Eingang zum Häftlingslager im einstigen KZ Sachsenhausen |
Die Strecke nach Berlin führt über die alte Hansestadt Stralsund, so dass sich ein Besuch anbietet. Kurz vor Berlin befindet sich bei Oranienburg die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Sachsenhausen. Diese finstere Kapitel deutscher Geschichte wollen wir auf unserer Rundreise nicht aussparen, aber unseren australischen Freunden auch nicht ungefragt zumuten. Sie sind bereit, einen Blick in diesen Abgrund menschlicher und speziell deutscher Geschichte zu wagen.
Architektur aus der Blütezeit der Hanse am Strelasund
Rathausfront in Stralsund mit Nicoleikirche am Alter Markt |
Wulflamhaus gegenüber dem Rathaus am Alter Markt |
Die im Stil norddeutscher Backsteingotik erbauten Häuser der heutigen Altstadt sind zur Blütezeit Stralsunds errichtet worden. Ruhm und Reichtum der Stadt und ihrer Kaufleute symbolisieren die Giebelhäuser, unter denen das Rathaus am Markt mit seiner Schaufassade als das bedeutendste historische Bauwerk an der deutschen Ostseeküste gilt. Auf den herausragenden Status der Stadt verweisen 3 Großkirchen und 3 große Klosteranlagen die allesamt im 13. Jahrhundert gebaut wurden. Neben einigen weiteren äußerst sehenswerten Häusern sind auch ein großer Teil der Stadtmauer und einige Tor bis heute erhalten.
Wohnstraße bei der Jacobikirche |
Begegnung mit schmerzender deutscher Geschichte in der Gedenkstätte Sachsenhausen
Um eine ernste Auseinandersetzung mit schmerzhafter deutscher Geschichte können wir uns in der Rolle als Deutsche nicht drücken. Zerstörtes Vertrauen in Kompetenz, Glaubwürdigkeit und Kooperationsfähigkeit muss neu erarbeitet werden. Ohne eine belastbare Integrität zwischen den Generationen und zwischen Nationen ist ein friedliches Miteinander nicht möglich. In diesem Sinne ist die Gedenkstätte Sachsenhausen mehr als ein Monument der Anklage oder ein Blick in tiefe Abgründe menschlicher Natur. Erst in der aktiven Auseinandersetzung mit diesem unglaublichem Schrecken wachsen Chancen für das Erkennen, Verstehen und Überwinden.
Allein die nackten Zahlen, die nur für Sachsenhausen gelten, vermitteln bereits eine Ahnung vom Ausmaß dieses Schreckens. Inhaftiert wurden ab 1936 zunächst politische NS-Gegner, später auch Menschen, die rassisch oder biologisch als mindertwertig aussortiert wurden (Juden, Homosexuelle, Sinti, Roma, 'Zeugen Jehovas', 'Asoziale'). Mit Kriegsbeginn wurden auch Menschen aus besetzten Staaten und Kriegsgefangene inhaftiert. Im Zeitraum von 1936 -1945 waren hier mehr als 200.000 Menschen inhaftiert. Die Inhaftierten mußten innerhalb des Geländes und in Außenlagern Zwangsarbeit leisten, u.a. in Rüstungsbetrieben, aber auch in Berliner Industriebetrieben wie AEG, Daimler-Benz, DEMAG, I.G. Farben, Henschel, Siemens. Mehrere Zehntausend Inhaftierte starben aufgrund von Hinrichtungen, Massenexekutionen, medizinischen Experimenten, Misshandlungen, Hunger, Krankheit, Erschöpfung.
Mit Vorrücken von Einheiten der 'Roten Armee' und der 'US Army' wurden 80.000 Inhaftierte 1945 aus den Lagern evakuiert. Insassen, die nicht sofort umgebracht worden sind, wurden in langen Kolonnen in das Umland geführt. Ein großer Anteil der Inhaftierten überlebte diese 'Todesmärsche' nicht. Sowjetische und polnische Soldaten trafen bei Befreiung des Lagers am 23.04.1945 auf 3.000 marschunfähige Häftlinge und Pfleger im Krankenrevier, von denen in den nächsten Wochen mindestens 300 starben.
Nach Kriegsende wurde in dem Gelände bis 1950 ein sowjetisches Speziallager eingerichtet, in dem 60.000 kleinere und mittlere Funktionsträger der NSDAP inhaftiert waren, von denen mindestens 12.000 starben. Dieser Teil der Geschichte ist in der DDR nicht öffentlich gemacht worden. Nach Jahren militärischer Nutzung und Verwahrlosung wurde 1961 auf einer kleinen Fläche des ehemaligen Konzentrationslagers die 'Nationale Mahn- und Gedenkstätte Sachsenhausen' eröffnete. Der Hauptteil des Geländes wurde weiter militärisch genutzt. Authentische Einrichtungen waren auf dem Gelände weitgehend verschwunden. Die Aufarbeitung der Vergangenheit war nur in dem Rahmen möglich, wie ihn die politische Situation vorgegeben hat.
Nach der politischen Wende setzt eine Neubewertung, Sanierung und Neugestaltung ein. Ende 2001 eröffnet ein Museumsneubau, in dem neben der ständigen Ausstellung temporäre Sonderausstellungen stattfinden. 2004 eröffnet im Eingangsbereich der Gedenkstätte in der ehemaligen 'Waffenmeisterei' ein Besucherinformationszentrum mit museumspädagogischen Einrichtungen.
Der Besuch der Gedenkstätte ist kostenlos. Am Tag unseres Besuchs trafen wir auf viele und überwiegend junge Besucher aus dem Ausland, die meistens in geführten Gruppen unterwegs waren. Entgegen dem oft lustigen Auftreten von Jugendgruppen wirkten diese Besucher sehr betroffen, aber nie unfreundlich oder aggressiv. Die Erinnerung an diese von der Generation unserer Eltern und Großeltern zu verantwortenden Greuel sind ein Erbe, das uns belastet, weil es uns mit Gefühlen der Trauer und einer schmerzenden Scham erfüllt. Es fällt nicht leicht, den jugendlichen Besuchern aus dem Ausland ins Auge zu schauen.
Eingangsbereich zur Gedenkstätte Sachsenhausen mit dem Gebäude der 'Waffenmeisterei', in dem seit 2004 das Besucherinformationszentrum organisiert ist.
Galgen (Rekonstruktion) der Hinrichtungsstätte am zentralen Appellplatz, an dem öffentliche 'Schauhinrichtungen' stattgefunden haben
Gedenktafel der Hinrichtungsstätte am ursprünglichen Standort der Galgen
Gedenkstätte eines politischen Opfers |
Einzelzelle im 'Zellenbau' (Rekonstruktion) |
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen