Sonntag, 23. Oktober 2011

Preußens Gloria in Potsdam - Australia meets Germany in Ostdeutschland

Sonnenmotiv am Schloss Sanssouci
Potsdam behauptet von sich, zu den schönsten deutschen Städten zu zählen. Das galt nicht immer, aber inzwischen wieder, sagen wir dazu. Unsere Marathonpremiere 1990 in Berlin hat uns vor 21 Jahren das erste Mal nach Potsdam gelockt. Das reiche Kulturerbe der Stadt hat uns sehr beeindruckt. An den gleichzeitigen Schock des fortgeschrittenen Verfalls des Kulturerbes erinnern wir uns lebhaft. Bereits 1990 wurde die Kulturlandschaft Potsdams zum UNESCO-Welterbe erklärt. Nach langer Restaurierungs- und Bauphase, die viel Kraft und erhebliche Geldmittel kosteten, präsentiert sich Potsdam mittlerweile nahezu in Bestform. Nicht weniger als 12 Schlösser, wunderschöne historische Parkanlagen und mehrere attraktive historische Viertel zählen zu den Trümpfen der Stadt. Die Umgebung des von Eiszeiten geformten Havellands mit seinen verzweigten Flusslandschaften, Seen, Inseln und Feuchtgebieten ist ein weiterer Trumpf, von dem Potsdam profitiert. So verwundert nicht, wenn 15 % der ca. 150.000 Einwohner Potsdams Studenten sind.
Wer interessiert ist, kann sich in einem überschaubaren Raum und je nach Temperament in einem Parforceritt auf einem hoch interessanten Parcour intensiv mit nicht allzu ferner und jüngerer deutscher Geschichte und ihrer Kultur auseinandersetzen. Selbstverständlich sind auch weniger intensive Arten der Rezeption möglich und vermutlich auch üblich. Die Objekte der Erfahrung sind geduldig und schreiben dem Besucher nicht vor, wie er sich ihnen zu nähern hat. Unsere Zeit reicht heute nur für einen Kurzbesuch der Altstadt und einen Spaziergang durch den Schlosspark Sanssouci. Aber bereits im Dezember bieten sich neue Optionen für intensivere Besuche.

Häuserzeile im 'holländischen Viertel' Potsdams
Nach der Völkerwanderung war das Urstromtal des Havellands slawisches Siedlungsgebiet. Der slawische bzw. niedersorbische Name der Stadt ist 'Podstupim', was mit 'Vorposten' übersetzt werden kann, woraus 'Potsdam' geworden ist. Eine nachhaltige Entwicklung einer lange unbedeutenden Ortschaft setzte im 17. JH mit der Entscheidung des Großen Kurfürsten ,Friedrich Wilhelm', ein, Potsdam neben Berlin zur Residenz auszubauen. Die Immigration protestantischer Hugenotten aus Frankreich, denen in Brandenburg Schutz gewährt wurde, brachte qualifizierte Fähigkeiten ins Land und erforderte eine neue Siedlungspolitik. Um Land für die Besiedlung und die Landwirtschaft zu gewinnen musste Sumpfgelände entwässert werden. Für diese Aufgabe wurden Fachkräfte aus den Niederlanden angeworben und in einem eigenen Stadtviertel angesiedelt, dem 'Holländischen Viertel', das unter der Leitung des holländischen Baumeisters Johann Boumann zwischen 1733 und 1740 erbaut worden ist.




Nauener Tor, Potsdam
In unmittelbarer Nähe zum 'Holländischen Viertel' befindet sich mit dem 'Nauener Tor' eines von drei erhaltenen Stadttoren Potsdams. Die heute nicht mehr erhaltene Stadtmauer diente nicht der Befestigung, sondern sollte die Desertation von Soldaten und Warenschmuggel verhindern. Die Zweckbstimmung erinnert fatal an den 'Antifaschistischen Schutzwall', den das DDR-Regime im August 1961 in Berlin errichten ließ.
Ehe wir tiefer in Geschichte und Kultur eindringen, suchen wir beim 'Nauener Tor' ein Frühstückscafé. Wir finden mehrere, die sehr beliebt zu sein scheinen, denn wir können nur mit Mühe einen wenig attraktiven Platz ergattern und müssen anschließend unzumutbar lange Wartezeiten in Kauf nehmen. Inzwischen ist es bereits Mittag. Unsere kostbare Zeit zerrinnt. Umleitungen des Straßenverkehrs machen unser GPS nutzlos. Fehlende oder nicht sachgerechte Beschilderungen leiten uns als Ortsunkundige mehrfach in die Irre. Unser Zeitbudget schmilzt. Wir beschließen, uns auf 'Schloß Sanssouci' und den Schloßpark zu konzentrieren.


