrund seiner schroffen Steilküsten ist ‚La Palma’ gegenüber anderen Kanareninseln massentouristisch benachteiligt. ‚La Palma’ besuchen eine eher kleinere Anzahl von Individualtouristen, die überwiegend aus Deutschland bzw. deutschsprachigen Ländern anreisen. Die nur geringe Zahl regelmäßiger Flugverbindungen belegt, dass die Menge deutscher Individualtouristen bisher überschaubar bleibt. Tourismus ist neben Bananen der wichtigste Industriezweig auf ‚La Palma’. Touristische Umsätze sind jedoch rückläufig, was möglicherweis der spanischen Wirtschaftkrise geschuldet ist, aufgrund der Inlandtouristen ausbleiben. Aktuell ist 'La Palma' ein Ziel für Individualtouristen, deren speziifsche Erwartungen sich nicht auf standardisierte AGB's berufen



Anmerkungen

1) Über die Geschichte der Urbevölkerung ‚La Palamas’ informiert der Post: Spuren der ‚Benahoaritas’ auf ‚San Miguel de La Palma’
2) Über den Weinbau auf ‚La Palma’ informiert das Kapitel ‚Casa Museo del Vino’ in ‚Las Manchas’ des Posts: Spaziergänge mit Besichtigungen in der Umgebung von ‚El Paso’
3) Belastbares statistisches Material war nicht zu finden. Veröffentlichte Zahlen zeigen oft nur Ausschnitte ohne Zeitreihen und Vergleiche auf Jahresbasis. Wie im Detail gezählt wird, bleibt ebenfalls offen. Material zur Zusammensetzung des BIP ist auf deutschsprachigen Webseiten nicht zu finden. Jegliches Zahlenmaterial ist daher nur mit Vorsicht zu bewerten.

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