Dienstag, 18. Oktober 2011

Von der sächsischen Wiege zur sächsischen Residenz - Australia meets Germany in Ostdeutschland

Motiv an der Burgbrücke
Um Sachsens reiches kulturelles Erbe kennenzulernen bedarf es mehrerer Wochen, wenn nicht gar Monate Zeit. Uns bleibt noch genau ein Tag in dieser Region, weshalb wir uns darauf beschränken, durch die Residenzstädte Meißen und Dresden zu bummeln, die sich im sonnig-warmen Herbstwetter glänzend präsentieren.
Vor dem Frühstück gönnen wir uns wieder einen Morgenlauf an der Oberelbe, der uns in Hochstimmung versetzt. Selbst das GPS, das uns gestern in Stich gelassen hat und die Rückfahrt von Bautzen zu einem kleinen Abenteuer werden ließ, zeigt sich heute wieder willig. Den Umweg über eine Werkstatt können wir uns glücklicherweise ersparen und die kostbare Zeit für unsere Besichtigungen nutzen.










Meißen 
  
Altstadtmotiv mit Schloßberg
Wir starten unsere Besichtigung in der Altstadt Meißens, in der mehr als tausendjährige Geschichte lebendig wird. Der Bedeutungsverlust, den Meißen in den letzten Jahrhunderten erfuhr, mag ein Grund dafür gewesen sein, dass die Stadt während des 2. Weltkriegs von größeren Zerstörungen verschont blieb. Dank der Wiedervereinigung konnte der fortgeschrittene Verfall der Altstadt gestoppt werden. Nach der inzwischen weitgehend abgeschlossenen Sanierung versetzt uns die Stadt mit ihrem dichten, mittelalterlich anmutenden Stadtbild, Prachtbauten und wunderschönen Plätzen in Ehrfurcht und Begeisterung. Einem Kölner treibt dieser Anblick bei einem Vergleich mit seiner Heimatstadt Tränen der Trauer und Wut in die Augen.
Über der Altstadt thronen auf dem Schloßberg der im 13. Jahrhundert erbaute gotische Dom 'St. Johannis und St. Donatus' neben der spätgotischen 'Albrechtsburg', die sich nach außen als Festung präsentiert, tatsächlich aber als Schloss konzipiert ist und als erster Schlossbau Deuschlands gilt. 







Burgbrücke zum Schloßberg
Am Beginn der Geschichte Meißens steht die von König Heinrich I. im Jahr 929 veranlasste Zerstörung einer sorbischen Burg. Zum Schutz eigener Ansprüche gegen slawische Eroberungen lässt Heinrich I. die Burg 'Misni' (Meißen) errichten. König Otto I. erhob 968 Meißen zum Bistum. Trotz mehrfacher Einnahme und Zerstörung durch böhmische und polnische Eroberer und trotz einiger verheerender Brandkatastrophen entwickelte sich Meißen in den folgenden Jahrhunderten zu einer bedeutenden Handelsstadt. 
Ab 1423 war Meißen Residenz des Kurfürstentums Sachsens. Als Folge der 'Leipziger Teilung', in der die wettinischen Erben eine Aufteilung der wettinischen Länder vereinbarten, wurden 1485 die Residenzen nach Dresden und Wittenberg verlegt. Der unbedeutende Ort Dresden stieg auf und wurde unter Friedrich August I. von Sachsen ('August der Starke') zu einer glanzvollen Metropole seiner absolutistischen Prachtenfaltung ausgebaut. Meißen verlor an Bedeutung. 


Schloßberg mit gotischem Dom 'St. Johannis und St. Donatus'
Den Schlossberg dominieren zwei monumentale Architekturen als Symbole der göttlichen und der weltlichen Herrschaft. Der gotische Dom ist das wesentlich ältere und wahrscheinlich historisch wie kunstgeschichtlich bedeutendere der beiden Gebäude. Vorgängerbauten des Doms gehen auf die von Otto I. 968 verfügte Bistums-Gründung zurück, die als Keimzelle der Christianisierung Sachsens gilt. Die reiche Innenausstattung der Kirche lohnt unbedingt den kostenpflichtigen Besuch.  









Albrechtsburg auf dem Schloßberg
Das spätgotische kurfürstliche Schloß 'Albrechtsburg' wurde ab 1471 anstelle der alten Markgrafenburg im spätgotischen Stil errichtet und adaptiert Elemente französischer und italienischer Baukultur. Aufgrund der 1485 vereinbarten 'Leipziger Teilung' wurde die 'Albrechtsburg' nie zur wettinischen Residenz. Ab 1495 wurden die Bauarbeiten eingestellt. Erst 1521 ließ der in Dresden residierende Sohn Herzog Albrechts, 'Georg der Bärtige', die Burg fertigstellen. Von 1710 bis 1863 war in dem Schloss eine Produktionsstätte der sächsischen Porzellanmanufaktur untergebracht. Mittlerweile gehört das Schloss zum Staatsbetrieb 'Staatliche Schlösser, Burgen und Gärten Sachsen' und wird als Museum genutzt.






Impressionen an der sächsischen Weinstraße

Schloss Wackerbarth mit Weinbergen des Schlossgutes
Trotz gutem Frühstück stellt sich inzwischen Hunger ein. In Anbetracht des schönen Wetters bietet es sich an, auf der Weiterfahrt nach Dresden einen kleinen Lunch am Schloß Wackerbarth einzunehmen. Hinsichtlich der Weinqualität gibt es an der sächsischen Weinstraße eine Reihe von Betrieben, deren Weine ebenbürtig oder zum Teil auch überlegen sind. Uns geht es jedoch weniger um die Weinqualität als um die attraktive Atmosphäre, die dieses sächsische Staatsweingut perfekt inszeniert. Dass sich in dieser wunderschönen Umgebung gut speisen lässt, wissen wir aufgrund von Besuchen in den Vorjahren.
Dank des herrlichen Wetters können wir unseren Imbiss im Garten einnehmen. Der Aufbruch fällt uns ausgesprochen schwer, aber wir haben schließlich noch Dresden auf unserem Programm, das heute in dieser Region endet.





Blumen im Garten von Schloß Wackerbarth
Lunch im Garten von Schloß Wackerbarth















Besuch im 'Elbflorenz' Dresden

Fürstenzug, Porzellanbild der Geschichte des Fürstenhauses
Ehe Dresden zur Residenzstadt aufgestiegen ist und mit seinen Kunstsammlungen sowie wegen seiner barocken und mediterranen Architektur in landschaftlich reizvoller Lage am Fluss seinen Ruf als 'Elbflorenz' begründen konnte, gab es natürlich auch bereits eine Vorgeschichte, deren Spuren sich ca. 7000 Jahre zurückverfolgen lassen. Auf jüngere sorbische Spuren verweist bereits der Name Dresdens, der vermutlich aus dem altsorbischen 'Drežďany' für 'Sumpf- oder Auwald-Bewohner' abgeleitet ist. Bedeutung erlangte Dresden jedoch erst, nachdem es Meißen in Folge der 'Leipziger Teilung' als Residenzstadt abgelöst hat. Mit der Erhebung des wettiner Besitzes zum Kurfürstentum und Königreich erfuhr Dresden die entscheidende Aufwertung als politisches und kulturelles Zentrum. Friedrich August I. von Sachsen ('August der Starke'), eine schillernde Persönlichkeit und einer der letzten absolutistischen Fürsten Deutschlands, machte Dresden zum repräsentativen Mittelpunkt seiner feudalistischen Macht.



Impressionen am Zwinger
An einem Nachmittag einen nachhaltigen Eindruck von dieser Stadt zu gewinnen, kann nur oberflächlich bzw. bei Verzicht auf vertiefende Details gelingen. Die Frage, was wir in dem verfügbaren Zeitrahmen beachten wollen bzw. was wir ignorieren müssen, erlaubt keine einfachen Antworten. Ein guter Anfang ist die im 'Fürstenzug' mit 25.000 Porzellankacheln dargestellte Geschichte des Fürstenhauses Wettin. 
Der von Friedrich August I. beauftragte und im Stil des Barocks realisierte Zwingerkomplex darf natürlich nicht fehlen. Jenseits der ursprünglichen Zweckbestimmung als Orangerie, Garten und repräsentatives Festareal wird der 'Zwinger' seit dem 18. Jahrhundert als Museumskomplex genutzt. Für eine Betrachtung der reichen Sammlungen fehlt jedoch die Zeit.





Motiv an der Brühlschen Terrasse
Ein Spaziergang über die 'Brühlsche Terrasse' ist ein weiteres Must-do. Die repräsentative Elbfront sollte insbesondere die auf der Elbe anreisenden Gäste des Fürstenhauses beeindrucken, vielleicht auch einschüchtern. Größe und Glanz des prächtigen Komplexes beeindrucken noch immer und dürften auch den zahlreichen Mätressen des Kurfürsten von Sachsen und Königs von Polen imponiert haben, die seinen Ruf als 'Starken' festigten. Der feudalistische Lebensstil ist August nicht gut bekommen. Wie nicht anders zu erwarten, entstand zwischen den Mätressen nicht nur scharfe Konkurrenz, sondern in der Folge auch einiger Ärger, in dessen Zentrum die ehemalige Hauptmätresse stand, 'Anna Constantia Reichsgräfin von Cosel'. Mit Augusts Gesundheit ging es bergab. Er litt am 'tödlichen Quartett' des 'metabolischen Syndroms' (Fettleibigkeit, Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdruck). Eine Zehe musste amputiert werden. August wog zuletzt 110 kg und starb 1733 im Alter von 62 Jahren - Ironie des Schicksals - an einem Schwächeanfall.



Das symbolträchtige Gebäude der rekonstruierten 'Frauenkirche'  dürfen wir selbstverständlich nicht auslassen. In der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945 wurde die Frauenkirche durch einen Luftangriff britischer und amerikanischer Bomber zerstört. Die Bomben galten ursprünglich der Raketenindustrie in Peenemünde auf Usedom, konnten aber wegen der starken Luftabwehr nicht platziert werden. In einem sinnlosen Akt der Zerstörung sind die Bomben statt dessen für die Zerstörung der Frauenkirche eingesetzt worden.
Die Reste der Frauenkirche blieben als Ruine vorerst ein Mahnmal gegen Krieg. Der bereits in den achtziger Jahren geplante Wiederaufbau konnte erst nach der Wende ab 1996 beginnen. Weltweite Initiativen ließen Spenden in Höhe von 115 Millionen Euro für den Wiederaufbau eingehen, dessen Gesamtkosten mit 180 Millionen Euro beziffert sind. Dank diesem Akt humaner Solidarität konnte die Frauenkirche in einem weltweit beachteten feierlichen Akt geweiht und ihrer Bestimmung übergeben werden. Heute gilt die Frauenkirche nicht nur wieder als Mittelpunkt Dresden, sondern auch als ein Symbol der Hoffnung auf die Kraft einer grenzenlosen Solidarität. Nach einem Rundgang durch das imposante Kirchengebäude ist es Zeit für einen Kaffee, den wir auf dem sonnigen Platz an der Kirche einnehmen.

Unsere letzte Besichtigung vor der Rückfahrt zu unserem Quartier gilt dem historischen 'Stallhof', ein 1591 fertiggestellter ehemaliger Turnierplatz, der zum Komplex des Residenzschlosses gehört und einer der ältesten in der originalen Ausgestaltung erhaltenen Turnierplätze der Welt ist. Der 'Stallhof' wird heute für kulturelle Veranstaltungen genutzt, u.a. für einen Weihnachtsmarkt, der sich mittelalterlich gibt.
Wirklich zufrieden sind wir mit Umfang und Tiefe unserer Eindrücke nicht, können aber diesen Kompromiss im Interesse unser australischen Freunde akzeptieren, zumal die Option einer intensiveren Vertiefung für uns leicht zu realisieren ist.

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