Brandenburger Tor auf dem Luisenplatz in Potsdam
Den Haupteingang zum Schloß finden wir nicht und wählen den Zugang vom 'Luisenplatz', unter dem sich ein Parkhaus befindet. Oberirdisch dominiert das 'Brandenburger Tor', das Friedrich II. nach seinem Triumph im 'Siebenjährigen Krieg' 1770/1 als Stadttor bauen ließ (und damit älter ist als das Berliner Tor). Auf dem Weg zur Stadt Brandenburg musste dieses Tor passiert werden, weshalb das Tor diesen Namen erhielt.
Der 'Luisenplatz' entstand mit dem Bau der Stadtmauer um 1733 und wurde mehrfach umgestaltet. Die aktuelle Interpretration historischer Entwürfe bereichert Potsdam. Der Platz erhielt seinen Namen, nachdem 1793 'Prinzessin Luise von Mecklenburg-Strelitz' mit ihrer Schwester Friederike anlässlich der Heirat mit 'Friedrich Wilhelm III.' hier empfangen wurde. Friederike heiratete den jüngeren Bruder des Kronprinzen. Die spätere 'Königin Luise' (ab 1797) war wegen ihrer Schönheit gerühmt und im Volk außerordentlich populär. Die Sommermonate verbrachte das Königspaar regelmäßig auf dem Land im Herrenhaus Paretz. Luise starb mit 34 Jahren, nachdem sie in 17 Ehejahren 10 Kinder geboren hatte. 


Tor zum Schloßpark Sanssouci am 'Grünen Gitter'
Das Schloßgelände betreten wir über einen Nebeneingang am 'Grünen Gitter' und erhalten auf unserem Weg durch den Schloßpark zum Schloss Sanssouci einen ersten Eindruck von der Anlage des Schloßparks, der bereits für sich einen Besuch lohnt. Eintritt wird für den Zugang in den Schloßpark nicht erhoben. Dementsprechend sind wir am heutigen Sonntag und in Anbetracht des schönen Wetters mit vielen Spaziergängern unterwegs.
Der französische Name des Schlosses entspringt keiner zufälligen Laune. Französisch war zu dieser Zeit die Sprache des Hochadels, z.B. auch am Zarenhof, wie wir von Tolstoi wissen. Friedrich II. sprach nur schlecht Deutsch und beherrschte Französisch perfekt. Seine Korrespondenz mit Voltaire umfasst nahezu 300 von Friedrich II. verfasste Briefe. Beide korrespondierten übrigens auch mit der russischen Zarin, 'Katharina die Große', selbstverständlich auf Französisch.




Schloss Sanssouci von der Gartenseite mit Terrassenanlage
Wir nähern uns Schloß Sanssouci von der Gartenseite, die im Unterschied zu der nüchtern-kühlen Front heiter-verspielt gestaltet ist und eine Einheit mit der umgebenden Gartenanlage bildet. Friedrich II. soll das Schloß sein 'Weinberghäuschen' genannt haben. Den Hang mit Eichenwäldern ließ Friedrich II. zu einem Weinberg mit sechs Terrassen umbauen. Im Zentrum führt eine große Treppe zum Schloß. An den Seiten erlauben jeweils Rampen eine Auffahrt. Die Terrassen waren mit Weinstöcken aus Frankreich, Italien, Portugal und Deuschland bepflanzt.
Sanssouci ließ Friedrich II. 1745-1747 als Sommerresidenz im Stil des Rokoko  bauen. Entgegen barocken Residenzen ist das Schloß nicht als Mittelpunkt, sondern als Teil der Gartenanlage konzipiert. Der Komplex diente nicht primär der Repräsentation, sondern war für Friedrich II. ein Rückzugsraum, in dem er u.a. seinen musikalischen Leidenschaften nachgehen konnte. Friedrich II. bewohnte selbst nur 5 von damals 12 Räumen des Komplexes.


