Samstag, 11. Januar 2014

La Palma 2014: Let me have (wo-)men about me that are fat

Motiv in Los Llanos
Bereits in den ersten Tagen unseres Aufenthaltes auf 'La Palma' bleibt nicht verborgen, dass Bewohner der Insel durchschnittlich relativ schwergewichtige Raucher sind, d.h. ungesund leben. Eine weitere Auffälligkeit provozieren palmerische Damen. Sie lieben den schrillen Auftritt und geizen nicht mit ihren Reizen. Ungeachtet von Figur, Bauch, Arsch, ausladenden Oberweiten und quellenden Fettwülsten muss möglichst grelle Kleidung wie eine zweite Haut anliegen. Hosen wirken eher wie Strumpfhosen. Den Autritt komplettieren häufig brennende Zigaretten. So ähnlich stellen wir uns Bordellleben im historischen New Orleans vor.
Männer bevorzugen im Unterschied zu Frauen eher einen ‚Poverty-Bauern-Look’. Mit durchschnittlich etwas weniger Übergewicht als Frauen, aber ebenfalls mit Zigarette als unverzichtbarem Accessoire ausgestattet, demonstrieren auch Männer eine Haltung jenseits von als Norm betrachteten Moden.
Selbstverständlich begegnen wir auf ‚La Palma’ auch Frauen und Männer, deren Auftritt sich an Moden westeuropäischer Kultur orientiert. Nach unserer Beobachtung sind diese Personen eher keine einheimischen Bewohner der Insel.

Venus von Willendorf
Ankunft der Maria de' Medici in Marseille
Über Motivation und Haltungen einheimischer Bewohner können wir nur spekulieren. Gewiss ist zumindest, dass ‚La Palmas’ Kultur von bäuerlichem Leben geprägt ist, was einen derben ‚Touch’ erklären mag. Möglicherweise überleben auf ‚La Palma’ archaische erotische Ideale, die üppige Busen, ausladende Gesäße und breite Hüften als Zeichen von Fruchtbarkeit und Gesundheit schätzen. In Peter Paul Rubens (1577-1640) Gemälden zeigen idealisierte Frauendarstellungen noch immer fleischige Körper, die an prähistorischer Venusfigurinen erinnern, wie etwa im Bild 'Ankunft der Maria de' Medici in Marseille' (um 1622, Musée du Louvre).
Mit dem Prozess sozialer Differenzierung und unter dem Einfluss von ‚Hochkultur’ verdrängen eher kurzlebige Moden jene aus archaischen Lebensbedingungen gewachsenen erotischen Ideale. Einmal mehr erweist sich, dass Denk- und Verhaltensmuster nur in ihren zeitlichen und sozialen Kontexten verständlich werden.
Obwohl das Körpergewicht unterhalb der Grenze zur Fettleibigkeit keine Rückschlüsse auf Gesundheit und Lebenserwartung erlaubt, gelten in der Gegenwart jugendlich-schlanke Körper als schön, gesund, gepflegt und kultiviert, während Körperfülle mit dem Makel eines unkontrollierten 'Übergewichts’ etikettiert ist. ‚Oberweite’ signalisiert nicht mehr Fruchtbarkeit, sondern ist zu einem erotischen Modephänomen mutiert, das je nach aktuellem Trend weniger oder mehr verlangt. Während in den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts androgyne Figuren 'en vogue' waren, sind aktuell ausgeprägte Oberweiten 'in', weshalb bei Bedarf ‚Push Ups’ oder auch operative Eingriffe nachhelfen, wenn sich Körperformen zu weit vorm modischen Ideal entfernen.

Der englische Dichter und Schauspieler William Shakespeare (1564-1616) vertrat die Auffassung, dass schwergewichte Menschen im Vergleich zu hageren Typen umgänglicher, weniger ehrgeizig und darum weniger gefährlich für Machtpositionen sind, weshalb er Julius Caeser sprechen ließ: Let me have men about me that are fat (Julius Caeser, Act 1, Scene 2).  
Währernd Wissen über die Gesundheitsschädlichkeit des Tabakrauchens nicht zu bezweifelndes Gemeingut bildet, ist zumindest diskutierbar, ob und in welchen sozialen Kontexten Körperfülle mit Schönheitsidealen korreliert. Als gesichert gilt jedoch, dass Übergewicht ungesund ist, das Leben durch Krankheiten beeinträchtigt und die Lebenserwartung um mehrere Jahre verkürzt, wenn Übergewicht mit mangelnder Fitness einhergeht. Zusammenhänge zwischen Körpergewicht, Fitness und Gesundheit betrachtet der Post: Welches Körpergewicht ist gesund?

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