Windmühle im Schlossgelände
Zum Zeitpunkt des Schlossbaus stand in dem Gelände bereits eine Windmühle, die Friedrich II. erhalten ließ weil "... die Mühle dem Schloss eine Zierde sey." Vermutlich entsprach die Mühle Friedrichs II. Vorstellungen von einem Landidyll.











Chinesisches Haus im Schloßgarten Sanssouci
Ein besonders kurioses Gebäude des Schloßparks ist der Pavillon 'Chinesisches Haus'. Angeregt vom Überseehandel der Holländer mit Asien kam im Barock in den Fürstenhäusern eine Chinamode auf, die auch Friedrich II. beeinflusste. Als Schmuckstück des Parks war das Chinahaus auch Kulisse für kleine Feste.
Erwähnung verdient Friedrichs II. gestörtes Frauenverhältnis. Friedrich II. heiratete 1733 Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern. Die Ehe blieb kinderlos. Gerüchte sprechen von homosexueller Orientierung Friedrich II., weshalb die Ehe zwar aus Staatsraison zustande gekommen, aber nie vollzogen worden sei. Nach der Thronbesteigung trennte sich Friedrich II. 1740 räumlich von seiner Gemahlin, die fortan in Schloß Schönhausen bei Berlin wohnte. 'Sanssouci' (ohne Sorgen) war ein Schloß 'sans femmes' (ohne Frauen). Ob Friedrich II. einen Zusammenhang zwischen Sorgen und Frauen hergestellt hat, ist nicht überliefert.



Motiv im Garten von Schloß Sanssouci
Die Gartenanlage von Sanssouci folgte nicht allein barocken, auf  Repräsentation ausgerichteten Prinzipien, sondern einem Stilprinzip modernen Designs, wie es von Vertretern des Bauhauses bewusst gemacht worden ist, nämlich Nützliches und Schönes miteinander zu verbinden. Der Schlosspark war darum zugleich als Ziergarten und als Nutzgarten konzipiert, in dem Obst, Gemüse und Kräuter ihren Platz hatten.
Das Fontänensystem des Parks bereitete schon zur Zeit Friedrichs II. viel Ärger und bleibt auch bei unserem Besuch trocken. Indizien verweisen auf laufende Reparaturarbeiten, die jedoch am heutigen Sonntag ruhen. Vielleicht gelingt es, das Fontänensystem zum des Geburtstages Friedrichs II. wieder in Gang zu setzen. Im Januar 2012 jährt sich der Geburtstag zum 300. Mal und wird sicherlich viele Veranstaltungen anregen, seitdem Friedrich II. inzwischen einen von politischen Ideologien entschlackten Platz in der Geschichte findet.



In Sanssouci wollte Friedrich II. bestattet werden. Sein Neffe, der im Volk als 'Lüderjahn' verspottete Nachfolger Friedrich Wilhelm II., mißachtete den Wunsch und ließ Friedrich II. in der Potsdamer Garnisonskirche neben dessen Vater bestatten, dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I.  Erst nach der politischen Wende wurde der Sarkophag mit den sterblichen Überresten des Königs am 17. August 1991, dem 205. Todestag Friedrichs II., im Schloss Sanssouci aufgebahrt und in der Nacht in der von Friedrich II. vorbestimmten Gruft auf der obersten Weinbergterrasse beigesetzt. Die Gruft hatte Friedrich II. 1744 anlegen und mit einer Inschrift versehen lassen: 'Quand je serai là, je serai sans souci.' ('Wenn ich da sein werde, werde ich ohne Sorge sein.')

Jenseits historischer Bezüge zu Hohenzollern-Königen war Potsdam unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg Schauplatz bedeutender zeitgeschichtlicher Entscheidungen, mit der Weichen der deutschen Nachkriegsentwicklung gestellt worden sind. Schloß Cecilienhof, das Kaiser Wilhelm II. für den Kronprinz Wilhelm und dessen Gemahlin Cecilie 1914-1917 im 'Neuen Garten' bauen ließ, war Tagungsort der 'Potsdamer Konferenz'. Hier fixierten die Siegermächte des 2. Weltkriegs am 2. August 1945 die Beschlüsse des 'Potsdamer Abkommens'. Diese schrieben 'Denazifizierung', 'Demilitarisierung', 'Demokratisierung', 'Dezentralisierung' und 'Demontage' vor. Die politische Neuordnung bestimmte mit der Teilung Deutschlands und unsere jüngere deutsche Geschichte, in der wir aufgewachsen sind.
In der Zeit des 'Kalten Krieges' war die 'Glienicker Brücke' zwischen Potsdam und Berlin wegen ihrer abgeschiedenen Lage mehrfach spektakulärer Schauplatz des Austauschs von Top-Agenten der USA und der UdSSR. Protagonisten waren a.u. der CIA-Pilot Gary Powers, der bei einem Spionageflug mit seiner 'U2' über der UdSSR abgeschossen wurde sowie KGB-Spion Rudolf Abel, dessen Spionagenetz Zugang zur hoch geheimen Kernwaffenproduktion der USA hatte. Am 10.02.1962 wurden Powers und Abel ausgetauscht.
Link zur Geschichte der Glienicker Brücke

Aktuelle Zeitbezüge können wir im Rahmen dieses Besuchs nicht würdigen. Bei unserem nächsten Besuch im Dezember möchten wir auch diesen Bedarf nachholen. Unser Standort wird übrigens die Ortschaft Paretz sein, ca. 20 km von Potsdam entfernt, die Wilhelm III. und seine Ehefrau Luise als Landidyll sehr geschätzt haben. Wohnen werden wir in einem restaurierten Gebäude, in dem zur Zeit des Preußenkönigs eine Gastwirtschaft betrieben wurde.

Gemäß Harpe Kerkelings Motto
"Das ganze Leben ist ein Quiz. Wir sind nur die Kandiaten und müssen raten, raten, raten" 
kommen wir zu den Preisfragen:
  1. Der Name des Gebäudes, in dem wir im Dezember wohnen werden, heißt  ... ? 'Landhaus Luise'? Richtig!
  2. Unser Appartement, das wir bewohnen werden, ist bezeichnet nach .... ? 'Friederike'? Richtig!
Als Belohnung werden wir über Erlebnisse unserer Wanderungen auf Theodor Fontanes Spuren demnächst berichten. Wir sind hoch motiviert, bereiten uns bereits intensiv vor, lesen Fontanes "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" und erwarten spannende Erfahrungen!


Der Beitrag dieses folkloristischen Videos nimmt Bezug auf das preußische 'Infanterieregiment No. 6' dessen Soldaten im Volksmund 'Lange Kerls' genannt wurden. Friedrich Wilhelm I., Vater des 'Alten Fritz' und als 'Soldatenkönig' bezeichnet, formte dieses Regiment als sein 'Leibbataillon'. Die Grenadiere dieses Regiments mussten eine Körpergröße von mindestens 6 preußische Fuß (ca. 1,88 m) aufweisen. 
Trotz guter Bezahlung und einiger Privilegien erwies sich die Rekrutierung von Soldaten für dieses Eliteregiment als außerodentlich schwierig. Werber des Königs waren europaweit unterwegs, um Soldaten mit Handgeldern, falschen Versprechungen oder sonstigen üblen Tricks anzuwerben. Teilweise wurden auch großgewachsene Männer 'schanghait', d.h. mit Gewaltanwendung zwangsweise verschleppt. Kaum einer dieser Soldaten hielt sich freiwillig in dem Regiment auf. Damit wird auch verständlich, weshalb um Potsdam eine Stadtmauer errichtet wurde, mit der eine Flucht von Soldaten verhindert werden sollte. Analogien zur Mauer in Berlin sind offensichtlich. Das Regime der DDR hat aus Geschichte gelernt, aber leider die falschen Lektionen.
Diese Schrulle des ansonsten als sparsam geltenden Königs hat riesige Geldsummen verschlungen. Es heißt, dass die Steuerzahler während der Regentschaft des Königs 36 Millionen Taler für Rekrutierung und Unterhalt des Regiments aufbringen mussten. Friedrich II. neigte deutlich stärker als sein Vater zur Verschwendung, aber das Leibbataillon war ihm zu teuer, weshab er es nach seiner Machtübernahme 1740 auflöste. Das Verhältnis Friedrich II. zu seinem Vater Friedrich Wilhelm I. war auch sonst alles andere als einfach und dürfte großen Einfluss auf die Entwicklung einer 'schwierigen Persönlichkeit' gehabt haben, für die Friedrich II. bekannt war. Aber das ist eine andere Story.

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